Auf der Basis des europäischen Wertekanons für Frieden und persönliche Freiheit ist festzuhalten:
2000 Jahre lang war die Entwicklung Europas gekennzeichnet durch die Abfolge immerwährender Kriege um Territorien und Herrschaft. Es ging auch immer wieder um die Überwindung von Fremdherrschaft und dies nicht nur in Europa, sondern weltweit auch in Bezug auf die vielen Kolonien europäischer Länder. Vor diesem Hintergrund sind die knapp 70 Jahre des Friedens innerhalb der Europäischen Union zwar eine kurze Zeitspanne aber nicht destotrotz eine bemerkenswerte Umkehr in der Geschichte.
Grenzen waren unabdingbar
Territoriale Grenzen zur Markierung von Herrschaftsgebieten gerade auch in Relation zu „den Anderen“ waren konstitutiv für die Machtausübung, früher meist durch Könige oder Kaiser, Militärherrscher oder Diktatoren und auch Sultane. Die Möglichkeit der Selbstbestimmung der Völker in Bezug auf „ihre“ Regierungsform und in Bezug auf die Frage, in welchen Gebieten sie mit wem zusammenleben wollen, ist erst eine Entwicklung etwa der letzten 180 Jahre, also eine jüngere Erfahrung.
Da Bilder zu diesem Blog im Wesentlichen Schreckensbilder sein würden, verzichten wir hier auf eine Bebilderung.
Werte der Europäischen Union
Europa hat sich zu einem Kontinent entwickelt, der geprägt ist von Demokratie und einem Bekenntnis zu Menschenrechten. Als solche sind anerkannt: persönliche Freiheit sowie Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, Sicherung der Rechtsstaatlichkeit und des Minderheitenschutzes, außerdem das Vertrauen auf wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt.
Wovon Europa sich emanzipieren muss(te)
Die Entwicklung dahin ist gekennzeichnet durch einen Jahrhunderte langen und schmerzhaften Emanzipationsprozess gegenüber 1. einem aggressiven osmanischen Islam, sowie 2. einer übergriffigen, aggressiv missionarischen, wissenschafts- und frauenfeindlichen katholischen Kirche als Institution mit weltlichen Herrschaftsansprüchen. Außerdem mussten sich viele Länder 3. von einem imperialen bolschewistischen Unterdrückungssystem nach innen und außen unter dem Deckmantel einer kommunistischen Ideologie befreien. 4. musste der nach Weltherrschaft strebende Faschismus in mehreren Ländern besonders in einem mörderischen F. aus Deutschland überwunden werden. 5. ist auch eine menschenverachtende, koloniale Vergangenheit eine schwere Hypothek nicht nur für die Völker, die darunter zu leiden hatten. Auch in den heutigen europäischen Staaten wirkt diese Vorgeschichte noch immer massiv nach.
Wie die Situation heute ist
Heute, 2020, ist keine dieser aggressiven, menschenfeindlichen Bedingungen oder „Bewegungen“ im Europa der EU dominant. Ihre Herrschaftsansprüche wirken jedoch bis in die Gegenwart nach. Das können Traumata sein oder spannungsgeladene internationale Beziehungen wie z. B. zwischen Griechenland und der Türkei. Der Europa berührende Konflikt zwischen Russland unter Putin und der Ukraine, um einen heraus zu greifen, ist weiter extrem virulent 2021 und noch mehr im Winter 2022. Aber auch in einzelnen politischen Parteien oder im Brexit finden sich massive Spuren, bzw. in speziellen sozialen Bewegungen. Und auch in westlichen Demokratien sind noch nicht alle früheren Großmachtträume überwunden bzw. sie wirken zumindest noch nach.
Welche institutionellen Prinzipien konstitutiv geworden sind
Europa knüpft an die hellenistische, aristotelische Kultur an, sowie an das römische Recht und die römischen Infrastruktur-Leistungen, außerdem an die philosophisch-praktischen Gedanken der Aufklärung und die republikanischen Prinzipien. Durchgesetzt haben sich periodisch wiederkehrende demokratische Wahlen und damit die zeitliche Begrenzung politischer Macht, außerdem die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und unabhängiger Justiz. Die Verfassungen garantieren einklagbare universelle Grundrechte, sowie Wissenschafts- und Medienfreiheit und ein Sozialstaatsprinzip, allerdings in sehr unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Mitgliedsländern der EU. Die Basis ist eine ordnungspolitisch regulierte Marktwirtschaft, in der unternehmerische Freiheit für Innovationen sorgt.
Dann ist doch alles gut – oder?
Diese Werte, die auch die heutige Europäische Verfassung (genannt Vertrag von Lissabon, 2007) festschreibt, sind zwar über Jahrzehnte erkämpft worden, aber keineswegs auf Dauer gesichert. Denn in einigen Ländern der EU werden manche dieser Werte nicht nur in Frage gestellt, sondern mit Füssen getreten oder direkt abgeschafft. Sie bedürfen daher der immerwährenden Verteidigung und robusten Einforderung, soll sich Geschichte nicht wiederholen.
1. Die blutigen, jahrhundertelangen Abwehrkämpfe gegen ein imperiales und aggressives osmanisches Reich
Der religiös untermauerte Islam begründete den weltlichen Herrschaftsanspruch des osmanischen Reiches. Es gab drei geographische Richtungen der Kämpfe.
Bereits im 8. nachchristlichen Jahrhundert stießen muslimische Araber über die iberische Halbinsel, von Nordafrika kommend, nach Norden nach Gallien vor. Sie wurden erst in der Schlacht von Tours an der Loire und Poitiers 732 von den Franken unter dem Oberbefehl von Karl Martell gestoppt. Damit war der erste Versuch des Vorstoßes nach Mitteleuropa vorläufig beendet. Nicht aber nach Spanien.
Die zweite Vormarschrichtung war über den Balkan bis vor die Tore Wiens
Seit dem Fall Konstantinopels 1453 an die Osmanen war nicht nur Griechenland mehr als 350 Jahre unter omanischer Herrschaft. 1456 war die erste Schlacht um Belgrad. Das Osmanische Reich wurde von Istanbul aus beherrscht. Bereits 1481 gehörten dazu außer Griechenland: Mazedonien und Albanien, Bosnien und Serbien, Siebenbürgen und die Wallachei, Moldawien und Bessarabien. Das waren alles Landstriche, die zu Rumänien und Bulgarien gehört haben sowie zu Ungarn. 1521 wurde auch Belgrad erobert. 1529 fand die erste Belagerung Wiens statt, ohne Erfolg. Die zweite Belagerung Wiens fand 150 Jahre nach der ersten 1683 mit zumindest 150 000 osmanischen Soldaten statt. Sie konnte nur durch das beherzte Eingreifen von Jan Sobieski aus Polen-Litauen und weitere Heeren aus Europa abgewehrt werden.
weitere Niederlagen der Osmanen
1565 belagerten die Türken in einem weiteren Vorstoß vergeblich Malta, einen Stützpunkt des Malteser Ordens unter dem Kommando von La Valetta. 1571 fand die Seeschlacht von Lepanto statt, in der Spanien und Venedig vereint, die 30jährige Vorherrschaft des osmanischen Reiches im Mittelmeer beendeten.
Das Osmanische Reich erlitt in dem folgenden Großen Türkenkrieg in Osteuropa weitere Niederlagen: so in Mohacs 1687, in Slankanen 1691 und in Zenta 1697. Im Frieden von Karlowitz von 1699 gingen daraufhin Zentralungarn mit Siebenbürgen und ein Teil von Kroatien an die Habsburger Monarchie, Podolien und Teile der Ukraine wurden Polen-Litauen zugesprochen, der Peleponnes und Dalmatien gingen an Venedig.
