Ziele der EU Regionalpolitik sind die Förderung des wirtschaftlichen u n d des sozialen Zusammenhalts in diesem so heterogenen europäischen Kontinent. Einerseits ist die Verringerung des Strukturgefälles zwischen den einzelnen Regionen das Ziel, andererseits eine ausgewogene räumliche Entwicklung. Und es geht um Solidarität im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe auf dem Weg zu annähernd gleichen Lebens-, Bildungs- und Arbeitsverhältnissen in den Ländern der EU und z.T. darüber hinaus, wie unten zu zeigen sein wird.

Kulturell gewachsene Lebensbereiche

Hier ist gleich am Anfang auf Folgendes hinzuweisen: mit „Regionen“  sind in diesem Zusammenhang nicht die Einheiten gemeint, die in einem von Manchen vertretenen Konzept ein „Europa der Regionen“ schaffen wollen. Das Konzept meint an Stelle von Staaten kleinere kulturell gewachsene Lebensbereiche wie z.B. in Deutschland das Rheinland oder die Pfalz, in Frankreich die Bretagne oder die Provence, in Italien die Lombardei oder die Toscana usw.

 

_regions,_for_the_programming_period_2014-20 of_EU-27, Regionalpolitik und Europa 2020, Statistics Explained, europa.eu.png

Verwaltungseinheiten als Fördergebiete

Das Rheinland gehört sowohl zu Nordrhein-Westfalen als auch zu Rheinland-Pfalz, ist also als Adressat für eine EU-Förderpolitik ungeeignet. Wenn in der EU von Regionen innerhalb der Regionalpolitik die Rede ist, dann sind Verwaltungseinheiten als Untergliederungen der Mitgliedsstaaten bzw. ihrer Länder gemeint. Diese sind erforderlich, um Adressaten bzw. Kooperationspartner für die Förderpolitik zu haben.

Die potentiellen Förder-Zielgebiete sind in drei Untergruppen aufgeteilt. Diese sog. „Nomenclature of territorial units“ (NUTS) werden allerdings nicht immer ganz in Bezug auf die Größenordnungen eingehalten. NUTS 1: Untergrenze 3 Millionen Einwohner, Obergrenze 7 Millionen; schon NUTS 2 hat überschaubarere Zahlen: Untergrenze 800 000, Obergrenze 3 Millionen; und bei NUTS 3liegt die Untergrenze bei 150 000, die Obergrenze bei 800 000.

Die Hauptadressaten

Inzwischen sind NUTS 2 Gebiete, wenn sie die Kriterien der Förderung erfüllen, die Hauptadressaten der verschiedenen Strukturfonds, wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Die NUTS Systematik gilt ab 1.1.2008.

In der EU gibt es: NUTS 1: 97 Regionen NUTS 2: 1271 Regionen und NUTS 3: 31303 Regionen. Am Beispiel Deutschland lassen sich diese Unterteilungen noch besser deutlich machen: NUTS 1: 16 Bundesländer, NUTS 2: 39 Regierungsbezirke, NUTS 3: 429 Kreise.

Kriterien für die Förderung

Die Förderung eines bestimmten Gebietes ist an weitere Kriterien gebunden, wie z.B. die Höhe des Bruttosozialproduktes pro Kopf.

Eine Förderung der Angleichung der Lebensverhältnisse ist gedacht für (ärmere) Gebiete. Entweder haben sie noch nicht den Anschluss an modernere Wirtschaftsformen gefunden oder  ein Strukturwandel muss unterstützt werden. Es kann sich aber auch um die Förderung eines noch brach liegenden Wirtschaftszweiges handeln. Dort sollen dann zusätzliche Entwicklungspotentiale erschlossen werden. Die sog. outermost regions, die besonders weit weg gelegenen Gebiete, meist Inseln, die zu Frankreich, Portugal oder Spanien gehören (vgl. die zehn auf der Karte oben) erhalten eine besondere Kompensation für ihre Randlage.

Die weit größere Aufgabe in den Achtziger Jahren

Hinter dem Begriff der „EU Regionalpolitik“ verbirgt sich aber zusätzlich ein weit größerer Bereich. Das ist die Herausforderung der Förderung der Transformation ganzer Staaten. Da geht es um Länder, die – bevor sie zur EU kamen – zu ganz anderen Gesellschaftssystemen und Wirtschaftsordnungen gehört hatten. Dies trifft auf Griechenland, Spanien und Portugal zu, die lange Zeit unter Militärdiktaturen zu leiden hatten. Eine Diktatur beherrschte Griechenland  von 1967 – 1974. Der Beitritt zur EU erfolgte bereits 7 Jahre nach Ende der Diktatur. Spanien „erlitt“ den Franco-Faschismus von 1939 bis 1975. Es trat der EU 1986 bei. Und Portugals Salazar Diktatur herrschte von 1933 bis 1974. Der Beitritt zur EU erfolgte ebenfalls 1986.

Diese drei Staaten sollen auf ihrem Weg der Umwandlung zu Demokratien und zu Marktwirtschaften gefördert werden.

Die noch größere Aufgabe in den Jahren ab 2000

Dies trifft aber vor allem auf die Länder des früheren kommunistischen Ostblocks zu, die der EU nach Jahrzehnten unter kommunistischer Gewaltherrschaft und ineffizienter Staatswirtschaft beitraten. 2004 traten acht Länder aus dem Ostblock bei, 2007 mit Bulgarien und Rumänien zwei weitere und 2013 dann noch Kroatien.

Bei der EU Regionalpolitik ist also zu unterscheiden zwischen Regionalpolitik im engeren Sinne einerseits, sprich der Förderung der Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen den Regionen der Mitgliedsstaaten.  Andererseits ist Regionalpolitik im weiteren Sinne, die Unterstützung neuer Mitgliedsstaaten. Hier hat die Förderung nicht nur das Ziel, die Länder fit zu machen für die Transformation in eine Demokratie sowie für den Gemeinsamen Markt, sondern damit auch fit für den wirtschaftlichen Wettbewerb sowohl innerhalb der EU als auch auf dem Weltmarkt.

1. Geschichte der Entwicklung

Die EU Regionalpolitik  entwickelte sich schrittweise aus der Entstehung eines EU Agrarmarktes ab 1957. Sie begann 1958 an der deutsch-niederländischen Grenze in einem ersten Zusammenschluss (s. unten: Euregio). Die spezifische Förderung von Regionen setzt in den 60er Jahren ein. Die Errichtung eines „Europäischen Ausrichtungs- und Garantie-Fonds“ für die Landwirtschaft ermöglichte der Abteilung „Ausrichtung“, auch Maßnahmen der Regionalpolitik zu finanzieren. 1968 wird eine EU „Generaldirektion Regionalpolitik“ gegründet. Jean Rey, belgischer Europapolitiker, sagte damals: „Regionalpolitik in der Gemeinschaft sollte sein wie das Herz im menschlichen Körper …und sie sollte darauf hin arbeiten, menschliches Leben in den Regionen, denen es verwehrt geblieben ist, neu zu beleben“.

Neue Beitritte

1973 waren Großbritannien und Irland mit jeweils strukturschwachen Regionen der EU beigetreten. Die Formulierung und Entstehung einer eigenständigen EU-Strukturpolitik erschien nun geboten.

1975 gründet die EU deshalb den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Er unterstützt Investitionen in kleine und mittlere Unternehmen, die mindestens 10 neue Arbeitsplätze schaffen. Und er unterstützt die Errichtung von Infrastrukturen, die im Zusammenhang mit den genannten Zielen stehen. So kann z.B. die Bereitstellung finanzieller Mittel die Herstellung der erforderlichen Straßen zum Holztransport unterstützen, wenn in einer strukturschwachen Region ein Sägewerk entstehen soll.

Voraussetzung für die Förderung ist: die Mitgliedsstaaten, die Regionen bzw. Bezirke müssen finanziell und organisatorisch bei den Projekten mitwirken. Die Projektförderung ist also um eine Hilfe zur Selbsthilfe.

