Katastrophale Entscheidung des EU-Parlaments
Monatelanges Ringen ist durch die Entscheidung heute beendet. Das Klima ist der große Verlierer.
328 Mitglieder des EU-Parlamentes haben engagiert gegen den Vorschlag der Kommission gestimmt, die fossilen Energien als klimafreundlich einzustufen. Um den Kommissionsentscheid abzulehnen, hätte es 353 Stimmen gebraucht, also 25 mehr. Leider haben sich 33 der 705 Parlamentsmitglieder der Stimme enthalten.
Im Vorfeld große Hoffnungen
Der Umwelt- sowie der Wirtschaftsausschuss hatten die Pläne der Kommission im Vorfeld in der vorliegenden Form abgelehnt. Und die Zivilgesellschaft hatte viel Kraft aufgewendet, die Abgeordneten zu beeinflussen.
Aber wieder einmal haben sich die Lobbyverbände der fossilen Energiewirtschaft sowie bestimmter Staaten (z.B. Frankreich) durchgesetzt.
Da Investitionen in die überholten und klimaschädlichen Technologien jetzt als förderungswürdig gelten, wird viel Geld fehlen, das dringend in den Ausbau der Erneuerbaren Energien fließen müsste. Und vor allem: die Taxonomie verliert durch diese Entscheidung die Glaubwürdigkeit.
Nur noch Klagen könnten helfen
Zwar könnte eine Mehrheit von Staaten die gefallene Entscheidung im Rat der EU ablehnen. Das gilt jedoch schon jetzt als aussichtslos. Denn es gibt viele Staaten, die auf Atomkraft setzen. Angeblich sei eine neue Generation von Meilern „todsicher“.
Aber z.B. Österreich hat sich bereits entschlossen und ist darauf vorbereitet, gegen die Entscheidung zu klagen. Luxemburg will sich anschließen. Die Begründung der Umweltministerin von Österreich: „Sie ist weder glaubwürdig, ambitioniert noch wissensbasiert, gefährdet unsere Zukunft und ist mehr als verantwortungslos.“ Österreich liegt im europäischen Vergleich weit vorne mit den Erneuerbaren. Denn es gewinnt einen hohen Anteil seiner Energie aus Wasserkraft, baut aber auch die Windkraft vermehrt aus.
Aber zunächst mal werden die fatalen Taxonomie-Regeln ab 2023 für den Finanzmarkt gelten. Ein Gerichts-Urteil dagegen dürfte vermutlich lange auf sich warten lassen.
Okt. 2022 Klage eingereicht
Österreich hat fristgerecht eine Nichtigkeitsklage vor dem EuGH eingereicht, bevor die Regeln im Januar 2023 in Kraft traten. Die ö. Klimaschutzministerin L. Gewessler sagte bei der Pressekonferenz dazu: „Zur Erinnerung: Die EU-Kommission hat in einer Nacht-und Nebel-Aktion kurz vor Mitternacht am Silvesterabend 2021 einen ergänzenden delegierten Rechtsakt zur Taxonomie verschickt.“
In der Begründung zur Klage heißt es u.a.: „Der veröffentlichte delegierte Rechtsakt entspricht nicht den rechtlichen Grundlagen, die die Taxonomie-Verordnung vorsieht. Es liegt nicht im Kompetenzbereich der Europäischen Kommission eigenständig so weitreichende und politisch sensible Entscheidungen zu treffen – die Einstufung von Atomkraft und Erdgas als ökologisch nachhaltig ist aber eine weitreichende Entscheidung. Zudem wurden verfahrenstechnische Vorgaben, wie die erforderliche Folgenabschätzung, die Konsultation der Öffentlichkeit sowie die rechtzeitige Konsultation der Mitgliedstaaten, nur unzureichend erfüllt.“ (Hervorh. v.d. Verf.)
Und: „Kernenergie erfüllt die Vorgaben der Taxonomie-Verordnung nicht, darunter ein ganz zentrales Kriterium: Nach dem sogenannten „do no significant harm“-Prinzip dürfen grüne Wirtschaftsaktivitäten keine signifikanten Umweltschäden anrichten. Reaktorunglücke wie Tschernobyl oder Fukushima mit ihren enormen Schäden an Umwelt und Mensch zeigen das genaue Gegenteil.“
Greenpeace Deutschland
und sieben weitere Greenpeace Länderbüros haben im April 2023 Klage eingereicht. Sie haben nicht die Berechtigung direkt zu klagen. Vorher müssen sie Widerspruch einlegen. Die Kommission hat den Widerspruch im Februar 2023 zurück gewiesen. Erst dann war der Weg zur Klage frei. Unterstützt wird die Klage von Greenpeace von der renommierten Umwelt-Anwältin R. Roda Verheyen.
Sie hat bereits die Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht gewonnen und schreibt über diese Klage: Mit ihr zeigen wir, „dass die EU-Kommission schlicht keine Ermächtigung des EU-Gesetzgebers hat, fossiles Gas und Atomkraft als nachhaltig zu labeln. Die EU-Kommission verstößt damit sogar gegen den Grundgedanken der Taxonomie Verordnung: Nur sehr wenige Technologien sollen danach das grüne Label erhalten – und gerade Atomkraft ist weder eine Hilfe bei der Transition zur Treibhausgasneutralität noch frei von erheblichen Umweltrisiken.”
Veröffentlichen darf Greenpeace seine Klage nicht, vermutlich erst nach Ende des Verfahrens. Die Hoffnung ist, dass die Klagen 2024 verhandelt werden.
Weitere Quellen: BNW-Newsletter 7/2022, Tagesschau.de, Der Tagesspiegel, fridays for future.de