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Sssiegmund, CC BY-SA 3.0

Die Tschechische Republik gehört wie Österreich zu den wenigen Mitgliedsländern der EU, die keinen Zugang zum Meer haben. Sie grenzt im Norden an Polen und im Osten an die Slowakei, mit der sie bis 1993 als Tschechoslowakei verbunden war. Im Nord-Westen  und Westen grenzt sie an Deutschland, konkret an die frühere DDR und an Bayern und im Süden an Österreich. Die Schneekoppe,  siehe rechts,  ist mit gut 1600 Metern der höchste Berg und liegt in der Mitte des Riesengebirges, in dem die Elbe entspringt. Prag ist die an der Moldau gelegene Hauptstadt. Tschechien ist seit 2004 EU Mitglied. Die Währung ist die tschechische Krone. 2020 leben in der Tschechischen Republik 10,7 Millionen Einwohner, 134 im Schnitt auf dem Quadratkilometer.

1. Geschichte

Die Geschichte Tschechiens als eines Kernlandes der europäischen Entwicklung zeigt wie in einem Brennglas die widerstreitenden religiösen, politischen und wirtschaftlichen Interessen über viele Jahrhunderte.

Erste Besiedlungen sind für die Zeit zwischen 5300 und 4500 vor Christi Geburt nachgewiesen. Viel später siedelten Kelten auch in Teilen des heutigen Tschechiens. Aus dem römischen Namen Boiohaemum leitet sich der Name Böhmen ab, eines großen südlichen Teilgebietes von Tschechien, das bis Ende des 2. Weltkrieges überwiegend deutsch besiedelt war.

Slawen

Um 550 nach Christi Geburt wanderten Slawen ein. 768-814 lagen sowohl Böhmen wie später auch Mähren in der Herrschaftssphäre von Karl dem Großen. Das Reich der Mährer hatte eine hohe Kultur, was an den reichen Grabbeigaben aus Waffen und Schmuck abzulesen ist. Es hatte Anschluss an das europäische Fernhandelsnetz und exportierte sowohl Rohstoffe wie auch Metallerzeugnisse und sogar Sklaven. 864 kamen die byzantinischen Mönche Kyrill und Method ins Land und begründeten die slawische Liturgie. Nach deren Tod ab 894 wird die Rückkehr zur westlichen lateinischen katholischen Kirche eingeleitet. 973 wird das Bistum Prag gegründet. Anfang des 10. Jahrhunderts nach Angriffen von Ungarn und Bayern ging das Reich der Mährer unter.

Spätestens ab dem 10. Jahrhundert lebte in Prag sowohl eine bedeutende deutsche wie auch eine jüdische Gemeinschaft.

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Auf Jüdischen Friedhöfen gilt eine dauerhafte Totenruhe. So ist dieser berühmte Prager Friedhof über die Jahrhunderte immer voller geworden. Andreas Praefcke, CC BY 3.0

Die Goldene Bulle

1310 wird Johann von Luxemburg durch Heirat König von Böhmen. 1355 wählt Kaiser Karl IV. Prag als seine Residenzstadt. Er gründet 1348 die Karls Universität in Prag, die erste Universität nördlich der Alpen. 1356 erlässt er die „Goldene Bulle“, das ist quasi das Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches. Dieses regelt insbesondere die Wahl und die Krönung der Kaiser. Sie hatte 450 Jahre bis zum Ende des Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 Bestand. Nach Karls Tod wurde sein Sohn Wenzel IV. König von Böhmen.

Die frühe Bedeutung der Religion

1415, also 100 Jahre vor der Reformation von Martin Luther, wird der Reformator Jan Hus nach Verurteilung auf dem Konzil von Konstanz als Häretiker bei lebendigem Leibe verbrannt. Daraufhin folgten die Hussiten – Kriege, in denen die böhmischen Stände mehrere Niederlagen erlitten. 1458 wählten die böhmischen Stände Georg von Podiebrad zum König, der der erste protestantische König in Europa war. Nach dessen Tod 1471 entscheiden sich die böhmischen Stände für die polnisch-litauische Dynastie der Jagellionen als ihre Herrscher. 1526 bis 1918 wird das Königreich Böhmen Teil des Herrschaftsgebietes der Habsburger. 1575 verabschieden die protestantischen Stände die Confessio Bohemica, die alle evangelischen Strömungen unter einem Dach vereinen sollte. 1583 wird Prag erneut zur Residenzstadt der Kaiser. 1609 wird vom Kaiser ein „Majestätsbrief“ verfasst, der in Böhmen die Religionsfreiheit garantiert.