Förderperiode 1988-1992

Der EFRE führte eine mehrjährige Programmplanung ein. Durch den Beitritt von Griechenland  1981, Spanien und Portugal 1986 kam es zu einer übergreifenden Kohäsionspolitik (Kohäsion = innerer Zusammenhalt). Diese hatte die Konzentration auf die ärmsten und rückständigsten Regionen zur Folge. Die Investitionen sollten strategisch ausgerichtet werden. Die Einbeziehung der regionalen Partner soll die Schwerpunktsetzung für die Förderungen effektiver machen. Das Budget für diese Perioden betrug 64 Milliarden European Currency Unit (ECU), das war der Vorläufer des Euro (Umrechnung ECU: Euro 1:1).

Beispiel Polen

a) Pawel

Die Kohäsionspolitik verdeutlichen wir hier an einem Beispiel, das uns über die Jahre immer mal wieder begegnen wird. Dafür betrachten wir die polnische Stadt Katowice. Die war und ist geprägt von Kohleabbau und Stahl. Der typische Bergmann,  hier Pawel, ist ein sehr selbstbewusster Kumpel. Die harte Arbeit in oft 1000 m Tiefe und die Gefahren dieses Berufs fördern den Zusammenhalt und den Stolz dieser Malocher. Fast alle dieser Bergleute sind stramm gewerkschaftlich organisiert und sie wissen ihre Rechte zu vertreten. Pawel ist übrigens der Enkel von Paul, dem deutschen Bergmann aus dem oberschlesischen Kattowitz. Im Unterschied zu den meisten Deutschen haben die Polen Paul und seine Kumpel nach dem 2. Weltkrieg nicht vertrieben, weil ihr Wissen und ihre Arbeitskraft den Polen unverzichtbar erschienen. Allerdings mussten sie hinfort polnisch sprechen. Schon Paul und seine Vorfahren waren Bergleute, typisch für diesen Beruf, der über Generationen weiter gegeben wird.

b) Patryk Bialas

Patryk ist ein Jurist. Er sieht die extrem hohe Feinstaubbelastung, die über ganz Polen im Winter liegt. Er weiß, 45.000 Polen jährlich sterben deswegen verfrüht an chronischen Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlimmerem. Auch weiß er: die noch vorhandene Kohle hat nur noch schlechte Qualität und bereits in den achtziger und neunziger Jahren mussten  die ersten Bergwerke wegen Unrentabilität schließen. Patryk hat in Krakau miterlebt, wie sehr sauberere Energie die Lage verbessern kann. Auch weiß er, wie man die EU dafür gewinnen kann, Umstrukturierungsprozesse zu unterstützen. Aber erst mal muss er in Katowice Überzeugungsarbeit leisten. Und das braucht bei einer solch traditionsbewussten Bevölkerung, deren ganze Existenz vermeintlich von der Kohle abhängt, Zeit und einen grundlegenden Mentalitätswandel. Also geht hier der Blick zunächst auf weitere Förderinstrumente der EU.

Weitere Programme der EU

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Seit 1990 gibt es eine Gemeinschaftsinitiative „INTERREG“ Europe des EFRE. Dieses Programm dient der Förderung der Zusammenarbeit von EU Mitgliedsländern untereinander einerseits, sowie andererseits auch von EU Mitgliedsstaaten und Regionen in Nicht-EU-Ländern. Die Programme sind dabei eingebettet in die Politik der EU zur Territorialen ZusammenarbeitETZ. Die INTERREG-Programme sind ein eigenes Instrument neben dem Ziel der Förderung von Kohäsion und dem Ziel der Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf drei Ebenen

Die Europäischen Regionen im Rahmen der INTERREG-Förderung stärken die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen. Wichtig ist hier 1. die administrative Zusammenarbeit und der Abbau von verwaltungsmäßigen Hindernissen. Die gegenseitige Anerkennung von beruflichen Qualifikationen ist hier ein Ziel, denn das kann den Aufbau eines grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes erleichtern.  2. Auf einer weiteren Ebene soll der Informationsaustausch z. B. zwischen KMUs – kleinen und mittleren Unternehmen – beiderseits der Grenze erleichtert werden, um gemeinsam von Forschungsergebnissen zu profitieren oder um die Zusammenarbeit im Bereich der Logistik zu stärken. 3. Die dritte Ebene schließlich bezieht sich auf den kulturellen Austausch und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus. Dies kann auch zum wirtschaftlichen Erfolg einer INTERREG beitragen, denn attraktive Landschaften machen nicht an Landesgrenzen halt.

Die EUREGIO- Verbände

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Die älteste Europa-Region ist die 1958 gegründete EUREGIO mit Sitz in Gronau. Das ist ein überstaatlicher Kommunalverband von 13 Gemeinden entlang der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und den Niederlanden. Die EUREGIO Rhein-Waal (gegründet 1976) ist ein deutsch-niederländischer Zweckverband aus 20 deutschen und 29 niederländischen Gemeinden und 3 deutschen Kommunalverbänden und Handelskammern. Ziele sind z.B. die Verbesserung grenzüberschreitender Rettungsdienste sowie des Naturschutzes,  außerdem die Beratung und Unterstützung von Unternehmen im Zusammenhang der niederländisch-deutschen Zusammenarbeit. Auch der Schüleraustausch und die Veranstaltung grenzüberschreitender Sport- und Kulturveranstaltungen werden unterstützt. Es gibt vier deutsch-niederländische Euregios.

Eine Großregion ist „SaarLorLux“, die die Wallonie in Belgien, Rheinland-Pfalz und Saarland in Deutschland, ganz Luxemburg sowie Lorraine in Frankreich umfasst.

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Lord van Tasm CC BY-Sa 3.0

Deutschland ist an 28 Euregios beteiligt. Die „Euregio Bodensee“, 1997 gegründet, dient der Zusammenarbeit zwischen Gebieten der Schweiz, Österreichs, Lichtensteins und Deutschlands, hier also einer Zusammenarbeit über die EU Grenzen hinaus.

Die Euroregionen

Ab 1991 wurden vier Euroregionen genannte Zusammenschlüsse mit Polen gegründet. Diese sind meist nach Osten gerichtet. Die Euroregion Karpaten wurde 1993 zwischen Polen, der Slowakei, Ungarn und der Ukraine gegründet, und 1997 schloss sich Rumänien an. Sie umfasst 19 administrative Einheiten in diesen 5 Ländern mit 15 Millionen Menschen. Die derzeit 21 Euroregionen wollen ebenfalls die Zusammenarbeit in Wissenschaft, Kultur, Bildung, Handel, Tourismus, Wirtschaft vertiefen.

Finanzielle Aufstockung

Förderperiode 1994-1999: In dieser Zeit verdoppelt die EU die Ressourcen für den Struktur- und Kohäsionsfonds. Die Regionalpolitik macht somit mit 168 Milliarden ECU ein Drittel des EU Haushalts in dieser Periode aus. Seit 1990 gehört Ostdeutschland als Teil der Bundesrepublik zur EU. 1995 fügt die EU als Sonderziel die Unterstützung der dünn besiedelten Regionen Finnlands und Schwedens hinzu.

Patryk Bialas hat zwar erst in Krakau gearbeitet. Aber er kommt aus Katovice. Er muss ein Kämpfertyp sein, der Andere mitreißen kann. Er schafft es, als erster Grüner einen Sitz in Stadtrat von K. zu erobern. Ihm und seinen Mitstreitern gelingt es, einen Stadtentwicklungsplan auf den Weg zu bringen und mehr als das.  1996  erhält Katovice durch den Kohäsionsfonds einen Kredit von der Europäischen Investitionsbank (EIB) für einen Umstrukturierungsprozess in der Stadt und das obwohl Polen noch nicht Mitglied der EU ist! Dieses Zentrum von 300.000 Einwohnern war die erste polnische Stadt, die 1996 von der EIB ein Darlehen erhielt.

