Sie wurde noch nicht im Vertrag von Lissabon 2007 eingerichtet, sondern nur angedacht als einstimmig vom Rat  zu verabschiedende Verordnung. Da die Einstimmigkeit nicht zu erreichen war, wurde die EuSta im Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit durch die Verordnung (EU) 2017/1939 gegründet. Und sie nimmt nun am 1. Juni 2021 ihre Arbeit auf.

Laut Beschleunigungsartikeln im Vertrag von Lissabon  können mindestens neun Mitgliedstaaten eine verstärkte Zusammenarbeit begründen – auch ohne Vorschlag der Kommission und auch ohne Abstimmung des Rates. Nachdem sich im Juni 2017 zwanzig Justizminister*innen geeinigt haben, sind nun 22 EU-Staaten Mitglieder. Nicht dabei sind derzeit  Dänemark und Schweden, Irland, sowie Polen und Ungarn.

Vorab eine Einschätzung dieses EU-Organs

von einer französischen Strafrechtsprofessorin und Mitschöpferin, M. Delmas-Marty. Sie sieht die EuSta  als : “ Beginn einer neuen Ära der europäischen-justiziellen Zusammenarbeit und darüber hinaus als Modell für eine zukünftige „Weltrechtsordnung“.

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Inzwischen haben  die 22 Staaten die Verordnung in nationale Gesetze überführt.

Die Zusammensetzung der EU Staatsanwaltschaft

a) die Kammer

Als Generalstaatsanwältin ist die über zwei Perioden erfolgreiche rumänische Leiterin der Anti-Korruptions-Behörde, Laura Codruta Kövesi  berufen worden. Sie wurde im Herbst 2019 für sieben Jahre nominiert. Das Mandat kann nicht erneuert werden.  Zwei Stellvertretende EU-Generalstaatsanwälte verstärken ihre Arbeit. Das sind Danilo Ceccarelli aus Italien und Andrés Ritter aus Deutschland. Zudem gibt es eine 22-köpfige Kammer, der sie und die beiden Stellvertreter angehören und in der aus den übrigen  beteiligten Staaten jeweils ein/e Europäische Staatsanwältin vertreten ist. Deren Sitz ist Luxemburg. Die Kammer arbeitet vollständig unabhängig, frei von jeglicher Einflussnahme.

b) die Sonderberater*innen

Zuarbeiten als „Sonderberater“  bzw. unterstützt von den Europäischen Staatsanwälten arbeiten in jedem Mitgliedsstaat delegierte europäische Staatsanwälte. Sie müssen ebenfalls eine  besondere Qualifikation und Erfahrung  in Korruptions- und Geldwäsche-Bekämpfung nachweisen. Sie sind weiter in nationale Verfahren eingebunden, aber in europäischen Verfahren arbeiten sie als „sonstige Bedienstete der europäischen Union“. Dementsprechend haben sie immer nur Zeitabschnitts-Arbeitsverhältnisse. In europäischen Verfahren sind sie  gegenüber nationalen Behörden frei von Weisungen, also unabhängig. Die Europäischen Staatsanwälte dagegen stehen ihnen weisungsberechtigt vor. Das System wird als „Double-Hat-System“ beschrieben.  Es bleibt zu beobachten, ob es sich bewährt.

Insgesamt soll es 140 delegierte europäische Staatsanwälte in den Mitgliedsstaaten geben. Die delegierten europäischen Staatsanwälte bereiten die Ermittlungen und Verfahren in den jeweiligen Ländern vor. Konkret wird eine Kammer, die sich aus drei europäischen Staatsanwälten zusammensetzt die Delegierten in ihrer Arbeit unterstützen . Die Verfahren beruhen auf den Tatbeständen des jeweils nationalen Strafrechts. Aber die Kammer trifft jeweils die wichtigen Entscheidungen, z.B. ob Ermittlungen zu eröffnen sind oder ob dann ein Verfahren stattfindet.