Der 2. Prager Fenstersturz mit desaströsen Folgen

1618 kommt es zum 2. Prager Fenstersturz: Die evangelischen Stände rebellieren gegen Kaiser Mathias und werfen königliche Statthalter aus dem Fenster, die dies aber nahezu unverletzt überleben. Der Aufstand in Böhmen ist der Auslöser des 30jährigen Krieges in Europa, der erst 1648 mit dem Frieden von Münster und Osnabrück endete. Die protestantischen Böhmischen Stände hatten sich von der Habsburger Herrschaft losgesagt und eine Böhmische Konföderation gegründet.

Die Gegenreformation

Doch in der Schlacht am Weißen Berg 1620 unterliegen sie den Truppen der katholischen Liga, angeführt vom bayrischen Grafen Tily. Die hart durchgesetzte Gegenreformation unter Kaiser Ferdinand II (1619-1637) mit rigoroser Unterdrückung aller Nicht-Katholiken wird als „dunkles Jahrhundert“ bezeichnet. 27 Führer des böhmischen Aufstandes wurden vor dem Altstädter Rathaus in Prag hingerichtet und die Mehrheit des protestantischen Adels wurde enteignet und musste das Land verlassen. Andere konvertierten zum Katholizismus, um bleiben zu können. Die eingezogenen Güter wurden an katholische Adlige aus anderen Gegenden des Habsburger Reiches weit unter Preis verkauft. Der Vizekönig Karl von Liechtenstein und der Feldherr Wallenstein, beide frühe Konvertiten, sicherten sich den größten Zuwachs an Land. Wallenstein schaffte sich so sein eigenes Herzogtum Friedland. Die Mitbestimmungsrechte der Stände wurden gekappt. Das Land verarmte.

Die zweifelhafte Rolle plündernder Schweden

1639 kam es zu einem Plünderungs – Feldzug des schwedischen Heeres, angeblich um den Protestanten zu Hilfe zu kommen. Von den anfänglich drei Millionen Bewohnern in Böhmen blieben nur 800 000 am Leben. Von 738 Städten blieben weniger als ein Drittel, nämlich nur 230 erhalten, jedoch mehr oder weniger zerstört. Bei den Dörfern war die Bilanz noch schlechter: nur 6000 von 34 000 Dörfern blieben  erhalten. Der schwedische General Adam von Pfuel rühmte sich, allein 800 Dörfer niedergebrannt zu haben (Wikipedia).

Habsburger Herrschaft und „Nationale Wiedergeburt“

Maria Theresia, die Habsburger Kaiserin von Österreich, war von 1740 bis 1780 zugleich auch Königin von Ungarn und Böhmen. Unter ihrem Sohn Joseph II. wurde 1781 die Leibeigenschaft der Bauern abgeschafft, eine „Großtat“ des aufgeklärten Absolutismus.

Im 19. Jahrhundert kam es zur nationalen Wiedergeburt der Tschechen und damit zur Auflehnung gegen den Wiener Zentralismus. Aber der Prager Pfingstaufstand von 1848 gegen den Habsburger Kaiser wurde niedergeschlagen. Denn u.a. war die aufkommende Industrialisierung in den böhmischen Ländern das „industrielle Rückgrat“ des Habsburger Reiches. 1897 erlaubte die Nationalitätenverordnung den politischen Gemeinden immerhin, sich zweisprachig zu verwalten. Auch tschechisch wurde damit zur Nationalsprache. Diese Verordnung hatte allerdings nur zwei Jahre Bestand. Im ersten Weltkrieg kämpften die Tschechen trotz der Unabhängigkeitsbestrebungen loyal auf Seiten Österreich-Ungarns.

1918 jedoch nach deren Niederlage gründeten führende tschechische Unabhängigkeitskämpfer die Tschechoslowakei. Tomas Masaryk wurde erster Staatspräsident.