Gegenwind

Pawel allerdings glaubte, wie viele seiner Kumpel,  weder an einen Erfolg, noch an die Richtigkeit dieses Weges. Denn Beata Sydlo, die Tochter eines Bergmanns,  hatte den Bergleuten in ihren Wahlkampfauftritten eine gute Zukunft versprochen. Noch im Sommer 2016, also 20 Jahre nach den Investitionen der EIB, eröffnete sie als Premierministerin  in Südpolen ein neues Kohle-Bergwerk. Ihre Partei, die PiS setzt noch immer stark auf eine Beibehaltung der Kohlepolitik, da die Bergmannsfamilien ein Rückgrat des konservativen Parteivolkes sind. In Polen sind sogar 10 neue Kohlemeiler zur Verstromung der Kohle (Braun-und Steinkohle) geplant und die Hälfte ist schon im Bau. Dabei ist die gesamte Branche hoch defizitär,  der Staat stützt sie seit Jahrzehnten jährlich mit 2 Milliarden.

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Regionalpolitik 2000-2006, ec.europa.eu

Förderperiode 2000-2006

Die Überschrift lautet: „Die Erweiterung zum Erfolg machen“. Das heißt, hier hat die EU  vorausschauend die Aufgabe angelegt, die ehemals kommunistischen Länder bei der Transformation zur Marktwirtschaft zu unterstützen.

Jetzt bedeutete die Förderung, als Ziel 1 Regionen diejenigen mit einem Entwicklungsrückstand zu bezeichnen. Diesen Rückstand definierte die EU als maximal 75% des BIP pro Einwohner am EU Durchschnitt. Entwicklungsrückstand ist auch gegeben in dünn besiedelten Regionen mit nicht mehr als 8 Einwohnern pro Quadratkilometer. In Deutschland gehörten alle neuen Bundesländer zu den Ziel 1 Regionen. EU weit gehörten 50 Regionen zu diesen Ziel 1 Bereichen. Das betraf 22% der europäischen Bevölkerung. 70% der Gelder für Regionalpolitik gingen in dieser Periode in Ziel 1 Regionen.

Ziel 2 Regionen und Ziel 3

dagegen definierte die EU als Gebiete mit Strukturproblemen: Problemzonen in Städten z.B. mit Slum Bildung, strukturschwache Agrarregionen oder Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeit.

In Ziel 3 Gebieten sah die EU die Förderung der Anpassung des Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungssystems als notwendig an.

Das bedeutete: bestimmte Gebiete innerhalb der Ebene Ziel 1 können außerdem als Ziel 2 oder auch Ziel 3 gefördert werden, wenn sie zusätzlich diese Kriterien erfüllen.

195 Milliarden Euro hat die EU über 7 Jahre vorgesehen für die 3 Strukturfonds: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), gegründet 1975, Europäischer Sozialfonds (ESF) und Kohäsionsfonds (CF) der EU. Der Kohäsionsfonds wurde über 7 Jahre mit 18 Milliarden Euro ausgestattet.

Das PHARE-Programm, ein Vorbereitungsinstrument

Ein weiteres Instrument, das die EU  spezifisch zur Heranführung kommunistischer Länder an den Beitritt geschaffen hat, war das PHARE Programm.  Das Ziel „Kapazitätsbildung“  sollte 10,9 Milliarden Euro EU-Mittel umfassen und das strukturpolitische Programm ISPA hielt zusätzlich 7,3 Milliarden Euro bereit für Umwelt und Verkehr. Das PHARE Programm zahlte nicht rückzahlbare Zuschüsse aus, bis die Beitrittswilligen den Anforderungen der Mitgliedschaft entsprachen. Die Anforderungen haben EU und jeweils der einzelne Staat zu Beginn vertraglich vereinbart. Dabei ging es um Stärkung der Kapazitäten in den Institutionen in der Verwaltung, in der Justiz und im Bereich Inneres; um Stärkung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit; um Schutz von Minderheiten; und schließlich um Wirtschaftsreformen als Vorbereitung zur Teilnahme am gemeinsamen Markt.

Ein Beispiel dafür

Zur Konkretisierung verweisen wir hier auf das Beispiel der Errichtung von Kläranlagen und der dafür notwendigen Hausanschlüsse im früheren Ostpreußen in Polen. Diese förderte die EU noch vor dem Beitritt Polens, vermutlich aus dem Programm ISPA. Denn die großen Seen waren durch ungefilterte Einleitungen schon fast zu Kloaken verkommen. Polen hat seit seinem Beitritt ein Dauerwachstum von jährlich 7% zu verzeichnen. (mehr zum großen wirtschaftlichen Aufschwung von Polen, vgl.  auch hier )

Die EU Regionalpolitik stand in dieser Periode der Integration der neuen Mitgliedsländer vor einem Problem. Wie konnte sie die Verdrängung der bisher als rückständig und arm geltenden Regionen aus der Förderung durch die neuen ärmsten Regionen vermeiden. Die Antwort war die schon erwähnte Aufstockung der Mittel. In diese Periode gehört aber auch schon das „Phasing-Out“ kleiner Ziel 1 und 2 Regionen bis zum 31. 12. 2005. Das bedeutete das Auslaufen von  Teilen der Förderung. Das betraf erste Gebiete in Ostdeutschland, aber auch in Nord-Schottland, und noch kleinere Gebiete in den südlichen Ländern.

Förderperiode 2007-2013

Die Prioritäten dieser Phase waren: die Förderung der Humanressourcen in Form der Stärkung regionaler Beschäftigung, außerdem die Förderung von Investitionen und von  Konvergenz zur Beschleunigung des Wachstums in den am wenigsten entwickelten Regionen. Auch die Förderung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, sowie die Förderung der Wissensgesellschaft gehörten dazu. Und schließlich noch die Themen Umwelt und Verwaltungseffizienz. Außerdem sollte die territoriale Zusammenarbeit der Regionen gefördert werden. Der Kohäsionsfonds ist einsetzbar in allen Mitgliedsstaaten, deren BIP pro Kopf weniger als 90% des EU Durchschnitts ausmacht.

Das Budget für diese Periode betrug 308 Milliarden Euro.

Ein Beispiel der Förderung

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in dieser Periode ist der „Moselsteig“ über 365 Kilometer. Er wurde ausgebaut als Premium-Wanderweg vom Drei- Ländereck: Luxemburg, Frankreich und Deutschland bei Perl bis zur Mündung in Koblenz am Deutschen Eck, dem Zusammenfluss von Rhein und Mosel. Die Kosten zur Erschließung dieses Weges mit Hinweisschildern, Ausstattung mit Ruhebänken an den spektakulären Aussichtspunkten ins Moseltal und Gewinnung von ehrenamtlichen Paten, die den Zustand des Weges überwachen, betrugen 610 000,- Euro. Wie bei den Regionalprojekten erforderlich, wurden die zu gleichen Teilen vom EFRE und vom Land Rheinland-Pfalz getragen. Durch dieses Projekt wurde der Wander-Tourismus im Moseltal nachhaltig gefördert.

Ein weiteres Beispiel

ist die 2007 gegründete Euregio Alpen-Mittelmeer in Kooperation zwischen Frankreich und Italien. Sie umfasst das Département Rhone-Alpes und Provence Alpes Cote d`Azur mit den Städten Lyon, Marseille und Nizza in Frankreich, sowie die drei italienischen Provinzen Piedimont, Ligura und Aostatal mit den Städten Turin und Genua. In dieser Euregio leben mehr als 17 Millionen EU Bürger. Die Zusammenarbeit erstreckt sich auf fast alle Bereiche: auf Fragen des Umweltschutzes, besonders wichtig auf Verbesserung des Verkehrs, auf Fragen der Bildungszusammenarbeit und der Verbesserung von Beschäftigung durch Erleichterung eines grenzüberschreitenden Arbeitsmarktes. Und auch im Bereich der Kultur und des Tourismus soll die Zusammenarbeit gefördert werden, sowie im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen.