Die Zuständigkeiten

Die EU Staatsanwaltschaft ist zuständig für Straftaten, die sich gegen die finanziellen Interessen der EU richten. Endlich möchte man sagen. Denn  EU-Gelder werden oft zweckentfremdet, gerne auch von manchem Staatschef.  Im Einzelnen sind Straftatbestände: Betrug in Bezug auf Einnahmen und Ausgaben; großflächig betriebener Betrug bei der Mehrwertsteuer, wenn mindestens zwei Mitgliedstaaten involviert sind und der Gesamtschaden mindestens zehn Millionen Euro beträgt. Denn die Höhe der staatlichen Umsatzsteuereinnahmen beeinflusst die Höhe der EU-Einnahmen. Auch wegen Geldwäsche im Zusammenhang mit Betrugsfällen sowie wegen vorsätzlicher Bestechung und Bestechlichkeit kann die Europäische Staatsanwaltschaft eigenständig ermitteln. Und die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung sofern das EU-Finanzen betrifft, gehören  in deren Aufgabenbereich.

Das Beispiel Deutschland

Laut einer Mitteilung von Justizministerin Christine Lambrecht soll es elf deutsche delegierte europäische Staatsanwälte geben: in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln und München. Ihr Mandat dauert grundsätzlich drei bis maximal fünf Jahre (Amtszeit ist danach erneuerbar). Denen steht das EU-weite Netz von Ermittlern zur Verfügung.

Andrés Ritter, der Stellvertretende Generalstaatsanwalt  betont, dass er „nicht der Mann für Deutschland“ sei, sondern „der Mann aus Deutschland für die Europäische Union und für den europäischen Steuerzahler.“

Er wendet sich dezidiert gegen das von Konservativen in Deutschland oft zu hörende Argument, dass das Subsidiaritätsprinzip  von der EU zu häufig nicht beachtet werde. [Es besagt, dass Sachen dort geregelt werden sollen, wo sie am besten geregelt werden können.] Er argumentiert, die neue Behörde  entspreche genau diesem Prinzip.  Und er sagt, eine Behörde der EU, die einheitlich supranational ist, sei überaus notwendig. Der Kampf gegen Betrug und Korruption sei bisher schon so lange nicht effizient und effektiv gewesen. Nur eine supranationale Behörde könne Ressourcen auf europäischer Ebene zusammenbündeln. Denn es gehe darum, dass die Verfahren tatsächlich dann endlich auch zum Wohle des europäischen Steuerzahlers geführt werden können.

Steuerbetrug EU-weit

Schätzungen zum Steuerbetrug gehen jährlich von einem Schaden im Wert von mittlerweile weit über 100  Milliarden Euro aus, vor 20 Jahren von weniger als der Hälfte. Daher schlug die Europäische Kommission schon im Februar 2000 vor, eine Rechtsgrundlage in die Verträge zur Stärkung der Bekämpfung des Betruges gegen finanzielle Interessen der EG, jetzt  EU aufzunehmen durch eine Europäische Staatsanwaltschaft. Nun ist sie an den Start gegangen. (ab Juni 2021) Die Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen!

Nach Auflösung tausender aufgelaufener Fälle – ab 2017 sollen sie aufgearbeitet werden – gehen die Ermittler von etwa 3000 zu bearbeitenden Fällen pro Jahr aus.

OLAF und die EUStA

Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) darf Untersuchungen in verwaltungsrechtlichen Sachverhalten durchführen bei Verdacht auf Betrug und bei ähnlichen rechtswidrigen Handlungen, die dem jeweiligen Staat finanziellen Schaden anrichten. OLAF darf aber selbst keine Anklage erheben. Das hat den Erfolg ihrer Arbeit bisher stark eingeschränkt. Im Idealfall können  sich die beiden Behörden in Zukunft ergänzen.

Quellen; FAZ; europa.eu; 7.8.2018, Wikip.; EU-Parlament