Nach Art. 49 des EU-Vertrages hat jedes europäische Land das Recht, einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu stellen. Was unter „europäisch“ zu verstehen ist, bemisst sich nach politisch-kulturellen Aspekten, nicht allein nach geographischen. Dies bedeutet, dass prinzipiell alle Länder des Europarates mit 47 Mitgliedern und 820 Millionen Bürgern, (gezählt einschließlich der 445 Millionen der EU), einen Aufnahmeantrag stellen können.

EU – Der Westbalkan

In Anbetracht der Kriege nach dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawiens in den 90erJahren des vorigen Jahrhunderts ist sehr zu begrüßen, dass  Slowenien und Kroatien  bereits EU- Mitglieder sind.  Da  die erbitterten Kämpfe vorrangig entlang religiöser Grenzen als „ethnic cleansing“ stattgefunden haben,  ist jeder Schritt in Richtung EU hoffentlich ein weiterer Schritt in Richtung dauerhafter Befriedung.

Fortgeschritten sind die Verhandlungen mit Montenegro – o,6 Millionen Einwohner und mit Serbien – 7 Millionen Einwohner.

EU-candidate-countries-map, Kolja21, CCO

Serbien

Serbien hatte 2009 den Antrag gestellt. 2012 wurde es  offizieller Beitrittskandidat. Seit 2014 wird verhandelt. Von 34 Kapiteln sind 18 eröffnet. Zwei sind abgeschlossen – allerdings relativ unproblematische,  die für Wissenschaft und Forschung und für Bildung und Kultur. Wichtige wie Reformen der Justiz fehlen. Außerdem weigert sich Serbien, den Kosovo als selbständig anzuerkennen. Für die Zeit von 2014-2020 hat Serbien 1,5 Milliarden Heranführungs-Hilfen von der EU erhalten.

Serbien hat immerhin drei Kriegsverbrecher an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert: Slobodan Milozevic, den letzten amtierenden Staatschef Jugoslawiens, Radovan Karadzic und General Radko Mladic, der u.a. für das Massaker von Srebrenica von 1995 mit 8000 Ermordeten verantwortlich war. Damit hat es eine Vorbedingung für die Beitrittsverhandlungen erfüllt. Die serbische Regierung „flirtet“ allerdings immer wieder mit Russland, mit dem es traditionell und auch über die orthodoxe Kirche verbunden ist.

Zugesagt aber blockiert

sind die Verhandlungen mit Nordmazedonien – 2,1 Millionen Einwohner. Nachdem der Namensstreit mit Griechenland behoben ist, stellt sich nun Bulgarien quer.  U.a. will es Mazedonisch nicht als eigenständige Sprache anerkennen. Griechenland hatte das im Gegenzug für die Namensänderung getan. Außerdem hatte es das Land als eigenständige Nation anerkannt. Dieser Kompromiss machte auch den Weg für den NATO-Beitritt des Landes 2020 frei.

Nun erhebt Bulgarien seine Einwände und behauptet, Mazedonisch sei ein bulgarischer Dialekt. Außerdem gibt es Streit um die Zeit der gemeinsamen Geschichte. Die Forderung von Bulgarien lautet: Nord-Mazedonien soll in der Präambel zu seiner Verfassung erwähnen, Bulgaren seien eines der Völker diesen Landes.

Ergänzungen

Der angedachte Westbalkan-Gipfel  im Februar 2021 verkümmerte wegen der Pandemie zu einem Video Event. Aber die EU-Staaten haben dennoch „dem Start von Beitrittsverhandlungen mit Nord-Mazedonien und Albanien  – 2,9 Millionen Einwohner zugestimmt und damit ein Signal der Offenheit gesandt“! (Handelsblatt, 10.2.2021)

Im Mai 2024 hat – nach sieben Jahren einer sozialdemokratisch geführten Regierung – jedoch eine nationalistische Partei die Wahlen in Nord-Mazedonien gewonnen. Und sie hat Ende Juni zusammen mit kleineren Parteien eine Regierung gebildet. Sofort haben deren führende Politiker den Namensstreit neu entfacht. Bislang sind sie nicht bereit sind, die Gruppe der Bulgaren in der Verfassung zu erwähnen. Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten (AStV)hat deshalb im September 2024 weitere Gespräche im Gegensatz zu denen mit Albanien blockiert.