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Präsentation der EU Kommission im online meeting

Förderperiode 2014-2020

a) Der EFRE

sollte sich nun auf folgende 4 Ziele konzentrieren, den Ausbau der Forschung, der technischen Entwicklung und der Innovationen in den zu fördernden Regionen. Auf die Verbesserung des Zugangs zu I und K-Technologien (Informations- und Kommunikations-Tech) und die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit besonders kleiner und mittelständiger Unternehmen. Das 4. Ziel war die Unterstützung der Umstellung auf eine CO2-arme Wirtschaft.

b) Der Europäische Sozialfonds ESF

sollte sich auf die Förderung nachhaltiger und hochwertiger Beschäftigung und die Unterstützung der Mobilität der Arbeitnehmer fokussieren. Hinzu soll die Förderung der sozialen Eingliederung sowie die Bekämpfung von Armut und Diskriminierung kommen. Es sollen Investitionen in Aus- und Fortbildung und lebenslanges Lernen unterstützt werden. Schließlich soll die Effizienz der öffentlichen Verwaltung in den betroffenen Regionen gefördert werden. (vgl. dazu ausführlich hier auch I. Die Finanzen: Punkt C, Budgetfunktionen in demokratisch verfassten Gesellschaften, d.)

c) Der Kohäsionsfonds

soll eine nachhaltige EU-Verkehrsinfrastruktur und eine Netzwerkinfrastruktur auch im Energiebereich europaweit fördern. Er soll damit u.a. der Anpassung an den Klimawandel dienen und die Risikoprävention und das Risikomanagement fördern. Für diese Periode wurde er mit 63 Milliarden Euro ausgestattet. Zu den Ländern, die weniger als 90% des BIP pro Kopf als der EU Durchschnitt ausweisen, gehören in der Zeit: Bulgarien, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Estland, Griechenland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei und Slowenien. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verknüpfung mit Wirtschaftsreformen: Die EU Kommission kann die Fördermittel in einem Mitgliedsland aussetzen, falls sich dieses nicht an die marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftsregeln der EU hält.

Patryk Bialas

Der grüne Stadtrat von Katovice, ist inzwischen Energieberater im Technologiepark-Euro-Zentrum geworden. Dort hat er ein Schulungszentrum für Handwerker eingerichtet. Er weiß, er muss die Kumpel durch Umschulungen für eine neue Zukunft gewinnen. Solange, wie sie Angst um ihre Arbeitsplätze haben, hängt das Herz der ganzen armen, früher schlesischen Region weiter an der Kohle. Als 2015 viele Bergwerke wegen Unrentabilität schließen sollten, kam es zu Massenstreiks. Die neue polnische Regierung der PiS-Partei versprach den Kumpeln eine sichere Zukunft und hat u.a. damit die Wahl gewonnen. Sie investiert seitdem jährlich 2 Milliarden in die veraltete Kohleindustrie.

Die EU-Kommission aber veröffentlichte 2018 ein Strategiepapier, das vor allem das Zurückfahren der Kohleverstromung beinhaltet. Kohle wird zu der Zeit noch in zwölf Mitgliedstaaten in insgesamt 41 Regionen auf NUTS-2-Ebene abgebaut und hat für diese Regionen eine große wirtschaftliche Bedeutung.

Katovice

Die Stadt hat sich in dieser Förder-Periode in ein internationales Kongress- und Kulturzentrum verwandelt. Über zwei Jahrzehnte unterstützte die EIB im Rahmen des Kohäsionsfonds der Regionalpolitik die Stadt mit Darlehen von insgesamt 205 Millionen Euro bei ihrer Umstellung auf eine CO2-arme Wirtschaft. Und das, obwohl die EU in der Anfangszeit des Projektes noch keine gesonderte Energiepolitik hatte. Die Stadt hat ihr Kulturzentrum auf dem Gelände eines alten Kohlebergwerks errichtet – mit Konzerthaus für das Radio- und Sinfonieorchester mit 1800 Plätzen. Außerdem mit einem Kongresszentrum, das 12000 Personen Platz bietet. Darüber hinaus mit erneuerter Sportarena und einem unterirdischen Museum, das die gesamte Stadtgeschichte, incl. Bergbau vor Ort erzählt. Auch die gesamte Infrastruktur rundum wurde erneuert. Die UNESCO hat Katowice kürzlich den Titel „Stadt der Musik“ verliehen. 2018 hat dort die 24. UN-Klimakonferenz stattgefunden. Der polnische Staatspräsident A. Duda sagte dort zur Eröffnung: „Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand den polnischen Bergbau ermordet.“

Langsames Umdenken

Wer hätte so eine Erfolgsgeschichte am Beginn für möglich gehalten. Ausgehend von diesem Zentrum der südpolnischen Industrieregion ist eine Umweltbewegung entstanden, angeführt von mutigen und weitsichtigen Menschen wie Patryk Bialas. Inzwischen sehen auch manche Polen den Klimawandel als eine Bedrohung. So beginnen auch in der nationalen Politik erste neue Überlegungen. Denn trotz der vielen investierten Milliarden ist ein Fakt nicht mehr zu übersehen: Die heimische Kohle geht doch schneller zur Neige, als von der PiS immer öffentlich behauptet.

Außerdem steigt der Energiebedarf auch in Polen jährlich. In Zukunft soll nun ggfs. über das Baltikum Gas aus Norwegen importiert werden, nicht aus Russland! Und in der Ostsee sollen Windparks entstehen. (für die Geschichte von Paul und Pavel, sowie von Patryk Bialas und Katovice sind folgende Quellen benutzt worden: MDR aktuell, 4.2.2020; DW mit Report von WiseEurope, Dtldfunk, 2.12.2019 und 9.1.2020, Annual Political Dialogue in Görlitz 2019, Bericht der EIB über ihre Förderpolitik für Klimaziele)

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Interreg Logo

In die Förderperiode 2014-20

fällt auch der Aufbau der „Interreg V. A“ Deutschland, speziell NRW und Niedersachsen und Niederlande, aufbauend auf vorhandenem Potential. Die Zusammenarbeit soll sich auf folgende Sektoren erstrecken, auf das Agrobusiness,  auf Health and Life Science, auf Hightech-Systeme und Materialien, Logistik und Energie. Bei dem Punkt Energie geht es um CO2 Reduktion. In diesen Bereichen soll insbesondere der Wissenstransfer für KMUs, kleine und mittlere Unternehmen, organisiert werden. Auch geht es um die Verringerung der Langzeitarbeitslosigkeit. Damit soll ein Beitrag für ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum geleistet werden, so wie es in den Perspektiven „Europa 2020“ festgelegt wurde. Aus der EFRE wurden für diese Interregio für den Förderzeitraum 221 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die gleiche Summe kam von den beteiligten Bundesländern bzw. Gebietseinheiten.

Viererlei ist bemerkenswert

  • Erstens: die EU Regionalpolitik enthält Elemente einer EU Sozialpolitik, wenn es um die Förderung hochwertiger Beschäftigung u. a. durch Qualifizierungsmaßnahmen geht.
  • Zweitens: es handelt sich um eine aktive Sanierungspolitik, die versucht z. B. kleine und mittlere Unternehmen in der Region zu halten durch Hilfen zur Erlangung europaweiter bzw. internationaler Wettbewerbsfähigkeit.
  • Drittens: es ist es wert Folgendes hervor zu heben: schon mehrere Jahre vor Propagierung des „Green Deal“ 2019 wurden in der Regionalpolitik umweltpolitische Projekte gefördert.
  • Viertens: im Laufe der Zeit haben die grenzüberschreitenden EUREGIOs an Bedeutung gewonnen. Sie ergänzen die EU Regionalpolitik – Regionen innerhalb der einzelnen Mitgliedsstaaten – um wichtige Ansätze der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen EU-Staaten.
  • Fünftens: darüber hinaus gibt es die Euroregios, die die Zusammenarbeit zwischen EU-Regionen und Regionen an die EU grenzender Nachbarstaaten fördert.