Bittere Ausnahmen
Die umgekehrte Entwicklung fand durch den Frieden von Belgrad 1739 statt, als Nordserbien und Belgrad sowie die kleine Walachei an das Osmanische Reich „zurückgegeben“ wurden. Belgrad befand sich bis 1867 unter türkischer Herrschaft. 1836 gab es in der Stadt 16 Moscheen. Heute gibt es nur noch eine in der jetzt mehrheitlich von serbisch – orthodoxen Christen bewohnten Stadt.
Schmerzhafte Entflechtungsprozesse und ein Völkermord
In der Schlacht von Navarino 1827 schlug eine europäische Flotte die Türken zurück. So erreichte Griechenland 1830 seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Doch der Prozess zur Emanzipation von türkischer Herrschaft dauerte sehr lange. Er umfasste auch die gegenseitige Zwangsumsiedlung von 1,6 Millionen Menschen: die große Mehrzahl musste Anatolien nach Griechenland verlassen und Muslime von dort musste in die Türkei. Erst 1947 wurden die Dodekanes – Inseln, nach diversen kriegerischen Besetzungen an Griechenland zurückgegeben.
Außerdem gab es im 19. Jahrhundert fünf russisch-türkische Kriege, allerdings auch weil das zaristische Russland sein Territorium bis ans Schwarze Meer ausdehnen wollte. Ab 1914 haben die Jung- Türken hunderttausende Armenier umgebracht, ein systematischer Völkermord – bis heute von der Türkei als solcher geleugnet.
Befreiung in „Raten“
Die Niederschlagung der osmanischen Belagerung von Wien 1683 gilt als Geburtsstunde des modernen Europas und als Rettung der abendländisch-christlichen Kultur.
Doch die Bedrohung durch die Osmanen und den aggressiven Islam wirkt immer noch stark im Gedächtnis des Kontinents, besonders im östlichen, nach. Als ein Beispiel wird z.B. die besondere Skepsis Österreichs gegen die Aufnahme der Türkei in die EU aufgeführt (Zeitschrift Cicero: Die Türken vor Wien). Als die Anspannungen dieser Belagerung endlich von den Wienern abfielen, nannten sie oft ihre Hunde „Sultan“ oder „Pascha“. Sie richteten Kaffeehäuser ein – „Kaffee ist der Türken Trank…“- und Mozart komponierte „A la turka“.
Heute noch zu bedenken ist nicht Alles überwunden
Um 1900 gehörten noch Bosnien und der Kosovo, sowie Albanien und auch Teile Nord-Griechenlands zum Osmanischen Reich.
Zypern, bis dahin griechisch, wurde 1974 völkerrechtswidrig von der Türkei besetzt: Also immer noch kein Ende türkischer imperialer Ansprüche! Immer wieder der Versuch der Fortsetzung der osmanischen Vorherrschaft im Orient, und dies durch einen Nato Partner!
2. Der mühevolle, jahrhundertelange Ablösungsprozess von einer herrschsüchtigen katholischen Kirche
Es geht hier um die Kritik an einer von rigiden Dogmen beherrschten Institution, nicht um die Kritik am Christentum schlechthin. Der Mensch Jesus Christus kann ein hervorragendes Vorbild für ein ethisches Verhalten aller Menschen über Jahrhunderte hinweg sein. Mit seiner Empathie für seine Mitmenschen, gerade auch wenn sie arm sind, mit seiner Hilfsbereitschaft und seiner Standhaftigkeit ist er sicher ein guter Wegweiser.
Aber die Kirche hat früh rigorose Alleinvertretungsansprüche in Bezug auf die Religion verfolgt und das oft sogar mit Schwert und Folter.
Die römisch-katholische Kirche als hierarchische Institution
1209 bis 1229 fand der Ketzerkreuzzug statt, bei dem in Südfrankreich mehr als 20 000 Menschen getötet wurden, eine ungeheure Zahl für damalige Verhältnisse. Papst Innozenz III. hatte den Adel Europas aufgerufen: „Voran Soldaten Christi zum Kreuzzug gegen die Albingenser und Katharer!“ Er bot dafür Ablass für die Sünden an. Die Katharer predigten Armut und Bescheidenheit. Auf die Frage, woran man die Ketzer erkennen sollte, antwortete er: Tötet sie alle, Gott weiß schon, wer seine Kinder sind! Aus der Stadt Carcassonne flohen viele Bewohner. Von den 500 verbliebenen wurden 400 getötet und die 100 Alten wurden nackt auf die Straße geschickt, nur „beladen mit ihren Sünden“. (Wikipedia, Kreuzzug gegen Katharer ; Welt.de 21.7.2016). Der Kreuzzug war von politischen Interessen motiviert: Diese Landstriche sollten in das Herrschaftsgebiet des „rechtgläubigen“ französischen Königs integriert werden, da dieser die Herrschaft des Papstes unterstützte.
Missionierung als Herrschaftsabsicherung
Als westliche Länder mit der „Eroberung“ außereuropäischer Kontinente begannen – genannt Kolonialismus – war die katholische Kirche von Beginn an involviert. Die den Entdeckern folgenden Eroberer zerstörten in vielen Fällen die vorhandene soziale Struktur, sowie die ethnische Religion oder spirituelle Verbindung der Indigenen zur Natur. Den europäischen Aggressoren folgten bald die katholischen Missionare. Schon nach der ersten Fahrt von Kolumbus hieß es nach seiner Rückkehr: „Papst Alexander VI. bestätigte in der Bulle Inter cetera das Anrecht Kastiliens auf entdeckte und zu entdeckende Gebiete westlich des Längengrades von 100 spanischen Meilen westlich der Kapverden“.(Wikipedia, Chr. Kolumbus) Mit den „Eroberungen“ der kommenden Jahrhunderte breiteten die europäischen Invasoren das Christentum auf allen Kontinenten forciert aus.
Herrschaftsabsicherung auch innerhalb Europas
Die Gewaltherrschaft der katholischen Kirche setzte sich fort mit der Inquisition, die vom 13. bis ins 18. Jhdt. mehr als fünf Jahrhunderte in Europa wütete. Kirchen-Obere stempelten Menschen aus ihrer Sicht zu Häretikern. Die Inquisitoren der Kirche für so abgestempelte Menschen – waren Ankläger, Verteidiger und Richter in einem. Mit grausamsten Foltermethoden wurden angebliche Geständnisse erpresst, die dann die Verurteilung oft zum Feuertod nach sich zog. Auf jeden verbrannten „Ketzer“ kam nach Schätzungen die zehnfache Zahl an Menschen, die zu langjährigen Kerkerstrafen oder zu wiederholten schweren Demütigungen verurteilt wurden. Das waren das Tragen von Brand-Mahlen oder Abzeichen, regelmäßige Geißelungen oder beschwerliche Wallfahrten. Genaue Opferzahlen gibt es nicht, aber Schätzungen gehen von mindestens einer Million bis zu zehn Millionen im Namen Gottes Ermordeten aus (Der Spiegel 1.6.1998).