Ein EU-Beitritt ist nur möglich, wenn alle EU-Mitglieder einstimmig dafür sind. Und Griechenland warnt bereits.

Bosnien-Herzegowina – 3,5 Millionen Einwohner – hat einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt.

13.12.2022 Beitrittsverhandlungen mit Bosnien-Herzegowina sind eröffnet. Auf ihrem Gipfeltreffen am 14. Dezember 2023 verliehen die Staats- und Regierungschefs der EU Bosnien und Herzegowina den Status eines Beitrittskandidaten und erklärten, dass die EU Verhandlungen mit Sarajevo aufnehmen werde, „sobald das erforderliche Maß an Übereinstimmung mit den Beitrittskriterien erreicht ist.“

Mit dem Kosovo – Assoziierungsabkommen seit 2016 – gibt es noch keinen Verhandlungstermin, aber die Mehrheit der EU-Mitglieder hat das Land anerkannt. Und im Dez. 2022 hat der Kosovo einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt. Seit Januar 2024 können Kosovaren in jedes EU Land ohne Visum einreisen.

Montenegro

Mit 621.000 Einwohnern und einer Fläche von 13.900 km² ist es einer der kleinsten Staaten Europas. Die Hauptstadt ist Podgorica. Die Bevölkerung ist multiethnisch. Inoffiziell verwendet das Land den Euro als Zahlungsmittel.

Das Land grenzt im Westen an die Adria, im Norden an Bosnien und Herzegowina, im Osten an Serbien und den Kosovo und im Süden an Albanien. 2006 hat der frühere Präsident Djukanovic die ehemalige jugoslawische Teilrepublik in die Unabhängigkeit geführt. Seit 2017 ist Montenegro NATO- Mitglied. Allerdings war Djukanovic mehr als 30 Jahre Präsident und seine Regierungszeit war von Korruption, Vetternwirtschaft und Nähe zum organisierten Verbrechen gekennzeichnet.

Seit April 2023 führt der Ex-Wirtschaftsminister Jakov Milatovic das Land.  Vom proserbischen Lager unterstützt, steht er der serbisch-orthodoxen Kirche nah. Aber er gehört der neuen Partei „Europa jetzt“ an, ist für einen EU-Beitritt, aber zugleich für eine enge Anbindung an Serbien. Seit 2007 hat Montenegro ein 2010 in Kraft getretenes  Stabilisierungs- und Assoziierungs-Abkommen mit der EU. Seit 2010 hat es auch den Status als Beitrittskandidat. Laut EU-Länderbericht von 10/2021 hat das Land „grundsätzlich eine gute Entwicklung in zahlreichen Feldern“ gemacht. Defizite bestehen demnach noch im Bereich der Presse- und Meinungsfreiheit.

Ein Kommentar zu einem guten Beitritts-Zeitpunkt

Ein derzeit (2024) in Boston (USA) lehrender hochrangiger Montenegriner, Prof. für internationale Beziehungen Vesko Garčević, schreibt dazu:

„Die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft ist nach wie vor die mächtigste ´Währung` Brüssels. Wenn das Ziel klar definiert ist, entspricht die Reaktion des Beitrittskandidaten den Erwartungen. Der Fall von Montenegro bestätigt dies.“ Er bezeichnet die Unterstützung über lange Jahre als lauwarm und entsprechend die Bemühungen um Beitritt ebenso. Doch der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine habe das Denken der EU stark verändert. Allerdings rückten nun – bevor weitere 10 vor der Tür Wartende eintreten könnten – die Fragen der Reform der EU bezogen auf ihre Regierbarkeit in den Vordergrund. Aber auch früher schon wären jeweilige Beitritte aus Süd-Europa anfangs immer mit Skepsis begleitet worden. Und sie hätten auch Zeit und Mühe gekostet. Aber keine dieser Entscheidungen habe sich als schädlich für das EU-Projekt, sondern im Rückblick jeweils als richtig erwiesen. Und so könne, meint er die Aufnahme dieses kleinen Landes zu einem jetzigen frühen Zeitpunkt „die Vitalität der EUerweisen. 

Aber auch wenn es insgesamt nur langsam vorangehen sollte:

Was die EU auf dem Balkan an Befriedungs – und Friedenspolitik leistet, ist  nicht hoch genug einzuschätzen.