NS-Zeit

1938 muss es die Sudetengebiete – aufgrund einer naiven Appeasement-Politik von Chamberlain und Daladier – an Deutschland abtreten. Trotz der Zugeständnisse von Chamberlain wird nur ein halbes Jahr später im März 1939 die gesamte Tschechoslowakei von Nazi-Deutschland im Handstreich besetzt und deutscher Besatzung unterstellt. Reinhard Heydrich wurde  Reichsprotektor und galt den Tschechen als „der Henker von Prag“. Er starb an den Folgen eines Attentats, woraufhin die Nazis das Massaker von Lidice verübten und Tausende weitere Tschechen ermordeten. Heydrich hatte in Theresienstadt ein Konzentrationslager errichten lassen, das von den Nazis oft als „Altersghetto“ verklärt wurde. Aber es war eher ein Sammel- und Durchgangslager z.B. nach Ausschwitz, worüber der von den Nazis benutzte Begriff Ghetto hinwegtäuschen sollte. Ungefähr 300.000 Juden aus der Tschechoslowakei wurden ermordet. (Yad Vashem)

1945 befreien die Alliierten mit Unterstützung der tschechoslowakischen Exilarmee das Land von der NS-Diktatur. In der Nachkriegszeit wurden die rund drei Millionen Deutschböhmen und Deutschmähren ausgebürgert und vertrieben.

Kommunismus

Nach der Besetzung des Landes durch die Sowjetarmee 1945 übernahm 1948 die kommunistische Partei die alleinige Macht. Das Land wurde damit zum Satelliten der Sowjetunion. Der sog. “Prager Frühling“ von 1968, angeführt von Alexander Dubcek, der einen dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus bzw. einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ suchte, wurde von den Truppen des Warschauer Paktes brutal niedergeschlagen.

Samtene Revolution

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Václav Havel, Ondrej Slama, CC BY-SA 3.0

Am 17.11.1989 unterdrückte die Polizei mit harter Hand eine Studentendemonstration. Daraufhin kam es zu Großdemonstrationen mit bis zu 750 000 Menschen und der Gründung eines Bürgerforums als tragende Säule der „Samtenen Revolution“. Vaclav Havel, der Literat und tapfere Oppositionelle gegen die sowjetische Zwangsherrschaft in seinem Land, war nach der Befreiung ab 29.12.89 der letzte Staatspräsident der Tschechoslowakei und der erste der tschechischen Republik. Am 8.6.1990 fanden die ersten freien Parlamentswahlen statt. 1991 erfolgte der Beitritt zum Europarat und die Unterzeichnung des EG-Assoziierungsvertrages.

1992 wurde der Ökonom Vaclav Klaus Ministerpräsident. Er vertrat eine an den englischen Thatcherismus angelehnte Wirtschaftspolitik: “Marktwirtschaft ohne Adjektiv“. 1995 erfolgte der Beitritt zur OECD, 1999 zur Nato und 2004 zusammen mit anderen 9 Staaten zur EU.

2. Grunddaten

71% der Tschechen gehören laut Erhebungen keiner Religionsgemeinschaft an. Dies ist der höchste Wert in der EU, noch höher als in Frankreich mit 50,5%.

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Zdenek Fiedler, CC BY-SA 4.0

Wirtschaftsstruktur: 2019 waren 2,75% aller Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig. 37,7% arbeiteten in der Industrie. Dies ist ein vergleichsweise hoher Wert, der besonders  durch die Bedeutung der Automobilindustrie hervorgerufen ist. Die Skoda Automobil Werke haben eine lange Tradition, die bis in die Vorkriegszeit zurückreicht. Heute sind die Skoda Werke Teil des deutschen VW Konzerns.

59,6% der Beschäftigten arbeiten im Dienstleistungssektor (statista).

Die Wachstumsraten

des realen BIP waren meist positiv bis auf 2009: minus 4,7% wegen der internationalen Finanzkrise, 2012: minus 0,8% und 2020: minus 6,5% wegen der Corona Pandemie. Zum Teil waren sie sogar sehr hoch wie z. B. im Jahr 2015 mit 5,4% (statista). Das Kaufkraft-bereinigte BIP pro Kopf ist seit dem EU Beitritt ständig angestiegen. 2019 betrug es 42.670,- US Dollar und lag damit höher als das von Spanien.