Frühe Reformationsbewegungen
Hierzu zählt auch die Verfolgung und Ermordung unzähliger Waldenser. Die im 12. Jahrhundert vom Lyoner Kaufmann Petrus Valdes (1140-1206) gegründete Glaubensgemeinschaft wurde über Jahrhunderte unterdrückt. Die Kirche verfolgte auch diese als Häretiker, denn sie hatten gewagt, ohne Genehmigung des Papstes zu predigen und die Sakramente zusammenzustreichen. Dies war eine Reformation 400 Jahre vor Luther. „… Insgesamt verurteilten deren Inquisitoren (der katholischen Kirche) allein in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts die unvorstellbare Zahl von einer Million Waldenser aus dem südfranzösischen Albi zum Tode auf dem Scheiterhaufen“ (evangelisch.de: Die Reformation der Waldenser). Die Hussiten, Glaubensbrüder von Jan Hus waren ebenso betroffen wie später die Wiedertäufer, um nur einige gläubige Gruppen, die sich vom Papsttum abwandten, zu benennen. Welche verbrecherische Anmaßung der Entscheidung über Leben und Tod und dies angeblich allein aus Glaubensfragen!
Die Weltsicht durfte nicht verändert werden
Hinzu kommt die aus Herrschsucht geborene Wissenschaftsfeindlichkeit. Giordano Bruno starb 1600 grausam auf dem Scheiterhaufen, weil er zu behaupten wagte, dass das Universum unendlich sei. Galileo Galilei sieht wissenschaftlich begründet das kopernikanische Weltbild als Tatsache an und bezeichnet den Papst in dieser Hinsicht als Dummkopf. Er wird unter Androhung der Folter zum Widerruf gezwungen und unter Hausarrest gestellt.
Religiös bis aufs Blut verfeindet
Außerdem ist der katholischen Kirche die Judenfeindlichkeit immanent. Da die Juden angeblich für die Ermordung Jesu verantwortlich seien, seien sie zu verfolgen, wenigsten zu ächten. Sie werden qua Amt für die Pest im Mittelalter und für Brunnenvergiftungen verantwortlich gemacht, was immer wieder zu Pogromen führt. Der Bischof von Mainz sah sich verpflichtet, am Freitag, dem Tag des Todes Jesu, kein Fleisch zu essen. Deshalb mussten die Juden dem Bischof Freitags kostenlos Fisch liefern.
Die Feindschaft ist sinnbildlich vielfach „in Stein“ gehauen worden.
Am Straßburger Münster z.B. stehen zwei Statuen. Die eine ist „eclesia triumphans“ – natürlich die katholische Kirche. Die andere ist die besiegte jüdische „Synagoga“ mit verbundenen Augen. Sie ist nach katholischer Ansicht blind für Jesus als Messias und wird mit zerbrochener Fahne und zerstörten Gebots-Tafeln dargestellt. Hierin kommt sinnbildlich das anmaßende Überlegenheitsgefühl der katholischen Kirche zum Ausdruck. Schlimmer noch: Zur Zeit des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung in Deutschland äußerte sich der Papst in Rom nicht. Aber nach der Kapitulation 1945 war der Vatikan vielen und gerade in der Judenverfolgung wichtigen Nazis behilflich, über die sog. Rattenlinie nach Südamerika zu fliehen.
Die besondere „Achtung “ gegenüber Frauen
Strukturell ist in der katholischen Kirche als dogmatischer unbeweglicher Institution auch die Frauenverachtung angelegt. Sie kommt zum Ausdruck darin, dass Frauen bis heute zu keinen höheren Ämtern zugelassen sind, weder als Priesterinnen, noch als Bischöfinnen und schon gar nicht als Kardinalin oder als Päpstin!
Zu den mühevoll erkämpften Errungenschaften der europäischen Aufklärung aber gehört die Gleichberechtigung von Männern und Frauen.
Es ist offensichtlich, dass bis heute der Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz – „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ – keine Gültigkeit in der katholischen Kirche hat, als sei sie ein eigener unantastbarer Staat im Staate. Zum anderen kommt die Frauenfeindlichkeit in dem brutalen Kampf der katholischen Kirche gegen Abtreibungen zum Ausdruck. Die Kirche verweigert den schwangeren Frauen das Selbstbestimmungsrecht über ihren eigenen Körper auch im Falle von Schädigungen des Fötus.
Bekämpfung von Wissen
Frühe Hebammen, die Frauen in ihrer Not halfen, wurden als Hexen verfolgt. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 60 000 Frauen Opfer dieser Verfolgungen wurden, die mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen endeten. Die in Polen besonders mächtige katholische Kirche unterstützt vehement ein 2020 gesetzlich neu erlassenes besonders restriktives Abtreibungsverbot. Und in die Abstimmung in Argentinien zur Liberalisierung der Abtreibung am 30.12.2020 hat sich der Pabst mahnend eingemischt, um die Legalisierung zu verhindern.
Schaden aufgrund struktureller Probleme
Strukturell sind auch die weltweiten Missbrauchsfälle verankert. Der Zölibat verbietet katholischen Geistlichen zu heiraten. Damit begünstigt er den sexuellen Missbrauch insbesondere von Jugendlichen, gerade Ministranten. Die Kirche hat diese Fälle systematisch verheimlicht, indem sie Priester nur versetzte und die neue Gemeinde nicht informierte. Selten zeigte sie jemanden bei den Strafverfolgungsbehörden an. Alle Versuche, diese Verbrechen systematisch von außerhalb der Kirche aufzuarbeiten, behindert sie. So hat der Erzbischof von Köln, Kardinal Wölki, sich 2021 geweigert, eine von ihm in Auftrag gegebene Studie einer Rechtsanwaltskanzlei zu veröffentlichen. Die katholische Kirche äußert sich weder zu der Frage, wie viele Kinder Missbrauch ausgesetzt waren, noch dazu, wie viele Priester beschuldigt werden. Erst in den letzten Jahren beginnt auf Druck der Opfer und der Öffentlichkeit langsam die Aufarbeitung, ohne allerdings den Zölibat in Frage zu stellen.
Opferzahlen auf mehreren Kontinenten
In Deutschland sind von 1946 bis 2014 nach Recherchen unabhängiger Ermittler 3.677 Opfer sexueller Übergriffe in der katholischen Kirche dokumentiert, die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Auf dem Kontinent Australien gibt es mehr als 15 000 mutmaßliche Opfer, die sich seit 2012 an eine nationale Untersuchungskommission gewandt haben. In den USA gehen Expertenschätzungen von bis zu 100 000 Opfern aus. Allein in Pennsylvania sollen 300 Priester Jahrzehnte lang mehr als 1000 Kinder sexuell missbraucht haben. Für Irland wird die Zahl der Opfer auf insgesamt 14 500 geschätzt (zusammengestellt von der Deutschen Welle, 25.9.2018). Dies sind nur ausgewählte Länder. Südamerika, Afrika und Asien liegen diesbezüglich noch weitgehend im Dunkeln.
Die ganz gewöhnliche Herrschaftsausübung
Grundsätzlich gilt für die katholische Kirche ein ausgeprägter Mangel an Demut. Im Gegenteil, sie versucht über die Jahrhunderte ihre Vorherrschaft mit allen Mitteln durchzusetzen. Dazu gehört, dass ihre Kirchen bzw. Kathedralen immer auf dem zentralen Platz der Stadt platziert werden. Aber vor allem: kein profanes Gebäude darf höher sein. Ihre Herrschaftsausübung wird demonstriert durch den Krummstab, den sie in seiner Form von den Pharaonen der alten Ägypter übernommen hat. Der Ablasshandel war eine besonders perverse Art, das Streben nach möglichst viel Einnahmen mit religiösen Versprechen zu verbinden, und das von Menschen, die sich als von Gott gesandt ausgeben. Sie meinen, sie können anderen, die vor ihnen knien müssen und schon so sich zu unterwerfen haben, die Beichte abnehmen und ihnen gegen Bußen die Sünden erlassen.