2. Bewertung der bisherigen Regionalpolitik der EU

Eine sozio-ökonomische Bewertung der EU Regionalpolitik ist aus mehreren Gründen sehr schwierig:

Spezielle Herausforderungen für die Regionalpolitik

Die EU Regionalpolitik ist als ein lernendes System zu verstehen, das auf die verschiedenen Stufen der Erweiterung der EU flexibel reagieren musste. Zu bedenken ist dabei:  die Planungs- und Finanzierungsperioden sind jeweils 6-jährig. Da die geförderten Regionen aber gewechselt haben, können sie daher nicht durchgehend auf Fortschritte der Entwicklung überprüft werden.

Die Notwendigkeit der Regionalpolitik zur Angleichung der Arbeits- und Lebensverhältnisse ist schon aus Folgendem offensichtlich: „Das BIP der 10 reichsten Regionen der EU der 25 lag zu Beginn der Osterweiterung bei 189% und das der 10 am wenigsten wohlhabenden Regionen bei 35% des EU Durchschnitts“ (Hermann Rebhegge, Europäische Kohäsionspolitik in: Europäische Wirtschafts- und Sozialpolitik, Springer Verlag 2011, S, 133ff.) Derartige wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Diskrepanzen würden ohne Intervention zu massiven Wanderungsbewegungen führen – Entleerung der armen Regionen und Zusammenballungen in urbanen Regionen mit Problemen der möglichen Slum-Bildung, des Verkehrs-Infarktes und der Umweltbelastung.

Anschubfinanzierung
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veröffentlicht 2012, mit Dank für die freundliche Genehmigung

Regionalpolitik ist immer zu verstehen als Anschub, damit zurückgebliebene Regionen über Wachstumsimpulse Anschluss finden können an die schon weiter entwickelten Regionen. Es kann nie um eine Dauersubventionierung gehen. Das Auslaufen der Förderung, s.o. Phasing-out begann für mehrere Ostblockländer schon sehr früh, mit Ende der Periode 2005.

Die neoliberale Position, jede Region müsse sich selber helfen, jede Subventionierung lasse die Kräfte zur Selbsthilfe erlahmen, ist aber mit den Erfolgen dieser Politik ad absurdum geführt. Man muss sich nur einmal vorstellen, wie Europa heute aussehen würde, hätte es die EU-Regionalpolitik nicht gegeben. Es gäbe wohl krasse Gegensätze zwischen armen und reichen Regionen, entvölkerte Gebiete und noch stärkere urbane Zusammenballungen.

An dieser Stelle taucht die Frage auf: Gibt es in der EU-Landwirtschaftspolitik auch ein sog. Phasing-out-Procedere? Wäre das dort nicht auch vonnöten? Und wenn es das nicht gibt, warum nicht? Konkret: Welche Rolle spielt Lobbyismus?

Wer wird gefördert

Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung einer Region hängt von verschiedenen Faktoren ab, von

  •  dem Entwicklungspotential, d.h. vom Ausbildungsstand der Bevölkerung und u. a.
  •  deren Risikobereitschaft sowie
  •  den vorhandenen bzw. nicht vorhandenen natürlichen Ressourcen,
  •  der Infrastruktur
  •  der konjunkturellen Entwicklung innerhalb des Landes, in der EU oder im Welthandel
  •  und der Exportorientierung des Gebietes. Darüber hinaus hat ein Vergleich der Studie von E. Sp. (s.O) zwischen Ostdeutschland und Irland gezeigt:  eine enorme Bedeutung haben auch die ausländischen Direktinvestitionen haben.

Es ist deshalb kaum möglich, den Effekt der Förderung durch die EU Regionalpolitik zu isolieren. Besonders die internationale Finanzkrise ab 2008 und die Staatsschuldenkrise in deren Gefolge, die auf Europa durchschlug, machen eine Bewertung nach kontinuierlich linearen und eindimensionalen Kriterien schwierig. Es ist genauso wie bei der Frage nach den Ursachen der steigenden Lebenserwartung: Sicher geht sie auch auf den medizinisch-technischen Fortschritt zurück. Es spielt aber auch die Abnahme des Rauchen bei Jugendlichen  eine Rolle und ob weniger Verkehrstote zu beklagen sind als früher – auch auf Grund der Gurtpflicht. Weitere Faktoren können verantwortlich sein.

GDP_per_capita_in_NUTS_2_EU_regions im Vergleich zum EU-Durchschnitt (2017), Fede-5-19, CC BY-Sa 4.0.png

©Fede-5-19 CC BY-Sa 4.0

Weitere Bewertungsschwierigkeiten

Hinzu kommt, es gibt kaum Indikatoren (Messgrößen), um die Wirkung von Fördermaßnahmen der Regionalpolitik objektiv zu beurteilen. Man könnte daran denken, das Bruttoinlandsprodukt BIP pro Kopf in der betreffenden Region zu Beginn der Förderung und an ihrem Ende bzw. 5 oder 10 Jahre später zu messen und dann zu vergleichen, wie das in der Studie über Ostdeutschland getan wurde. Ausgedrückt in Kaufkraft Standards reichte im Jahre 2018 das regionale pro Kopf BIP von 30% des EU Durchschnitts in der französischen Überseeregion Mayotte bis zu 263% in Luxemburg. Der „Speckgürtel“ der EU zieht sich in den Regionen von Oberitalien über Österreich nach Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen bis in die Niederlande und Belgien. (Karte des BIP pro Kopf in den Regionen der EU 2018 Pressemitteilung von eurostat vom 5.3.2020. bzw. 2017)

An den Rändern der EU

Das sind einerseits Portugal, andererseits Süditalien und Sizilien, drittens im Osten von Estland herunter über Polen und die Ostdeutschen Länder, über Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. An diesen Rändern liegen die Gebiete, in denen die Einwohner weniger als 75% des GDP pro Kopf des EU Durchschnitts produzieren. Diese krassen Unterschiede bestehen trotz der Regionalpolitik. Wie sähe es in der EU aus ohne sie?

Ein weiterer Aspekt darf nicht übersehen werden. Die Regionen im „Speckgürtel“ und die hoch entwickelten Cluster wie z.B. Paris oder Helsinki sind auch diejenigen, die die negativen Folgen der weltweiten Finanz- und Staatsschuldenkrise ab 2008 am schnellsten überwunden haben. Die Regionen der Peripherie haben wesentlich länger gebraucht, um wieder das Vor-Krisen-Niveau zu erreichen. Auch daraus folgt: die Regionen der Peripherie bedürfen weiter einer besonderen Förderung, damit sie nicht den Anschluss verlieren.

Relativierung, da allein nicht aussagekräftig genug

Das BIP pro Kopf ist immer nur ein Durchschnittswert für eine Region. Dieser sagt nichts über die Verteilung der Wirtschaftsleistung aus oder über die Verteilung der Einkommen auf die Einwohner der Region. Ggfs. können alle etwa gleich reich oder gleich arm sein oder aber, es gibt einige wenige sehr reiche Bewohner, aber die restlichen leben in Armut.  Bei Durchschnittswerten ist es so, wie wenn man mit einem Bein in einem Eimer mit warmem Wasser von 40° steht und mit dem anderen im anderen Eimer von 0°. Nur der Durchschnitt von 20° ist angenehm.

Es wäre daher wünschenswert, wenn auch Daten zur Einkommensverteilung auf die Menschen erhoben würden. Denn der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft hängt nicht nur von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und einer geringen Arbeitslosigkeit ab, sondern auch von einer relativ gleichmäßigen Einkommens- und Vermögensverteilung. Soziale Ungleichheit kann durch Bildungsförderung und/ oder ein Steuersystem mit progressiven Tarifen der Einkommenssteuer bekämpft werden.