Allerdings: auch China gewinnt auf dem Balkan an Einfluss. Ökonomen mahnen die EU deswegen, Corona Hilfen finanziell großzügiger fließen zu lassen als bisher geplant, bzw. in diesem Fall, nicht zu warten, bis die EU notwendige Reformen vollzogen hat.

 

Die Ukraine

Während des russischen  Angriffskrieges auf das Land, der am 24.2.2022 begann, und während das Land sich entschlossen und mutig verteidigte und es ihm im Osten zum 2. Mal gelang, die Angreifer zurück zu schlagen, entschied die EU am 23.6.2022 der Ukraine sowie der Republik Moldau den Status eines Beitrittskandidaten zu gewähren.  Am 25. 6. 2024 beginnen mit beiden Staaten die offiziellen Beitrittsverhandlungen.

Der Beitrag über die Ukraine ist noch unter dem nächsten Punkt:      Der EU verbundene Staaten      C. Assoziierte Staaten       zu finden.

 

Republik Moldau (Moldawien)

 

Perconte, CC BY-SA, 2.0.de

Seit dem von Russland ausgehenden Aggressionskrieg gegen die Ukraine ist das kleine ganz am Rande des West-Balkan liegende Gebiet Moldawien quasi über Nacht in den Blick der europäischen Öffentlichkeit gerückt worden. Denn der Staat ist im Norden, im Osten und im Süden von der Ukraine umschlossen und war mit vielen Grenzübergängen für viele ukrainische Flüchtlinge besonders gut erreichbar.

Die Republik Moldau ist ein Binnenstaat in Südosteuropa, der seit 1991 eigenständig ist. Im Westen  grenzt der Staat  mit dem Fluss Pruth in voller Länge, das sind fast 700km  an das EU Mitgliedsland Rumänien. In einem nur ca. 400 Meter breiten Streifen grenzt Moldawien an die Donau. So kann es an der Schifffahrt bis ins Schwarze Meer und ggfs. darüber hinaus  teilhaben.

Die offizielle Sprache ist seit der Selbständigkeit Rumänisch. 2020 lebten  2,618 Millionen Einwohner in dem Land. Sie sind zu 98% russisch-orthodox. Die Hauptstadt ist Chisinau. Die Republik ist nicht zu verwechseln mit der Region Moldau, die in Rumänien liegt.

 

Probleme

a) Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24.2.2022 hat die kleine und arme Republik Moldau in den ersten Kriegsmonaten proportional pro Einwohner weit mehr ukrainische Flüchtlinge aufgenommen als jedes andere europäische Land. Die Zahl belief sich anfangs auf über eine halbe Million. Viele davon konnten jedoch in europäische Länder reisen. ( https://www.proasyl.de/news  reisen.)

b) Ein im Osten gelegener Teil des Landes, östlich des Flusses Dnister heißt Transnistrien. Der Konflikt um diesen schmalen Landesteil belastet sehr die noch magere wirtschaftliche und auch die gesellschaftliche Entwicklung, vgl. dazu weiter unten.

c) Die Kraftwerke des Landes liegen in Transnistrien und werden mit Gas betrieben, das aus Russland kommt.

 

1. Die wechselvolle Geschichte

Im Altertum vermischten sich römische Siedler mit den Dakern, sodass eine dako-romanische und später eine rumänische Kultur entstand. 1349 gründete Fürst Bogdan das unabhängige Fürstentum Moldau, genannt nach dem (heute in Rumänien liegenden Fluss Moldava).    1512 wurde es von den Osmanen besiegt und existierte  300 Jahre nur als Vasallenstaat der türkischen Muslime.

Als Folge des türkisch-russischen Krieges 1787-1792 musste das Osmanische Reich alle bisherigen Besitzungen östlich des Flusses Dnister an das Zarenreich abtreten. Nach dem weiteren russisch-türkischen Krieg von 1806-1812 musste ein erweitertes Bessarabien – ein Gebiet im Osten Moldawiens – Teil des russischen Zarenreiches werden.

Die neuere Geschichte

Nach dem von Russland verlorenen Krimkrieg von 1853-1856 wurde das Fürstentum Moldau gemäß dem Vertrag von Paris wiederhergestellt unter der Kollektivgarantie der sieben Unterzeichnerstaaten. Das waren u.a. das Osmanische Reich, Frankreich, Großbritannien und Russland. Ab 1859 kamen die Donaufürstentümer Moldau und Walachei verstärkt unter rumänischen Einfluss.