Die – erst – 1870 geschaffene besondere Legitimität des Papstes
Im 19. Jahrhundert, erst vor ca. 140 Jahren hat der neu geschaffene italienischen Nationalstaat den Kirchenstaat Vatikan in sein Hoheitsgebiet integriert. Damit war die politische Herrschaft im Vatikanstaat und des Vatikans erloschen. Deshalb ließ Papst Pius IX. durch einen Beschluss des 1. Vatikanischen Konzils am 18. Juli 1870 den Papst (sich selbst) nun für unfehlbar erklären. Aber vor allem erließ er – und das ist viel weitreichender – gleichzeitig das Jurisdiktionsprimat. Damit ist der Vorrang des Papstes für das gesamte Christentum ausgesprochen worden.
Dazu ein Kirchenhistoriker
„Pius IX. nutzte diesen Sieg (den Beschluss), um seine in der Krise befindliche Kirche gegen Demokratie und Moderne abzuschotten. … Tatsächlich wird an jenem 18. Juli 1870 die geistliche Autorität des Papstes ins Unermessliche gesteigert. … Guter Katholik und zugleich guter Bürger eines liberalen Nationalstaates zu sein gilt ihm als unmöglich…. Mit dem Kirchenstaat verlor Pius IX. nach anderthalb Jahrtausenden die weltliche Herrschaft der römischen Päpste, erfand aber die geistliche Herrschaft neu. … Die Papstgewalt ist seither unübersehbar und letztverbindlich, sie ermöglicht den rechtlichen Zugriff bis zum letzten Gläubigen und ist territorial unbegrenzt. Der Papst ist Gesetzgeber seiner Kirche und oberster Richter in einer Person. Katholiken, sogar Bischöfe, müssen also, wenn sie sich vom Papst ungerecht behandelt fühlen, dies beim Papst anzeigen. Das klingt verrückt, ist aber die 1870 festgezurrte Situation der katholischen Kirche als absolute Papstmonarchie.
Und weiter im Zitat über den Mann selbst
…Seine Kritiker dagegen beschreiben ihn als Despoten und Fanatiker, als krankhaft, eitel und geistig unzurechnungsfähig. Zeitgenossen, die ihn auf jenem Konzil 1870 erlebten, berichteten, er habe Konzilsväter als Esel beschimpft und beim Fußkuss mehrfach seinen Fuß auf den Kopf eines Bischofs gesetzt, um ihn niederzudrücken“ (Wer die Kirchenkrise heute meistern will, sollte diesen Papst kennen: Pius IX. den Unfehlbaren, Auszüge aus dem aktuellen Buch des Kirchenhistorikers Hubert Wolf, DIE ZEIT Nr. 48 vom 19.11.2020, S.60). Seither haben die Päpste „unumschränkte Vollmachten“. Das 2. Vatikanische Konzil von 1962 – 1965 bestätigte das Unfehlbarkeitsdogma und das Jurisdiktionsprimat.
Und so verwundert es nicht, dass jüngst ein Pater der Pallotiner in einer Predigt sagte: „Ich habe alle Religionen der Welt sorgfältig studiert. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, die katholische Religion ist d i e Religion schlechthin.“
Weitere Kritikpunkte auch heute
Kirchenvertreter verbreiten die längst widerlegten Verschwörungstheorien aus den antisemitischen „Protokollen der Weisen von Zion“ immer wieder – auch heute noch. Es geht dabei um eine angebliche Weltverschwörung „der“ Juden.
Verschwörungstheorien auch zu Corona
Höchste Kirchenvertreter, 12 Kardinäle, Bischöfe und Weihbischöfe, die viele Organisationen und Einzelpersonen zur Unterschrift bewegten, verbreiteten 2020 in der Corona Pandemie krude Verschwörungstheorien: „Mehrere katholische Bischöfe, unter ihnen Kardinal Gerhard Ludwig Müller, sehen hinter den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona Virus Pandemie eine Weltverschwörung mit dem Ziel, persönliche Freiheiten dauerhaft einzuschränken“. In einem in mehreren Sprachen veröffentlichten Aufruf warnen sie vor dem „Auftakt zur Schaffung einer Weltregierung, die sich jeder Kontrolle entzieht“. Es gebe Grund zu der Annahme, „dass es Kräfte gibt, die daran interessiert sind, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen“, heißt es in dem gut dreiseitigen Schreiben. Die Unterzeichner äußern überdies „Zweifel an der tatsächlichen Ansteckungsgefahr des Corona Virus“ (tagesschau.de, 9.5.2020).
Bewertung
Wie einerseits im Grunde unsicher muss eine Institution sein, wenn sie sich nur mit Gewalt, Einschüchterung und in Stein gemeißelter Dogmatik erhält. Andererseits wie herrschsüchtig und kriminell sind viele ihrer Vertreter, die sich an den Schwächsten der Gesellschaft, ihnen anvertrauten und vertrauenden Kindern, vergehen. Eine solche Institution ist mit einer demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft, die den unveräußerlichen Menschenrechten und der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit verpflichtet ist, nicht vereinbar. Der Rückgriff auf Verschwörungstheorien ist ein Widerhall aus dem Mittelalter! Es ist die bis heute nicht überwundene Wissenschaftsfeindlichkeit. In diesem Gewand kommt sie höchst gefährlich daher und befeuert die vielen Corona-Leugner.
Rechtsfragen in Deutschland
Diese Feststellung ist besonders gravierend für Deutschland, ein Land, in dem es noch immer keine Trennung von Staat und Kirche gibt. Ein Land, in dem der Staat die Kirche und all ihre Organisationen zum mindesten vierfach alimentiert. Da ist einerseits die vom Staat eingetriebene Kirchensteuer. Andererseits erhalten die Bistümer hohe jährliche „Ausgleichszahlungen“ für Verluste von Ländereien durch den 1803 von deutschen Fürsten beschlossenen Reichsdeputationshauptschluss. Und Kaiser Wilhelm II. verfügte 1898 drittens, dass die Geistlichen jährlich gut zu alimentieren seinen. Damit konterkarierte er die Forderung der ihm unliebsamen Sozialdemokraten, die schon damals eine Trennung forderten. Unser Staat versteht sich rechtlich noch immer als Nachfolgestaat und die Zahlungen von daher als „gewohnheitsrechtliche Verpflichtung“, auch solche für Mesner und andere Kirchendiener. Dazu zählen z.B. die Fahrer der Bischöfe. Steuern muss die Kirche auf ihre Alimente keine zahlen. Und zusätzlich werden die meisten kirchlichen Einrichtungen wie z.B. die Caritas jährlich mit Milliardenhilfen unterstützt.
3. Der Bolschewismus und die Fortsetzung heute als Feind europäischer Werte
Russland, egal in welcher Herrschaftsform, war immer ein aggressives, imperialistisches Reich. Unter der Zarin Katharina, genannt die Große, stieß Russland bis ans Schwarze Meer vor. Und Polen z.B. wurde unter den Zaren zusammen mit Preußen und Österreich-Ungarn aufgeteilt, sodass das Land von der Landkarte verschwand.