Ein weiterer Indikator 

Auch erfolgsversprechend erscheint die Beantwortung der Frage, ob ein gefördertes kleines oder mittleres Unternehmen 5 Jahre nach Ende der Förderung noch am Markt ist.

Das Beispiel frühere DDR

unser Foto, Quedlinburg, ein restauriertes und ein noch altes Haus auf einem Bild.JPG Immerhin gibt es einzelne Studien, die z.B. auf Ostdeutschland bezogen, die Wirkungen der EU- regionalpolitischen Fonds und der bundesrepublikanischen Transferzahlungen analysieren. Das BIP pro Kopf lag 1991 in Ostdeutschland, also der früheren DDR bei 7.460,- Euro im Jahr. Dies bedeutete 39% des EU Durchschnitts, in Westdeutschland lag der Wert bei 119% (Egle Spudulyte, Die Osterweiterung und die Regionalpolitik der EU, Dissertation Aachen 2003).

Von 1993 bis 1998

wurde eine Steigerung des BIP pro Kopf von dann schon 10.594,- Euro auf 14.349 Euro erreicht, ein Steigerung um 35%. Die Produktivität konnte in dieser Zeit von 59,5% des Westniveaus auf 67,3% gesteigert werden (ebenda, S. 196). Die Effekte auf Einkommen und Produktivität sind wesentlich stärker spürbar als bei der Beschäftigung. Gründe dafür sind u.a.: die Transformation  der völlig veralteten Staatswirtschaft zur Marktwirtschaft ging mit Rationalisierung und Automation der Produktion einher. Und auch die Qualifikationen waren noch auf einem der veralteten Wirtschaft entsprechenden Niveau. Außerdem wanderten in 10 Jahren ca. 1 Million meist jüngere Arbeitskräfte nach Westdeutschland ab. In der nächsten Periode ab 2000 wurde der Schwerpunkt der Förderpolitik deshalb geändert sowohl auf mehr Infrastrukturmaßnahmen wie auch auf Bildung und Qualifizierung.

Fortschritte waren allerdings bei jeder Reise in die neuen Länder trotz der erwähnten Defizite deutlich zu erkennen. Auf dem Bild: der Unterschied zwischen einem renovierten Gebäude und einem, das  (2014 in Quedlinburg) noch darauf wartete, wieder instand gesetzt zu werden.

Indikator: neu geschaffene Arbeitsplätze

Die wissenschaftlichen Teams, die von der EU zur Evaluation der Regionalpolitik beauftragt wurden, versuchten sich am Indikator: neu geschaffene Arbeitsplätze. Sie stellten aber zunächst fest: die Zahlen, die von den Mitgliedsländern zur Verfügung gestellt wurden, waren untereinander nicht kompatibel. Denn die einen meldeten nur dauerhafte Arbeitsplätze. Andere zählten auch Teilzeitjobs oder gar in Aussicht gestellte Arbeitsplätze mit. Trotz all dieser Probleme kamen sie zu dem  wohl leicht übertriebenen – weil ggfs. inklusive in Aussicht gestellter Plätze – Ergebnis:  in der Förderperiode 2007-2013 wurden bis Ende 2011 in der EU knapp 400 000 neue Arbeitsplätze durch die Förderung durch den EFRE geschaffen (EU Evaluation of the 2007-2013 programming period: ex post evaluation of the ERDF and CD: Key outcomes of Cohesion Policy in 2007-2013).

Das Beispiel Portugal

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Christiano Ronaldo 2011, Ludovic Péron, CC BY-SA 3.0

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Bauer bei der Arbeit, Son of Hope, CC BY 3.0

Am Beispiel eines Landes und vor allem der Menschen, die Begünstigte der Förderpolitik sind, lässt sich jeweils am besten ablesen, was die Regionalpolitik bewirkt. Dafür sei hier auf Portugal geschaut, das ab 1986 Mitglied der EU ist. Es geht um die Periode 2014-2020. Unter dem Label: Intelligentes Europa -Digitalisierung etc. – wurden 7.019 Unternehmen unterstützt, bewilligt wurden Gelder für 14.622. Neue Arbeitsplätze entstanden 16.549, bewilligt 45.011. Neue Unternehmen entstanden 731, bewilligt = bew. 1016. Es gibt weitere Fortschritte.

Unter dem Ziel: Nachhaltiges Europa erhielten 412.698 Menschen sauberes Trinkwasser, bew. 1.993.680. Von verbesserter Abwasserbehandlung profitierten 1.995 Menschen, bew. 10.933. Vorstellbar ist, dass die Realisierung der Planungen nach 2020 weitergehen. Dann sind am Ende die Erfolge sehr viel größer als zum Zeitpunkt der Evaluation. Auch weitere Bahngleise gehören zu diesem Programm: 106 km gebaut, bew. 268 km. Das 3. Ziel hieß Inklusives Europa. Da ging es um die Verbesserung der Infrastruktur der Kinderbetreuung und der Bildung. 34.321 Kinder konnten davon bislang profitieren, bew. 139.710. Und von der Verbesserung des Gesundheitswesen waren 3.653.511 Menschen begünstigt, bew. für 7.785.842 Menschen. Ronaldo mit einem Jahreseinkommen von 33 Mill. € 2019 ist auf derartige Verbesserungen nicht angewiesen, aber Pedro, der auf dem Land arbeitet und lebt.

Bewertung

Die Zahlen zeigen zweierlei: auch 30 Jahre nach dem Beitritt bringt die Regionalpolitik noch konkrete Verbesserungen für eine Vielzahl von Menschen mit sich. Aber die Verwirklichung der Planungen nimmt jeweils lange Zeiträume in Anspruch, weil sie vor Ort und mit zusätzlichen örtlichen Mitteln umgesetzt werden muss.

Probleme mit Korruption bei der Auftragsvergabe

2017 wurde im Auftrag der EU eine Studie in der Tschechischen Republik zur Wahrnehmung von Korruption in Verbindung mit den 3 Fonds der EU Regionalpolitik veröffentlicht. Sie lief unter dem Programm: „Kapazitätsbildung“, d. h. zu der Frage, wie effizient ist die öffentliche Verwaltung nach rechtsstaatlichen Kriterien.  So gaben „beteiligte“ Personen, die  als Korruptionsopfer befragt wurden, an, im privatwirtschaftlichen Sektor sei es einfacher, einen Auftrag ohne Bestechung zu erhalten als bei der öffentlichen Hand. Die Studie kam zu dem Ergebnis: der Missbrauch staatlicher Macht fördert die Korruption am meisten. Die Regeln zur Korruptionsbekämpfung seien zu lax und die Strafen zu niedrig. Besonders effizient zur Korruptionsbekämpfung sei die Schaffung einer erhöhten Transparenz bei der Entscheidungsfindung der öffentlichen Verwaltung (The perception of corruption in respect of the ESI Funds Czech Republic ERDF, CF, ESF).

Bewertung der EUREGIO-Politik

Zur Evaluation der EUREGIOS sei als Beispiel auf die 2018/19 durchgeführte unabhängige und kritische Bewertung der Zusammenarbeit in der EUREGIO Rhein-Waal durch Ramboll und Regioplan hingewiesen. Diese sehr detaillierte Studie kommt auf 81 Seiten zu dem Ergebnis, die Förderung sei planmäßig und erfolgreich umgesetzt worden. Hervorgehoben wird der Aufbau und der stabile Bestand von grenzüberschreitenden Netzwerken, die auch die Förderung überdauern. Das gegenseitige Verständnis der Akteure auf beiden Seiten besonders bei den Vertretern der Kommunen habe wesentlich zugenommen. Die Zusammenarbeit habe auch sehr konkreten wirtschaftlichen Mehrwert für die beteiligten Unternehmen gezeitigt.