1918 besetzten rumänische Truppen das Gebiet westlich des Dnister. Am 27.3.2018 erklärte das moldauische Parlament die Unabhängigkeit von Russland und der Ukraine. Es stimmte stattdessen für die Vereinigung mit Rumänien.

Sowjetische Herrschaft

Aoleuvaidenoi, gemeinfrei, via wikimedia commons

Aoleuvaidenoi, gemeinfrei, via wikimedia commons

Nach der Pariser Konferenz von 1919 fielen die Gebiete (ohne Bessarabien) als Moldauische Autonome Sozialistische Republik an die Sowjetunion.

Entsprechend dem Hitler-Stalin-Pakt wurde das zu Rumänien gehörende Gebiet Bessarabiens mit der nördlichen Bukowina  1940 von der Roten Armee besetzt und von der Sowjetunion annektiert.

1941 besetzten deutsche und rumänische Truppen die sowjetische Moldauische SSR.

Dadurch erhielt Rumänien Bessarabien und die nördliche Bukowina zurück. Nazi-Deutschland rief alle Bessarabien-, Bukowina- und Dobrutscha-Deutschen zur Umsiedlung auf. Ungefähr 100-150.000 wurden daraufhin überwiegend im Warthegau und in Westpreußen angesiedelt.

Nach dem Ende der Sowjetunion

Mitte der 1980er Jahre keimte eine Nationalbewegung der Rumänen in der Moldauischen SSR auf. 1989 wurde daher im Zuge der Unabhängigkeitsbewegung Russisch als 1. Amtssprache abgeschafft und die Wiedereinführung der rumänischen Sprache in lateinischer Schrift beschlossen.

1991 wurde aus der Moldauischen SSR die unabhängige Republik Moldau und Rumänisch wurde die Amtssprache.

In überwiegend  von ethnischen Minderheiten bewohnten Gebieten, insbesondere in dem sich östlich des Flusses Dnister entlang ziehenden Transnistrien sowie im kleinen südwestlich mitten im Land gelegenen Gagausien, kam es u.a. deshalb kurz darauf zu Massenprotesten gegen die Zentralregierung in Chisinau und zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit ungefähr 1000 Toten.

Die Folge war die de-facto Unabhängigkeit des Landesteils Transnistrien. Im Gegensatz dazu konnte Gaugasien 1994 friedlich wieder mit Moldawien vereint werden.

Transnistrien

TUBS, CC BY-SA 3.0

Dieser Teil Moldawiens ist 500 km lang und besonders schmal. Er hat nur knapp 400 000 Einwohner. Der größte Teil davon, ca. 30% sind Moldauer, knapp ebenso viele sind Russen und 29 % Ukrainer.

Auch dieser Landesteil hat eine sehr wechselvolle Geschichte.  Nach dem Einfluss der Skythen und Draker  siedelten hier im frühen Mittelalter slawische Stämme. Das Gebiet gehörte zeitweise zum Kiewer Rus und wurde kurzzeitig von den Mongolen beherrscht.

Teile des heutigen Transnistien gehörten im 15. Jahrhundert zu Polen-Litauen, andere Teile zum Kanat Krim und zum Hetmanat der Kosaken.

Später war Transnistrien Teil des rumänisch geprägten Fürstentums Moldau, das mit dem Osmanischen Reich verbunden war.

Russland taucht auf

1792/93 wurde das Gebiet Transnistrien durch das russische Zarenreich erobert und wurde dadurch Teil von „Neurussland“. Es folgte die Ansiedlung von Russen und Ukrainern.

Nach Ende des 1. Weltkrieges wurde dieses Gebiet Teil der Ukrainischen Teilrepublik innerhalb der UDSSR.

Nach 1941 eroberten deutsch-rumänische Truppen auch Transnistrien. Ein Großteil der jüdischen Bevölkerung  – ca.      250 000 bis 300 000 – , sowie die Roma (zum Teil aus Rumänien dorthin verschleppt) wurden deportiert und ermordet. Neuerdings gibt es eine Comic-Geschichte von Miriam Libicki, die den Überlebenskampf des deportierten Zweitklässlers David Schaffer in den Wäldern Transnistriens illustriert. (Barbara Yelin u.a. Aber ich lebe. Vier Kinder überleben den Holocaust, C.H.Beck 2022)

Nach 1945 gehörte auch Transnistrien wieder zur Sowjetunion.