Die Bolschewiki
Die Oktoberrevolution von 1917 war der Anfang der bolschewistischen Herrschaft. Unter Lenin wurden die Bauern, Kulaken genannt, zwangsweise kollektiviert. Stalin ließ in seinem paranoiden Verfolgungswahn mehrere Jahre vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges die Elite seiner Militärführung ermorden. Jede Form politischer Opposition wurde rigoros unterdrückt. Es gab nur noch die kommunistische Partei, die Partei, die immer Recht hat. Unter dem Terrorregime wurde die berüchtigte Geheimpolizei KGB aufgebaut. Gegen angebliche politische Gegner wurden Schauprozesse durchgeführt und tausende Menschen in die Elendslager des Gulag verschleppt. Gunnar Heimsohn gibt eine Zahl von mindestens 20 Millionen Opfern an, davon 4,4 Mill. in den Jahren des „Großen Terrors“ 1936-1939″ (Wikipedia zu den stalinistischen Säuberungen). Stalins Biograph Dimitri Wolkogonow schätzt, dass 1929-1953 durch die sog. Säuberungen 19,5 bis 22 Millionen Menschen zu Tode kamen. Unter Stalins Herrschaft wurde die Ukraine 1932/33 ausgeplündert und deren Bevölkerung im Holodomor dem Hungertod ausgeliefert (geschätzt 7 Millionen).
Gewaltherrschaft im Innern
Der Gewaltherrscher Stalin hat 1937 eine Volkszählung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis gefiel ihm nicht, weil es die Verluste z.B. durch Hunger wiederspiegelte. Deshalb ließ er kurzer Hand die Verantwortlichen verhaften und nach Sibirien verschleppen oder gleich erschießen (D. Acemoglu & J.A.Robinson, Why Nations Fail, The Origins of Power. Prosperity and Povert, London 2012, S.129). Alexander Solschenizyn hat in seinem Buch „Der Archipel Gulag“ die Arbeits- und Vernichtungslager der Stalin-Zeit literarisch ergreifend aufgearbeitet. Anatolij Rybakow schildert in dem Roman „Die Kinder von Arbat“, wie der Stalinismus einer jungen Generation die Zukunft raubt. In dem Roman „Doktor Schiwago“ von Boris Pasternak geht es um die Frage, wie ein Arzt in unmenschlicher Zeit menschlich bleiben kann. Stalin hat 1939 mit dem faschistischen Deutschen Reich den Hitler-Stalin-Pakt geschlossen, der die erneute Aufteilung Polens unter den „Vertragspartnern“ regelte. In Polen ließ Stalin die Elite des Landes ermorden, allein in Katyn 10.000 polnische Offiziere.
Gewaltherrschaft nach außen
Zum Ende des zweiten Weltkrieges hat das bolschewistische Russland Osteuropa mit den baltischen Staaten, Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien zusammen mit der Ukraine und Weißrussland sowie der DDR seinem Herrschaftsbereich einverleibt und diesen mit dem „Eisernen Vorhang“ abgeschottet. In all diesen Staaten wurden systematisch zwangsweise Einparteien-Systeme eingeführt. Außerdem baute jeder Staat einen Überwachungsapparat mit Spitzeln bis in die einzelnen Familien auf – in Rumänien die berüchtigte Securitate und in der DDR die Stasi. Die Volksaufstände mit dem Ziel der Erlangung von Freiheit am 17. Juni 1953 in der DDR, in Ungarn 1956 und in Prag 1968 – Prager Frühling – wurden brachial militärisch von der Sowjetunion niedergeschlagen.
Das kommunistische Wirtschaftssystem
Hinzu kommt, dass das System der Staatswirtschaft völlig ineffizient war. Schuhe z.B. wurden nur jeweils 2 oder drei Größen als Fließbandprodukte hergestellt, die niemand kaufen wollte. Das gröbste Beispiel staatlicher Fehlplanung war, Kohle fördern zu lassen, die nicht benötigt wurde, nur um Beschäftigung zu schaffen. Die auf Halde gelagerte Kohle fing an sich zu entzünden und verpestete die Umwelt. Der in der DDR gebaute PKW Wartburg, auf den die Bürger bis zu 10 Jahre warten mussten, wurde als „Rennpappe“ verspottet ob der schlechten Verarbeitung. Allerdings gelang es der Sowjetunion, die Strecke der transsibirischen Eisenbahn zu elektrifizieren.
Ein neues Ziel
Unter Gorbatschow ab 1985 wurde als Ziel ausgegeben, so viel Wohnraum zu schaffen, dass für jede Person 15 Quadratmeter zur Verfügung stehen, wohlgemerkt als Ziel. Bis dahin lebten mehrere Familien in Kommunalwohnungen, jede Familie in einem Zimmer. Küche und Bad mussten sie sich teilen. 1989, als es nichts mehr an errungenem Wohlstand zu verteidigen gab und Bürgerrechtsbewegungen mit ungeheurem Mut auf die Straße gingen, brach die Sowjetunion in kurzer Zeit zusammen.
Wieder auftrumpfen
Präsident Putin verfolgt das Ziel, die Größe der Sowjetunion wieder herzustellen, natürlich unter russischer autoritärer Führung. Zumindest bei seiner Bevölkerung will er die Illusion zu erzeugen, darum ginge es ihm. Seiner Meinung nach, – er hatte als KGB-Agent in der DDR in Leipzig gelernt -, war der „Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“.
– Also hat er die Ukraine angegriffen mit dem Ergebnis, der Annexion der Krim. Als die Ukraine sich unter einem Russland-freundlichen Präsidenten anschickte, sich der EU anzunähern, zettelte Putin den bis heute schwelenden Bürgerkrieg in der Ost-Ukraine an.
Abhängig machen
– Also versucht er, mit dem Bau der Gas Pipeline North Stream II durch die Ostsee den deutschen und europäischen Energiemarkt von Russland weiter abhängig zu machen. Knapp 40% des Öls für Deutschland fließen bereits über Leitungen aus Russland in die Bundesrepublik. North Stream II umgeht wie schon North Stream I die bisherigen Leitungen durch die Ukraine, die dafür Durchleitungsgebühren kassierte. So kann er auch dies Land weiter unter Druck setzen.
– Also mischt sich Putin in den Krieg in Syrien ein, um seine Militärbasis dort auszubauen und so endlich im Mittelmeer präsent zu sein. Diese Außenpolitik Russlands unter Putin gegenüber der Ukraine, gegenüber Georgien und gegenüber Syrien ist nichts anderes als die Geopolitik des vorigen und vorvorigen Jahrhunderts mit ihren imperialen Herrschaftsansprüchen und der Weigerung, sich in eine Welt des friedlichen Multilateralismus zu integrieren.
