Push für die Rettung des Klimas
Zwar ist dies keine Nachricht aus der EU, bzw. vom EuGH, sondern vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Aber für das Klima in Europa (und in der Welt) könnte ein Urteil sehr bedeutend werden. Es könnte im Sinne eines zügig umzusetzenden Green Deals in Europa und darüber hinaus wirken.
Sechs Kinder und Jugendliche aus Portugal haben 2017 die verheerenden Waldbrände in ihrem Land erlebt und den grausamen Feuertod von 110 vom Feuer eingeschlossenen Menschen. Die Kinder haben Klage erhoben gegen Deutschland und 32 andere europäische Staaten, auch gegen Russland und z.B. die Türkei. Ihr Vorwurf ist, diese Staaten hätten den Klimawandel verschärft und damit die Zukunft ihrer Generation gefährdet. Die 33 Staaten müssten ihre nationalen Klimaziele höher setzen. Und sie sollen „die von ihnen und ihren international tätigen Konzernen weltweit verursachten Emissionen reduzieren“. Das sind die Ziele der Klage.

EGMR in Straßburg, das Gebäude symbolisiert die Waage der Justitia, CherryX, CC BY-SA 3.0
Sensation: Die Klage ist angenommen
Der EGMR teilte mit, „man werde der Beschwerde wegen der Wichtigkeit und Dringlichkeit der aufgeworfenen Fragen Priorität einräumen“. (DW, 30.11.2020) Die Entscheidung des Gerichts, die Klage anzunehmen, darf mit Fug und Recht als Sensation bezeichnet werden. Denn normalerweise nimmt der EGMR keine direkte Klage an. Zunächst haben die Kläger in der Regel vor inländischen Gerichten bis hinauf zu den höchsten Instanzen zu klagen.
Diese Klage zielt auf Art. 2 und 8 der Europäischen Menschenrechts-Konvention. Dort geht es um das Recht auf Leben und auf das Privat- und Familienleben.
Das Gericht wies mittlerweile auch den Antrag aller Staaten dagegen zurück! Die 33 beklagten Staaten halten die Klage für unzulässig. Deutschland auch u.a. weil die Klage sich auf die Verantwortlichkeit gegenüber Territorien bezieht, für die die deutsche Gesetzgebung an sich nicht zuständig ist.
Weshalb kommt dieser Entscheidung solche Bedeutung zu?
Der Europarat hat den EGMR 1959 gegründet. Seit 1998 kommt ihm eine hohe Bedeutung zu. Seitdem ist er ein ständiges Gericht und tagt ganzjährig. Er ist mit 47 hauptberuflichen Richtern besetzt, einem pro Mitgliedsstaat. Sie unterliegen höchsten Anforderungen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates wählt sie nach strengen Auswahlverfahren. Sie haben eine einmalige Amtszeit von 9 Jahren.
Was ist eine Menschenrechts-Beschwerde?
Der Europarat hat die Konvention der Menschenrechte 1949/50 ausgearbeitet und 1953 in Kraft gesetzt.
Die Individual-oder Menschenrechts-Beschwerde ist das bedeutendste Instrument des Menschenrechts-Schutzes. Der Anwendung dieser Klage liegt die Behauptung zugrunde, in einem Recht aus der Konvention der Menschenrechte verletzt worden zu sein.
Der EGMR müsste nun – wohl erstmals – die extraterritoriale Zuständigkeit bejahen. Er muss dann klären, ob Schutzpflichten verletzt worden sind. Dann muss wohl abgewogen werden, ob jeder Staat das Seine tut, um seinem Anteil an der Bekämpfung des Klimawandels gerecht zu werden. Es geht dabei damit nicht nur um die intergenerationelle Verantwortung, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil verlangt hat. Sondern es geht hier weit darüber hinaus um die globale Verantwortung der einzelnen Regierungen (Nora Hertz, 9.6.2021).