Streit zwischen der Republik Moldau und dem Teilgebiet Transnistrien

Der Streit entzündete sich u.a. daran, dass die seit 1991 selbständige Republik Moldau entschied, dass die offizielle Landes-Sprache künftig rumänisch und nicht mehr russisch sei. Dadurch beruht nicht nur das gesprochene Wort, sondern auch das geschriebene statt auf dem kyrillischen auf dem anderen Alphabet, dem lateinischen. Auch beherbergte dieser östliche Teil des Landes proportional wohl weit mehr Angehörige der sowjetischen Nomenklatura. Und so griff Russland militärisch in die Auseinandersetzungen ein. Seit diesem Sezessionskrieg gegen die Zentralregierung von Moldawien gibt es geschätzt 10 000 Soldaten in Transnistrien. Wohl 1500 davon sind russische Soldaten, die die Munitionsdepots überwachen und 500 sog. russische Friedenstruppen. Unter dem russischen General Alexander Lebed wurde der „Unabhängigkeitskrieg“ beendet.

Warum der Konflikt seitdem schwelt

Die Republik Moldau will auf das Teil-Gebiet keinesfalls verzichten, weil dort besonders die Industrie des Landes angesiedelt ist, wie u.a. die Stahl-, Textil- und Schuhindustrie, sowie das mit Gas betriebene Kraftwerk, das den Löwenanteil des Stroms für die Republik Moldau liefert.

Transnistrien ist völkerrechtlich nicht als unabhängiger Staat anerkannt und somit weiterhin Teil der Republik Moldau. In den 30 Jahren seit den kriegerischen Auseinandersetzungen sind zahlreiche Initiativen zur Lösung des Konfliktes gescheitert.

Die gegenwärtige Verfassung Transnistriens wird bewertet als „Mafia Staat von Putins Gnaden“.

Ein Bericht des EU-Parlaments hält Transnistrien „für ein schwarzes Loch, in dem Waffen, Drogen und Menschen gehandelt werden und Geld gewaschen wird“.

Es ist zu hoffen, dass im Zuge eines EU Beitrittsverfahrens für Moldawien die russischen Truppen aus Transnistrien abziehen und dass endlich eine Lösung für den Konflikt gefunden wird.

 

2. Grunddaten

Die Republik Moldau ist noch eins der ärmsten Länder Europas.

Der Anteil der Land- und Forstwirtschaft – insbesondere Weizen und Weinanbau geht zwar spürbar zurück, betrug am BIP 2020 aber noch 9,6%,  der der Industrie – insbesondere elektronische Erzeugnisse wuchs auf 23%. Der Anteil  des Dienstleistungssektors liegt inzwischen bei 54,5% (Quelle Statistisches Bundesamt).

Ein großes Problem: Moldawien ist  bisher  zu 100% abhängig von russischen Gasimporten. Da die neue europafreundliche Regierung der Republik den russischen Aggressorkrieg verurteilt, reduzierte jedoch Gazprom die Lieferungen im Okt. um 30%. Im November sollen es nochmal 40% weniger sein und Russland droht auch mit einem vollständigen Lieferstopp. Demonstranten gegen die Inflation bzw. gegen die prowestliche Regierung erhalten dagegen 20.-€ pro Tag auf der Straße – angeblich von prorussischen Parteien.

2021 betrug das Bruttoinlandsprodukt insgesamt 14 Milliarden US Dollar, gleich 5 285 US Dollar je Einwohner. In Deutschland sind es bezogen auf das gleiche Jahr 42 918 US Dollar  pro Einwohner.

Die Handelspartner

Haupthandelspartner beim Export ist vor allem Rumänien (26,5%). Die Türkei folgt mit 10%, die Russische Föderation mit (8,8%). Deutschland (7,8%) und Italien (7,6%) liegen fast gleich auf. Beim Import sieht die Bilanz anders aus. Haupthandelspartner ist die Russische Föderation (14,7%), gefolgt von China (11,7%) und Rumänien (11,6%). Danach kommen  die Ukraine (9,3%) und Deutschland (7,6%).

Der Human Development Index (HDI) betrug für Moldawien 2019 Rang 90 von 188 Staaten – je kleiner die Zahl, um so besser ist das Land entwickelt.