Putins „strategischer Relativismus“
Russland geht es in seiner Außenpolitik, wie der Historiker Snyder analysiert hat, um strategischen Relativismus. Putin kam zu der Erkenntnis, dass es Russland nicht gelingen kann, die EU wirtschaftlich einzuholen. Deshalb begann er die Politik der Desinformationskampagnen. Durch diese beabsichtigt er, viele Spaltpilze zu züchten. So will er „Gegner“ schwächen, also die westlichen Demokraten bzw. deren exponierte Politiker*innen, wie z.B. Hillary Clinton 2016. Das ist ein neue Form eines kalten Krieges. Seit Jahren unterstützt er rechte Bewegungen in Europa finanziell. In den sozialen Medien kämpft er mit massenhaft generierten Bots. Auch den Brexit hat er stark unterstützt. Sein Motto: wenn ich nicht stärker werden kann wie die, dann muss ich alles tun, um deren Agenda zu stören. Das hat überdies das Ziel, das westliche Modell bei denen zu diskreditieren, die die Demokratie bei ihm zu Hause als Vorbild hinstellen wollen. (T. Snyder, The Road to Unfreedom: Russia, Europe, America, 2018)
4. Der mörderische Faschismus gegen das jüdische Volk, östliche Völker und das eigene Volk
Der Versailler Vertrag von 1919 nach dem 1. Weltkrieges hatte Deutschland hohe Reparations-Kosten auferlegt. Dann kam die Weltwirtschaftskrise von 1929, die eine hohe Massenarbeitslosigkeit verursachte. Die Krise wurde verschärft durch eine restriktive Haushalts- und Sparpolitik der Regierung Brüning. Diese Faktoren begünstigten eine antidemokratische und antisemitische Propaganda, sowie den Glauben an faschistische Heilsversprechen. Die sog. Machtergreifung Hitlers 1933 war in Wirklichkeit eine Macht-Zuerteilung durch die marode deutsche Montanindustrie. Diese erhoffte sich durch Hitler Rüstungsaufträge. Sofort 1933 wurden alle demokratischen Parteien und Gewerkschaften verboten. Es gab nur noch die Ein-Parteien-Herrschaft der NSDAP. Die Geheime Staatspolizei (GESTAPO) überwachte das gesamte gesellschaftliche Leben. Schon ab März 1933 wurden erste Konzentrationslager eingerichtet. Behinderte, wurden ermordet, zunächst mit Gas in den Kellern der Krankenanstalten, Experimente für die spätere Shoa.
Der Zweite Weltkrieg
1939 überfiel Deutschland Polen und startete den 2. Weltkrieg als Angriffsfeldzug mit weit über die Unterwerfung Polens hinausgehenden Zielen. Die Reichswehr war an den vielen Kriegsverbrechen im Osten genauso beteiligt wie die Einsatzgruppen und die SS. Der Krieg wurde mit dem Russlandfeldzug bis vor die Tore Moskaus und nach Griechenland und Nordafrika ausgedehnt. Deutsche U-Boote tauchten vor der nordamerikanischen Küste auf. London wurde mit Raketen beschossen.
Aber nicht nur Krieg
In den großen Vernichtungs-Aktionen im Osten und in den eigens zum Zweck der massenhaften Vernichtung errichteten Lagern wurden allein ca. 6 Millionen Juden, so wie die Nürnberger Gesetze sie definiert hatten, ermordet. Sie wurden aus allen besetzten Ländern Europas dorthin transportiert. Geplant worden war auf der sog. Wannsee-Konferenz im Januar 1942 die „Ausrottung“ von 11 Mill. Juden. Außerdem die der Sinti und Roma und andere.
Vernichtung sofort von Beginn des Krieges
Experimentiert wurde anfangs mit der Ermordung der Menschen in fahrenden Lastwagen, in die deren Abgase hinein geleitet wurden. Danach brachten Erschießungs-Kommandos die Menschen um, zusammengestellt auch mit „normalen“ Polizeieinheiten, die aus dem Westen dorthin verlagert wurden. (Die Gedenkstätte Villa ten Hompel in Münster widmet sich seit 1999 der Aufklärung über das Polizei- und Verwaltungshandeln der Jahre 1933 bis 1945 und die „Wiedergutmachungspraxis“ danach).
Später wurden die im Osten ankommenden Massentransporte durch die Einleitung von Zyklon B in Gaskammern umgebracht. Russische Kriegs-Gefangene ließ man zunächst vor Ort in offenen Stacheldrahtlagern zu Millionen verhungern. Die exzessive Gewaltherrschaft und der 2. Weltkrieg forderten weltweit bis zu 80 Millionen Tote.
Und morgen die ganze Welt
Die NS- Gewaltherrschaft wollte unter dem Motto „Volk ohne Raum“ viel mehr als noch heute vielen Deutschen bewusst ist. Sie wollte die Grenze Deutschlands um ca. 1000 km nach Osten verschieben und so große neue Siedlungsgebiete für Deutsche erschließen. Dazu wurde die Auslöschung ganzer Stadtbevölkerungen wie z.B. der von Leningrad geplant und durchgeführt. Die Ablehnung einer Kapitulation ist befohlen worden. Die Vertreibung, Ermordung oder aber Versklavung der auf dem Land ansässigen Bevölkerung war kein „Kollateralschaden“. Dies alles war in den Monaten vor Beginn des Russland-Feldzuges detailliert geplant worden. Im Generalplan Ost war die Vertreibung, Aushungerung und Ermordung von ca. 30 Millionen Menschen vorgesehen. (Diemut Majer, Fremdvölkische im Dritten Reich…Rechtssetzung und Rechtspraxis., Boldt Verlag 1981, über 1000 Seiten! Weitere Auflagen1993 und 1996 im Oldenbourg V.)
Warum wissen wir noch heute so wenig davon?
Die Geschichtswissenschaft in Deutschland begann erst ab 1998 allmählich sich mit diesem besonders düsteren Kapitel deutscher Kolonialpolitik zu befassen. In das Bewusstsein breiterer Bevölkerungskreise ist es bis heute nicht vorgedrungen. Peter Jahn gab am 14. Juni 2007 in der „Zeit“ in einem großen Artikel zu dem gesamten Komplex einen Überblick. Er setzt sich mit anderen für einen eigenen Gedenkort in Berlin ein.
Eine wichtige Erkenntnis der Forschungen
In all den besetzten östlichen Gebieten gab es keinerlei funktionsfähige eigenstaatliche Institutionen mehr. Eine Aufgabe des Staates ist der Schutz seiner Bevölkerung. Ist der Staat zerstört, kann er seine Bevölkerung nicht mehr schützen. Und die Besatzer werden an keiner Brutalität gehindert. So ermöglichte der Krieg gen Osten den barbarischen deutschen Besatzern, dort und in diesem Ausmaß nur dort nach Belieben zu herrschen und zu morden ( Snyder: BLOODLANDS). Bei Paul Celan heißt es: Der Tod ist ein Meister aus Deutschland …(vgl. hier den Anfang des Gedichtes, am Ende des Artikels über Rumänien)
Und zuhause in Deutschland?
Die „eigenen“ Menschen im Kernland wurden ruhig gestellt durch Nahrungsmittellieferungen aus den besetzten und unterdrückten Gebieten. So musste „daheim im Reich“ keine Deutsche, kein Deutscher Hunger leiden. Die großen Banken wie Deutsche und Dresdner Bank folgten den militärischen Invasionen und bereicherten sich auch dort an den „Arisierungen“ jüdischen Besitzes.
5. Der andere Völker knechtende Kolonialismus und sein langsames Ende
Die europäischen Kolonialreiche (animierte Karte) erstreckten sich 1801 auf über ein Drittel der Landfläche des Globus, 1880 waren es zwei Drittel! (Wikip.).
Großbritannien
Die größte und stärkste Kolonialmacht der Welt war Großbritannien. England war maßgeblich am Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika beteiligt. Das Britische Empire besaß Kanada, Australien, Neuseeland, Kolonien in Afrika – u. a. Südafrika und Rhodesien – und Inseln in aller Welt. Es besaß von 1858 bis 1947 „British Indien“, das waren die heutige Republik Indien, sowie Pakistan, Bangladesch, Nepal, Bhutan, Myanmar und Teile von Kaschmir. Dieses Kolonialreich hatte 1921 seine größte Ausdehnung und umfasste 458 Millionen „Untertanen“ der englischen Monarchie. Der gewaltlose Widerstand unter Führung von Mahatma Gandhi brachte Indien 1948 die Unabhängigkeit.