2019 lag der operative Haushaltssaldo Tschechiens gegenüber der EU bei 3,52 Milliarden Euro. Tschechien ist also Nettoempfänger von EU Zahlungen. Tschechien liegt damit an 4. Stelle der Nettoempfänger hinter Polen mit 12,4 Milliarden und Ungarn mit 5,1, sowie Griechenland mit 3,7 Milliarden Euro (statista).

Die Staatsverschuldung Tschechiens lag 2020 bei lediglich 40%, ein vergleichsweise herausragender Wert!

Die Energiesituation des Landes

Im Westen des Landes gibt es Braunkohlevorkommen, im Osten solche von Steinkohle. So ist denn auch die Kohle mit 41% nach wie vor wichtigster Primärenergieträger.

Das größte Kernkraftwerk Tschechiens ist Temelin in Südböhmen. Da es sich um einen Reaktor aus der Sowjetzeit handelt, gibt es Sicherheitsbedenken, die zu Spannungen mit Österreich führen. 2018 machte der Anteil erneuerbarer Energien am Brutto Energieendverbrauch 15,2% aus (statista). In diesem Bereich hat Tschechien einen enormen Nachholbedarf, sollen die Zielvorgaben des „Green Deal“ der EU erreicht werden.

Das Riesengebirge und die „Weißen Karpaten“ gehören wie auch andere Gebiete zu den UNESCO – Biosphären Reservaten. Außerdem: Tschechien ist reich an Heilbädern  (s. Foto).

Soziale und Politische Situation

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Karlsbad, die Mühlbrunnkolonade, Bobeck Ha´Eri, CC BY 3.0

In den beiden letzten Jahren kam es immer wieder zu Großdemonstrationen gegen den Multimillionär und Ministerpräsidenten Babis. Am 24. 6. 2019 waren es 250 000 Demonstranten. Da schafft sich Gehör der Ruf nach Rücktritt wegen angenommenem Subventionsbetrugs und der Ausübung politischen Drucks auf die Justiz und die öffentlich-rechtlichen Medien. Der Verdacht lautet, dass Babis mit seinem Konzern „Agrofert“ unrechtmäßig EU-Subventionen in Millionenhöhe eingestrichen habe (Deutsche Welle online am 1 3. 2020: „Tausende protestieren in Prag gegen Ministerpräsident Babis“). Hier kann sich erweisen, ob der im Jahre 2020 beschlossene Rechtsstaatsmechanismus greifen kann, denn es geht offenbar unmittelbar um die Verwendung von EU Geldern. 2021 gab es außerdem Nachrichten über ein Luxusanwesen in Frankreich, das Babis über Strohmänner erworben haben soll.

Neuwahlen

Im Oktober 2021 haben sich fünf Oppositionsparteien zu einem Wahlbündnis zusammengeschlossen, um die Partei von Babis abzuwählen. Das ist ihnen gelungen. Allerdings sind sie bisher nicht zum Zuge gekommen, weil  Staatspräsident Zeman den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen muss, sich aber in stationärer Behandlung befindet. Aber am 17.12.2021 kam die pro europäische Fünf-Parteien Koalition ins Amt.

 

Leben und Kultur

KulturTschechien, Vltava_in_Prague, Moldaubrücken, che, CC BY-SA 2.5.jpgell ist der Komponist Anton Dvorak zu erwähnen besonders mit dem Lied an den Mond aus der Oper Rusalka sowie Bedrich Smetana mit „Die Moldau“, einer sinfonischen Dichtung.

Zu den bedeutendsten Dichtern weltweit gehört Franz Kafka. Karel Gott war u.a. mit seiner Biene Maya ein in Deutschland beliebter Schlagerstar. Er starb 2019.

Kulinarisch ist auf Svickowa hinzuweisen, auf böhmische Knödel mit Sahne und Preiselbeeren. Und das Pilsener Bier darf nicht vergessen werden.

 

Prag und seine Moldaubrücken, che, CC BY SA 2.5