Die EU Kommission hat zu den methodologischen Ansätzen der Evaluation von Entwicklungen im Zusammenhang mit Förderprogrammen ein „Evalsed Sourcebook, Methods and Technologies“ herausgegeben, um Wissenschaftlern der Folgenabschätzung in den Mitgliedsländern Werkzeuge an die Hand zu geben. Es geht darum, die Studien untereinander vergleichbar zu machen.

3. Planungen der EU für die Förderperiode 2021-2027

Wir haben gesehen: die Kohäsionspolitik hat schon bisher Regionen bei ihrem wirtschaftlichen Wandel unterstützt, um Innovationen und Dekarbonisierung voran zu bringen. Die EU Kommission hat 2017 sogar eigens eine Plattform für Regionen im Wandel, die Kohle bzw. fossilen Energieträger abbauen, geschaffen. Und sie hat die Slowakei, Polen und Griechenland zu Pilotregionen erklärt. Ein Spezialfonds soll für „einen gerechten Übergang“ der besonders betroffenen Regionen eingerichtet werden. „Wir werden die Menschen und Regionen in unserem Europa, die bei diesem Übergang mehr Anstrengung aufbieten müssen, unterstützen, damit niemand zurückgelassen wird.“ (U.v.d.Leyen)

Der Erfolg des Patryk Bialas

Ende September 2020 wird bekannt gegeben: die polnischen Gewerkschaften haben in Verhandlungen mit der Regierung die Forderung vertreten, 2060 die Zechen zu schließen. Man habe sich aber darauf geeinigt, die letzte Zeche 2049 zu schließen – selbst wenn dann noch arbeitslose Kumpel sozial unterstützt werden müssen! Die Zahl der Kumpel sei mittlerweile von 400.000 auf 80.000 zurückgegangen, hieß es in diesen Nachrichten. Patryk Bialas in Oberschlesien bzw. Südpolen wird hoch zufrieden sein. Er hat nicht nur weitsichtig für die Blaupause des Übergangs gesorgt, sondern ist mit seinen Mitstreitern längst dabei, neue Firmen in Katovice anzusiedeln.

Eine „Neue Kohäsionspolitik“

In den EU Mitteilungen in Bezug auf die Regionalpolitik für die Förderperiode 2021-2027 ist von einer „Neuen Kohäsionspolitik“ die Rede. Die Investitionen sollen zwar wie bisher auf die Regionen Ziel 1 und 2 konzentriert bleiben – 65 bis 85% der Mittel des EFRE- und des Kohäsionsfonds-, aber sie sollen für ein intelligenteres Europa, für die Beschleunigung der Digitalisierung und des wirtschaftlichen Wandels verwandt werden, sowie zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen. Ein Schwerpunkt soll dabei auf ein grünes, CO2-freies Europa, welches das Pariser Klimaschutzabkommen umsetzt, gelegt werden. Es sollen verstärkt Investitionen in die Energiewende durch Förderung der erneuerbaren Energien und den Kampf gegen den Klimawandel gegeben werden. Außerdem soll die Förderung weiter auf ein stärker vernetztes Europa sowohl in Verkehrs- als auch in Digitalnetzen konzentriert werden.

Ein sozialeres Europa

Ein weiterer Schwerpunkt soll die Förderung eines sozialeren Europas sein. Der 2017 neu geschaffene „Europäische Grundpfeiler sozialer Rechte“ muss umgesetzt werden. Hochwertige Arbeitsplätze sollen geschaffen werden durch einen multidimensionalen Ansatz. Dieser soll die folgenden sechs Ziele kombinieren: Investitionen in Bildung, in berufliche Kompetenzen, in soziale Inklusion und Nicht-Diskriminierung, die Förderung der Gleichheit im Zugang zu medizinischer Versorgung und Generationengerechtigkeit.

Ein dritter Schwerpunkt soll ein bürgernäheres Europa schaffen durch Unterstützung lokaler Entwicklungsstrategien und einer nachhaltigen Stadtentwicklung in der gesamten EU. 6% der EFRE-Mittel sollen hierfür verwandt werden.

Zusätzliche Kriterien

Die Regionen werden nach drei Kategorien klassifiziert: 1. weniger entwickelt, 2. im Wandel und 3. weiter entwickelt. Die Mittelzuweisung soll weiterhin größtenteils auf der Basis des BIP pro Kopf erfolgen. Aber es sollen zusätzliche Kriterien wie Höhe der Jugendarbeitslosigkeit, besondere Betroffenheit vom Klimawandel und Aufnahme und Integration von Migranten berücksichtigt werden.

Gebiete in äußerster Randlage werden auch in Zukunft in den Genuss einer speziellen Förderung durch die EU kommen. Offenbar ist klar: innerhalb der zu fördernden Regionen bedürfen die besonders Zurückgebliebenen einer zusätzlichen Förderung, wenn sie noch eine Chance des Aufholens haben sollen.

Die Evaluation der geförderten Projekte soll sich auf die Erfassung der neu geschaffenen Arbeitsplätze und die zusätzlich errichteten Breitbandanschlüsse konzentrieren. Die Berichterstattung über Projektfortschritte soll in kürzeren Zeitabschnitten erfolgen, um die Projektsteuerung effizienter zu gestalten.

4. Kritische Evaluation

Setzt man die Ziele der „neuen Kohäsionspolitik“ für die Periode 2021-2027 in Vergleich zu den geplanten Schwerpunkten der EU-Agrarpolitik, so kann man feststellen: die Regionalpolitik ist schon früher und umfangreicher auf Klimapolitik und nun auf den „Green Deal“ ausgerichtet. Vermutlich gibt es in der Kohäsionspolitik keine derart manifesten Interessenpositionen wie in der Agrarpolitik.

Ohnehin müssten die  weiter entwickelten Regionen der EU ein Interesse an dem „Aufholprozess“ der Peripherie haben.  2020 hat sich – nach einigem Ringen mit den sog. Sparsamen Vier (bis fünf)- wohl  die Erkenntnis durchgesetzt: die Unterstützung der von der Pandemie besonders hart getroffenen EU Mitgliedsländer durch den Wiederaufbaufonds liegt letztlich auch im Interesse der weniger hart getroffenen Länder. Der Gemeinsame Markt kann nur funktionieren, wenn die in einem prosperierenden Land hergestellten Produkte auch in den Ausfuhrländern verkauft werden können. Dies ist aber nur möglich, wenn die schlechter gestellten Länder sich wirtschaftlich erholt haben. Das Gleiche gilt auch im Verhältnis der Regionen untereinander.

Zu verstärkten neuen Erkenntnissen

Die „Neue Kohäsionspolitik“ scheint geprägt zu sein von folgender Erkenntnis: die Investitionen in Bildung, berufliche Qualifikation und Forschung und Entwicklung sind notwendig für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in der EU. Eine im Verhältnis zu anderen Kontinenten an Rohstoffen arme Gemeinschaft, wie die EU, muss intelligent den Tiger des technischen und organisatorischen Fortschritts reiten, um in der internationalen Konkurrenz mithalten zu können. Daher ist es völlig richtig, die Verbreitung von Breitbandanschüssen bis aufs entlegene Land zu fördern. Nur so wird es möglich, Home Office auch auf dem Land  zu betreiben und dadurch die Innenstädte zu entlasten und den Pendlerverkehr zu reduzieren. Die dringend notwendige Investition in neue Kommunikationstechnologien und in die Medienkompetenz der Anwender kann Synergien erzeugen.