Bis heute hin Großmachtträume
Aufgrund des britischen Commonwealth waren die Engländer erst sehr spät bereit, sich der EWG, dem Vorläufer der EU anzuschließen (1973), nachdem die Kolonialherrschaft immer mehr in Frage gestellt wurde. In der EU handelten sich die Briten aber sofort Sonderrechte heraus.
Aufgrund des Brexit werden wir uns hier nicht weiter mit GB befassen. Nur so viel: Die nostalgische Verklärung der einstigen Maxime: „Britannia rules the waves“ (GB beherrscht die Meere) ist wahrscheinlich ein Grund mit für den Brexit. Großbritannien hat sich nie wirklich als europäischer Staat verstanden und träumt immer noch von seiner hervorragenden Weltgeltung!
Frankreich
Von der Mitte des 16. bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Frankreich die zweitgrößte Kolonialmacht der Welt. Es beherrschte in Nordamerika a) die östliche Hälfte Kanadas – heute ist Quebec weiterhin französisch-sprachig -, b) das komplette Zentralgebiet der USA – heute die Staaten Louisiana, Mississippi, Alabama usw.- c) einige karibische Inseln und d) Teile Indiens.
Im 7-jährigen Krieg von 1756 bis 1763, standen sich Preußen, Großbritannien und Kur-Hannover einerseits und die Habsburger Monarchie, Russland, Frankreich und das Heilige Römische Reich andererseits gegenüber. Für Preußen, Russland und die Habsburger ging es vorrangig um die Vorherrschaft in Mitteleuropa. Für Frankreich und Großbritannien ging es um die Vorherrschaft in Nordamerika. Im Frieden von Paris 1763 musste Frankreich den größten Teil seiner nordamerikanischen sowie seiner indischen Besitzungen an Großbritannien abtreten. West Louisiana hatte Frankreich bereits an Spanien abgetreten, um es vor dem Zugriff der Engländer zu schützen.
Das zweite französische Kolonialreich
Dieses beginnt 1830 mit der Eroberung Algiers und der Konzentration auf Afrika. Von 1845 bis 1897 brachte Frankreich die Sahara und große Teile West- und Zentralafrikas unter seine Kontrolle. Da dort vorrangig Muslime lebten, bemühte sich Frankreich ab 1890 eine „puissance musulmane“ zu werden, eine imperiale Macht, die die muslimischen Untertanen unter Kontrolle hält. Unter dem 2.Kaiserreich 1852-1870 wurde Indochina – das waren Vietnam und Laos, Kambodscha und Tonkin -„erobert“. Außerdem Inseln im Indischen Ozean. 1919 hatte das französische Kolonialreich seine größte Ausdehnung und herrschte über 112 Millionen Menschen.
1954 endete die französische Vorherrschaft in Asien, 1960 in Afrika. Nach dem Algerienkrieg wurde Algerien 1962 unabhängig. 1,4 Millionen „pieds noir“ – Algerienfranzosen – kamen daraufhin ins „Mutterland“. Das Ende der Kolonialzeit reicht also bis zum Beginn der europäischen Einigung. Denn schon 1957 war die Gründung der EWG.
Dekolonisation
Die europäische Integration erhielt ihre stärksten Impulse aus den Erfahrungen mit zwei verheerenden Weltkriegen und aus dem aufkommenden kalten Krieg zwischen Ost und West. Zitat: „Übersehen wird in dieser geläufigen Gründungserzählung freilich häufig der Anteil, den die Dekolonisation an der Integration Europas hatte. So sorgte der Verlust der Imperien bei den beiden großen europäischen Kolonialmächten dafür, dass sie sich Europa zuwandten, im Falle Frankreichs sehr früh, im Falle Großbritanniens allerdings erst in den 1960er Jahren! In den Anfängen der Integration spielte die französische Politik eine maßgebende Rolle, zielte sie doch darauf, Europa als Ersatz für verloren gehende oder bereits verlorene Macht in anderen Teilen der Welt und als Brücke nach Afrika zu nutzen“ (bpb am 20.11.18: „Die Auflösung der europäischen Imperien und ihre Folgen“).
Weiter der eigene Hinterhof…
Heute geht es Frankreich nicht so sehr darum, in Europa eine vorherrschende Führungsmacht zu sein. Aber Frankreich will für die EU und mit der EU die Brücke nach Afrika schlagen. Bis heute kämpft Frankreich um die Integration von Migranten aus den Magreb – Staaten, die oft arbeitslos in den „banlieus“, den monotonen Vororten der großen Städte dicht gedrängt leben und den Nährboden für einen terroristischen, gewaltbereiten Islam abgeben. Frankreich ist führend bei der militärischen Bekämpfung islamischer Rebellen in Mali in der Sahara.
Spanien
Sein Aufstieg zur bedeutenden Kolonialmacht begann mit der Entdeckung Amerikas („Entdeckung“, das ist ein Euphemismus aus europäischer Sicht, denn der Kontinent war ja schon besiedelt!) durch Christoph Columbus 1492. In Mittelamerika war es Mexiko bis weit in das Gebiet der heutigen USA hinein, wo Hernán Cortés das Reich der Azteken zerstörte. In Südamerika war es Franzisco Pizarro, der in Peru mit List die Inkas auslöschte. Die ganze westliche Seite Südamerikas bis hinunter zum Gebiet des heutigen Chile geriet unter die Herrschaft der Spanier. Die „Eroberung“ des Kontinents war vorrangig getrieben von der Suche nach Gold, das den indigenen Königen geraubt wurde. Im Osten, also vornehmlich Brasilien, herrschten die Portugiesen, mit denen sich Spanien arrangiert hatte. 1740 hatte das spanische Weltreich seine größte Ausdehnung. Die österreichisch-spanischen Habsburger herrschten über 640 Millionen Untertanen.
Eine zusätzliche zerstörerische Macht
Die katholische Kirche spielte in diesen iberischen Kolonialreichen eine besondere Rolle, ließ sie doch die indigenen Völker, oder was von diesen übrig geblieben war, gnadenlos missionieren. Gleichzeitig legitimierte sie die Herrschaft der Europäer. Der Niedergang begann nach der französischen Revolution und den damit einsetzenden Unabhängigkeitsbestrebungen. Hinzu kamen Konflikte mit Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden.
Portugal
Von dem 16. Jahrhundert an wurde der Gewürzhandel von Südostasien über den Mittleren Osten unter osmanischer Kontrolle bis nach Europa abgewickelt. Hier im Mittleren Osten wurden hohe Zölle erhoben. Die Portugiesen waren es, die deshalb nach dem Seeweg um das Kap der Guten Hoffnung suchten, um diese osmanischen „Wegelagerer“ zu umgehen. 1498 erreichte Vasco da Gama so Indien. Bei den Gewürzen ging es u. a. um Nelkengewürz, Pfeffer und Muskatnuss. Die Portugiesen versuchten sofort, den lukrativen Gewürzhandel zu monopolisieren durch Beherrschung von Melaka, einem bedeutenden Handelsplatz nördlich des heutigen Singapur. Tomé Pires schrieb 1515: „Who ever is Lord of Melaka has the hands at the throat of Venice“ (Wer Melaka beherrscht, kann Venedig die Kehle zudrücken. Daron Acemoglu and James A. Robinson, S.246).