 

3. Eine europäische Perspektive (mit Ergänzung vom April 2023)

2009 trat die Republik Moldau der von der EU geförderten Östlichen Partnerschaft bei. Ab 2016 gab es dann ein EU- Assoziierungsabkommen mit dem Ziel, eine umfassende Freihandelszone zu etablieren.

Seit dem 23.6.2022 ist Moldawien zusammen mit der Ukraine ein weiterer Beitrittskandidat. Die Bürger:Innen Moldawiens konnten aber schon vorher visafrei in die Länder der EU reisen.

Nach wie vor gibt es allerdings auch Bestrebungen im Land, dass sich Moldawien dem EU Mitgliedsland Rumänien anschließen soll. (Quelle, Wikipedia)

Seit Amtsantritt der proeuropäischen Präsidentin Maia Sandu 2020 hat das Land großzügige europäische Finanzunterstützung bekommen. Sie hat nun die Bevölkerung aufgerufen, sich im Mai  auf dem großen Platz in der Hauptstadt zu versammeln, um  f ü r  Europa zu demonstrieren. Dies hatten sie schon mehrfach, u.a. bei der Ausrufung der Unabhängigkeit von der Sowjetunion getan: „Ich rufe zu diesem Schritt auf, weil in kritischen Momenten wichtige Entscheidungen nicht nur von Politikern getroffen werden. Große Entscheidungen werden von den Menschen in den Großen Nationalversammlungen getroffen“, sagte sie. „Die Zeit ist gekommen, dass die Moldauer zeigen, dass wir ein Volk sind, das Demokratie und Frieden verteidigen kann. … Wir sind Europäer.

 

4. Kultur

Die vielen verschiedenen, noch heute sehr ansehnlichen Klöster sind die Wiege der moldawischen Kultur.

Die Menschen in Moldawien feiern gerne und ausgiebig. Eine typische Hochzeitsfeier dauert oftmals über 24 Stunden und die Hochzeitsgesellschaft besteht nicht selten aus über 250 geladenen Gästen.

Eine besondere Leckerei ist Placinta. Das sind Kuchen mit verschiedenen Füllungen, besonders verschiedenen Käsesorten. Hamalija ist das Symbol der moldawischen Küche: es handelt sich um ein Gericht auf der Basis von Maismehl.

Musik

USSR-Briefmarke von 1991 (Mariluna). gemeinfrei

USSR-Briefmarke von 1991 (Mariluna). gemeinfrei 

Musik scheint als Volksmusik und Hirtenmusik bis heute eine große Rolle zu spielen, besonders bei jahreszeitlichen Festen. Sie ist von den verschiedenen Kulturen beeinflusst, deren Herrscher die Region regierten.

Die abgebildete Briefmarke zeigt die Instrumente, die für die moldauische Musik besonders typisch sind: fluier (Flöte), cobsa (Knicklaute), cimpoi (Sackpfeife), nai (Panflöte) und timbal (Hackbrett).

 

Berühmtheiten

Zu den berühmten Moldauern gehören u. a. Maria Cebotari (1910-1949). Sie war Opernsängerin u. a. an der Wiener Staatsoper. William Frederick Friedmann (1991-1961) war ein Kryptologe, der vor Beginn des 2. Weltkrieges codierte Nachrichten für den US Geheimdienst entschlüsselte. Lewis Milestone (Lev Milestone, 1895-1980) war ein Filmregisseur. Dieser moldauische Jude siedelte noch vor Ausbruch des 2. Weltkrieges in die USA über und machte in Hollywood Karriere. Er erhielt je einen Oscar für die Filme „Weltenbummler“ und „ Im Westen nichts Neues“.

Quellen, Wikipedia, Republik Moldau etc., Transnistrien, etc., Das Parlament Nr. 46/47 und div. Links

Die Türkei

Die Türkei 2019 mit  83,2 Millionen Einwohnern wurde  1923 als laizistischer Staat als Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches gegründet. Sie ist heute ein islamisches Land. Sie ist Mitglied der Nato, der OECD, der G 20 und des Europarates. Die Türkei ist seit 1999 Beitrittskandidat. Die Beitrittsverhandlungen begannen im Oktober 2005, stocken aber. Von insgesamt 33 abzuarbeitenden Kapiteln sind bis heute (2021) 18 eröffnet. Aber nur ein Kapitel ist erfolgreich abgeschlossen, nämlich das zu Wissenschaft und Forschung. Für die Zeit von 2007-2020 waren EU-Heranführungs-Hilfen in Höhe von 9 Milliarden Euro vorgesehen. Der Europäische Rechnungshof hat in einem Sonderbericht aus dem Jahr 2018 festgestellt, dass die EU Kommission die Hilfen sehr gut konzipiert hat. Allerdings haben  diese lediglich begrenzte Effekte  in der Türkei im Sinne eines Fortschritts in Richtung Beitrittsfähigkeit, so der Bericht.