Die Erzeugung  eines gemeinsamen Nutzens durch gegenseitige „Befruchtung“ verschiedener Ziele

               a)Aufholung im Innovationsprozess um „Neue Medien“ sowohl für die berufliche als auch für die private Nutzung.
  • Fast alle heute vorherrschenden Plattformen sind in US amerikanischer bzw. chinesischer Hand mit allen Nachteilen der Datenüberwachung und der Gestaltung ausschließlich nach kommerziellen und werblichen (zu Werbezwecken) Interessen. Die EU braucht endlich eigene technologische Champions, die u. a. den spezifischen Interessen der Förderung einer europäischen Öffentlichkeit und der Bildung Rechnung tragen.
  • b)Die Breitbandtechnologie kann die Dezentralisierung der Dienstleistungsarbeit sehr stark unterstützen.
  • Damit kann die Abwanderung aus ländlichen Regionen gestoppt, möglicherweise sogar umgekehrt werden. Der Dienstleistungssektor ist wirtschaftlich in hoch entwickelten Gesellschaften zunehmend führend. Für die Dezentralisierung ist allerdings mehr als ein Breitbandanschluss erforderlich. Es bedarf organisatorischer Vorkehrungen für das „Home Office“. Es bedarf attraktiver Kita- und schulischer Angebote für Familien mit Kindern und es bedarf günstiger öffentlicher Verkehrsangebote als Zugang zu Versorgungs- und kulturellen Angeboten.
  • c)Die Weiter-Entwicklung der I- und K-Technologien und ihrer Anwendungsmöglichkeiten schafft neue hochwertige Arbeitsplätze.
  • Die Produkte können ebenso wie die der Umwelttechnologie zu Exportschlagern werden sowohl innerhalb der EU als auch im internationalen Wettbewerb. Dazu ist freilich eine massive Förderung der universitären und anwendungsbezogenen Forschung und der „Start ups“ erforderlich, denn der Vorsprung des Auslandes ist gerade hier gewaltig.

Zu zwei zusätzlichen Schwerpunkten der neuen Kohäsionspolitik

Wenn sie so umgesetzt wird wie vorgesehen, setzt sie zusätzlich zwei Schwerpunkte. Zum einem die Förderung einer nachhaltigen Stadtentwicklung und zum anderen die Förderung eines sozialeren Europas. Beides ist ausdrücklich zu begrüßen. Gerade die Probleme der Integration von Minderheiten und von Flüchtlingen konzentrieren sich in den Städten. Dazu kommt: die Umstellung auf den Fahrradverkehr und auf CO2-ärmere Fahrzeuge wie bei Bussen muss ebenfalls vordringlich in den Städten erfolgen. Die dringend notwendige Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit muss massiv erfolgen und darf nicht länger aufgeschoben werden.

Da die Kohäsionspolitik durch die Pandemie-Krise wieder vor neuen Herausforderungen steht sowohl im Bereich des Gesundheitswesens als auch im wirtschaftlichen Bereich, muss sie fortgesetzt werden, aber in Anpassung an die aktuellen Probleme. Dies scheint zumindest geplant zu sein. Da die jeweilige Evaluation in kürzeren Abständen erfolgen soll, dürften die Förderungen bei Bedarf schneller angepasst werden können. Erfolge der Regionalpolitik werden für die Öffentlichkeit so möglicherweise sichtbarer, sollten aber auch aktiv kommuniziert werden.

Zu den EUREGIOS und den EUROREGIOS

Von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der EU sind die EUREGIOS, und zwar die innerhalb der EU über Grenzen zwischen Mitgliedsstaaten hinweg als auch die Euroregios über Grenzen zu Nicht-EU-Mitgliedsstaaten. Die ersten können helfen, administrative Hemmnisse der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit abzubauen und Synergien der Kooperation gerade auch für KMUs (kleine und mittlere Unternehmen) zu fördern. Sie sind ein hervorragendes Instrument der EU Innenpolitik zur weiteren Überwindung der „alten“ Grenzen der Nationalstaaten und dienen der Förderung der weiteren Verständigung zwischen den EU Bürgern. Die EUROREGIOS über EU Grenzen hinweg sind Ausdruck der freundschaftlichen EU Nachbarschaftspolitik. Sie sind angesichts der leidvollen Geschichte Europas nicht hoch genug zu preisen.

Um zu erfahren, wie viel EU in Ihrer Region steckt, sollten Sie sich kundig machen.

Zu Regionalen Förderprojekten

In Rheinland-Pfalz z.B. werden Sie feststellen: die EU ist vor Ihrer Haustür präsent. So wird z. B. die Europäische Rechtsakademie in Trier seit 1992 jährlich mit 2,45 Millionen Euro aus dem Programm Erasmus Plus gefördert. Sie hat 70 Mitarbeiter und soll Rechtsanwälte und Richter detailliert mit dem Europäischen Recht vertraut machen. Es gab drei Gründe für diesen Standort: Erstens gab es in Trier bereits die deutsche Richterakademie. Zweitens liegt Trier vor den Toren Luxemburgs, dem Sitz des EUGH und drittens liegt es quasi mittig zwischen den Europastädten Brüssel und Straßburg.

Außerdem wurde in den Weinbergen entlang der sog. Terrassen-Mosel mit den vielen Steillagen die Umgestaltung des Geländes gefördert, (Querpflanzung statt Längspflanzung) damit zwischen den Weinstöcken kleine Traktoren verkehren können, die die ansonsten dort besonders schwere körperliche Arbeit erleichtern. Die beteiligten Winzer sind dadurch wirtschaftlich wettbewerbsfähiger geworden.

5. Fazit

Die Regionalpolitik mit Ihren drei Hauptfonds und weiteren Spezialfonds hat im Grunde die Erweiterungspolitik ab den siebziger Jahren erst ermöglicht. Denn die Staaten, die Transformationsprozesse durchlaufen mussten, hätten das ohne starke Unterstützungsleistungen nicht gekonnt.

Soweit die Beurteilung durch einen Überblick möglich ist, ist die Förderung der EU Regionalpolitik gut ausgerichtet. Auf jeden Fall ist sie sehr notwendig und ein gutes Instrument. Denn der Unterschied zwischen dem Speckgürtel und den Randgebieten besteht nach wie vor und ist noch erheblich. Das Geld wurde und wird – so scheint es – sinnvoll und effizient angelegt. Für die Zukunft muss gerade die Regionalpolitik fortgesetzt werden, um einen weiteren Beitrag zum Zusammenhalt in der gesamten EU zu leisten.

Eine Frage ist,

ob alle für eine regionalpolitische Förderung Antragsberechtigten Körperschaften ausreichende Informationen haben, welche Möglichkeiten es gibt und wie die Anträge zu stellen sind, damit sie erfolgreich sind. Gibt es ähnlich zu den Europe Direct-Infozentren für die Bürger*innen überall genügend Infozentren für die Verwaltungen, die Hilfestellung leisten? Oder könnten Erstere für diese zusätzliche Aufgabe weitergebildet werden?

Bewertung zweier Politikfelder der EU im Vergleich

Im Unterschied zur Agrarpolitik fallen besonders die  Phasing-out-Prozesse der Regionalpolitik auf. Hat sich ein Gebiet nach vorne entwickelt und kann sich auch mit geringerer oder keiner Förderung gut weiter entwickeln, so wird die Förderung reduziert oder der Schwerpunkt wird auf andere Gebiete verlagert. Das scheint nicht nur sinnvoll zu sein, sondern auch für den Erfolg der Regionalpolitik zu sprechen.

In der Agrarpolitik scheint es im Wesentlichen keinen wirklichen Phasing out-Prozess zu geben. Der Agrar-Haushalt ist wohl bisher konstant der größte Haushalt der EU. Seit Beginn hat er sich in der absoluten Höhe kaum reduziert. Nur durch das Wachstum des gesamten EU-Haushaltes ist sein prozentualer Anteil etwas gesunken. Und es gibt innerhalb eine – allerdings bisher äußerst geringe – Umschichtung zugunsten kleiner bäuerlicher Betriebe. Stimmt diese Analyse, dann widerspräche das sehr deutlich neoliberalen Konzeptionen. Aber das widerspräche sogar auch keynesianischer Politik. Die Agrarsubventionen vermitteln eher den Eindruck einer permanenten Unterstützung, als einer vorübergehenden Hilfe zur Selbsthilfe, wie es bei der Regionalpolitik ist, die immer wieder den konkreten Erfordernissen angepasst wird.