Die Niederlande
Im 17. Jahrhundert waren die Niederlande eine der bedeutendsten Kolonialmächte der Welt, die in der Rivalität mit Portugal obsiegten. Ihre Herrschaft beruhte vorrangig auf monopolartigen Handelsniederlassungen. Diese waren die Niederländische Ostindien Kompanie mit Stützpunkten in Indonesien, in Indien, in Bangladesch, auf Cylon und Formosa. Hier ging es auch um den Gewürzhandel und die Herrschaft wurde brutal militärisch durchgesetzt mit u.a. 15 000 Ermordeten in Banda (D. Acemoglu et al. a.a.O., S.248) Die Westindien Kompanie war für den Handel mit Westafrika und Amerika. 1624 bis 1667 gehörte zur niederländischen Kolonie in Nordamerika Neu Amsterdam, das heutige New York. 1650 wurde etwa die Hälfte des Welthandels von den Niederlanden umgeschlagen. Von den damals vorhandenen 20.000 Handelsschiffen auf den Weltmeeren, fuhren 16.000 unter niederländischer Flagge.
Negative Folgen
Die Niederländische Herrschaft in Indonesien verursachte die Vernichtung der eigenständigen Entwicklungsmöglichkeit der Region durch Zerstörung von Städten und Entvölkerung. Am Ende des 17. Jahrhunderts hatte sie die Versorgung der Welt mit Gewürzen monopolartig um 60% reduziert und den Preis für Muscat verdoppelt (D. Acemoglu et. al. S.249).
Italien
Italien richtete seine Kolonialpolitik vorrangig auf Nord- und Ostafrika aus. Italienisch Lybien umfasste die Cyrenaika und Tripolitanien von 1911 bis 1934. Italienisch Ostafrika erstreckte sich auf Eritrea von 1889 bis 1941, auf Somaliland von 1888 bis 1947 und auf Äthiopien von 1935 bis 1941. Besonders in diesen Ländern ist die politische Lage auch Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit instabil. Sie wird von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Volksgruppen einerseits und Einmischungen fremder Mächte wie der Türkei oder Ägypten andererseits geprägt.
Belgien
Belgien hatte Kolonien in Afrika. Dort ging es vor allem um die Ausbeutung der Bodenschätze sowie – besonders brutal – der Arbeitskräfte vor Ort. Der König von Belgien, Leopold II. ließ sich Belgisch-Kongo als Privatbesitz übertragen. Erst 2020 hat die belgische Regierung sich offiziell für die großen Grausamkeiten ihrer Kolonialherrschaft entschuldigt – nur davon werden Ermordete nicht wieder lebendig!
Deutschland
Im Vergleich zu den zuerst genannten europäischen Kolonialmächten hat das Deutsche Reich sich erst sehr spät als Kolonialmacht betätigt, und zwar in Ostafrika von 1885-1915 in den Gebieten, die heute Tansania, Burundi und Ruanda heißen und in Deutsch-Südwest, also dem heutigen Namibia von 1884-1915. In diesem Zusammenhang muss die weitgehende Ausrottung der Hereros 1903 – 1908 nach deren Aufstand erwähnt werden ca. 65.000, sowie der Nama ca. 10.000 Menschen. Beide Vernichtungsaktionen stellen nicht – wie argumentiert wurde – eine legitime oder notwendige Verteidigung dar, sondern einen Genozid. Dieser ist in Deutschland bis heute weder aufgearbeitet, noch von der Bevölkerung anerkannt, bzw. offiziell anerkannt worden.
Auch in Deutsch-Ost-Afrika haben sich die Deutschen als selbsternannte Herrenmenschen aufgespielt. Den Widerstand dagegen bezahlten im heutigen Tansania Hunderttausende im Maji-Maji-Krieg 1905 – 1907 mit dem Tod. (Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, zeichen Nr. 3, 2020)
Stimmen in Deutschland gegen den Kolonialrassismus in Afrika
Der Marine- und Kolonialoffizier Hans Paasche lernte, diesen „Fremden“ mit aufrichtigem Respekt zu begegnen und wurde aufgrund der erlebten Brutalität der Deutschen zu einem überzeugten Pazifisten. Nachdem er sich zurück in der Weimarer Republik politisch engagierte, löschte ihn rechte Lynchjustiz aus. Kurt Tucholsky kommentiert das in der Weltbühne so: „So geht das alle, alle Tage/ ein Leutnant, zehn Mann. Pazifist ist der Hund?/ Schießt ihm nicht erst die Knochen wund!/ Die Kugel ins Herz! Und die Dienststellen logen:/ Er hat sich seiner Verhaftung entzogen.“ Das Verfahren gegen die Mordschützen wurde eingestellt. (Die Zeit, 20.5.2020, H. Donath, Rebell in Uniform, vgl. auch W. Wette, Weiße Raben – Pazifistische Offiziere in Deutschland vor 1933) Mit solchen Mitteln wurden Stimmen, die geholfen hätten, den Unrechtscharakter des Kolonialismus bekannt zu machen, ausgelöscht. Das beeinflusst unser Denken bis heute, denn diese Stimmen haben über Jahrzehnte gefehlt.
Der 2. Weltkrieg als deutscher Kolonialkrieg
Der vom deutschen Reich unter der Hitler-Diktatur angezettelte und bewusst herbei geführte 2. Weltkrieg war im Kern ein geplanter, unerbittlicher Kolonialkrieg. Die eroberten Ost-Europa-Gebiete sollten auf Dauer versklavt werden und als Reservoir für billige Arbeitskräfte sowie als Nahrungsmittel- und Öllieferanten für die „Herrenrasse“ dienen. Auch in westlichen Ländern gefangenen genommene Soldaten wurden zur Zwangsarbeit in Deutschland herangezogen. Schlimmer: wenn sie im Widerstand gewesen waren oder einen Fluchtversuch unternahmen, wurden sie in „Arbeitserziehungslagern“ (Volker Issmer) mit drakonischen Strafen und Maßnahmen oft zur „Vernichtung durch Arbeit“ (Hermann Kaienburg) eingesetzt.
Bewertung der Kolonialpolitik der europäischen Länder
Das langfristige Ziel aller Eroberungen über die Jahrhunderte war die Herrschaft über die Gebiete – vorrangig, um sie wirtschaftlich auszubeuten nach den spezifischen wirtschaftlichen Interessen der jeweiligen Kolonialmacht. Das Ergebnis war nicht nur die Ausbeutung der Ressourcen, sondern diese verbaute den ausgebeuteten Ländern Chancen auf eine eigenständige Entwicklung und verhinderte möglicherweise sogar eine Teilnahme an der Industrialisierung.
Schwierigkeiten heute
Allerdings muss auch gesagt werden, dass nach der Unabhängigkeit die späteren Machthaber sehr oft korrupt waren und sind und autoritär und diktatorisch vorrangig in die eigenen Taschen wirtschaften. Ein besonders abschreckendes Beispiel ist Mugabe in Simbabwe, dem früheren Rhodesien. So lange, wie die Engländer dort nicht vertrieben worden sind, gab es eine gut funktionierende Landwirtschaft. Alle wurden satt. Anders als heute. Mugabes absolute Herrschaft ging so weit, dass bei einer Lotterie – bei der angeblich jeder, der mitmachte, eine Gewinnchance hatte – der Hauptgewinn bei der „Ziehung“ auf Mugabe persönlich fiel. So hatte er seinen Bürgern zusätzlich ihr Geld aus der Tasche gezogen und es sich selbst „einverleibt“. Dieses Beispiel macht den Begriff des extrahierenden Systems, in diesem Fall ein extrahierendes politisches und wirtschaftlich-gesellschaftliches System sehr deutlich.