Die Kritik an der Türkei bezieht sich auf folgende Punkte:

Enblem der Türkei, Kaygtr, Public Domain

– 97% des Landes liegen in Klein-Asien jenseits des Bosporus                                                                                      Im Flughafen Istanbul weisen die Schilder auf Flüge „nach Europa“ und andere Erdteile hin,                                Das ist ein Hinweis auf die Selbst – Kennzeichnung der Türkei.

– Die Außengrenzen der Türkei sind instabil: Die Türkei grenzt an Syrien, den Irak und den Iran.

 

– Der Zypernkonflikt ist ungelöst: seit 1974 hat die Türkei den Nordteil der Insel völkerrechtswidrig besetzt.

– Der Konflikt mit Griechenland um die Rechte für Öl- und Gasbohrungen im Mittelmeer schwelt.

– 2018 unternahm die Türkei eine Militäroffensive auf syrischem Gebiet gegen dort sesshafte Kurden.

– Die Weigerung der Türkei, das Vorgehen gegen Armenier 1915/16 als Völkermord anzuerkennen;                                                                                                                                  – die Opferzahlen schwanken zwischen 300 000 und 1,5 Millionen –

– dazu gehört das Vorgehen gegen Länder, die den Genozid mit Recht als solchen qualifizieren.

Forderungen an die Türkei

Am 12.10.2006, 90 Jahre nach dem Geschehen hat das französische Parlament beschlossen, die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern unter Strafe zu stellen. Das Europäische Parlament hat am 15.4.2015 in einer Resolution die Türkei aufgefordert, den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen. Die Beziehungen zu Armenien sollten  normalisiert werden. Nun 100 Jahre nach dem Genozid,  sollte die Türkei die Grenzen   öffnen, u. a. damit die Armenier endlich wieder den ihnen heiligen Berg Ararat besuchen können. Der Deutsche Bundestag hat am 2. Juni 2016 fast einstimmig eine Resolution beschlossen, die ausdrücklich von Völkermord spricht. Bundeskanzlerin Merkel, Vizekanzler Gabriel und Außenminister Steinmeier haben jedoch nicht an der Debatte teilgenommen. Aber die Türkei lehnt all dies nach wie vor ab.

Aussetzen der Gespräche

Das EU Parlament hat sich am 24.11.2016 mehrheitlich für das Einfrieren der Beitrittsgespräche mit Ankara ausgesprochen.

2018 stellt die EU Kommission in ihrem Beitrittsreife-Bericht in Bezug auf die Türkei fest: Es gebe schwerwiegende Rückschritte bei der Rechtsstaatlichkeit, der Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz. „Die Türkei hat sich mit großen Schritten von der EU entfernt. … Unter den jetzigen Umständen wird nicht daran gedacht, neue Kapitel in den Beitrittsverhandlungen zu öffnen“.

Österreich tritt für den Abbruch der Beitrittsgespräche ein. Ein Beitritt benötigt die Zustimmung aller 27 Mitgliedsländer.

Die EU hat 2016 einen Flüchtlingspakt mit der Türkei geschlossen: Gegen die Zahlung von 6 Milliarden Euro behält die Türkei syrische Flüchtlinge im eigenen Land zurück. Damit hat die Türkei ein gewisses Erpressungspotential in Händen. Schon einmal hat sie versucht, Flüchtlinge nach Bulgarien und Griechenland auf dem Landweg abzuschieben, aber ohne Erfolg.

Fazit

Solange Präsident Erdogan in der Türkei an der Macht ist, solange er das Ziel verfolgt, das Osmanische Reich wiederherzustellen –  wie man z.B. an der türkischen Einmischung in den Krieg in Lybien sieht –  solange kann es keine Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen geben. Die EU hat genug Probleme mit der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit bei allen ihren Mitgliedern. Mit einer Mitgliedschaft der Türkei würde sie ihren Charakter als gemeinsamer Binnenmarkt und Wertegemeinschaft verlieren.