Ausgangslage
1992 wurde die Flora-Fauna-Habitat – Richtlinie (FFH) der EU erlassen. Zwar sind wohl viele schützenswerte Gebiete in Deutschland benannt worden (mehr als 4500), um ein „Natura-2000 Netzwerk“ zu schaffen. Angestrebt wird eine Vernetzung diverser Schutzgebiete. Die Verpflichtung lautet, „Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen“. Aber deren Schutz ist nur möglich, wenn konkrete Schutzziele und „gebietsspezifische Erhaltungsziele sowie entsprechende Erhaltungsmaßnahmen“ festgelegt werden.
Ziel der FFH-Richtlinie
Die Biodiversität soll geschützt bzw. wiederhergestellt werden. Das ist nun besonders dringlich, weil die EU im Mai 2020 eine umfassende Biodiversitäts-Strategie angenommen hat. Bis 2030 soll diese dem Green Deal zum Durchbruch verhelfen. Dabei geht es darum, die Erholung der gebeutelten Vielfalt auf den Weg zu bringen. Es geht auch um die Durchsetzung der bisher nur angedachten Schutzgebiete.
Weshalb die Klage – jetzt?
Die Umsetzungsfrist für all die oben genannten Schritte ist bereits „vor mehr als 10 Jahren“ abgelaufen. Schon 2015 hat die Kommission deshalb ein Vertrags-Verletzungs-Verfahren (VVV) gegen Deutschland eröffnet. 2019 hat sie – nach intensiven Gesprächen – ein ergänzendes Aufforderungs-Schreiben und 2020 nochmal eine ausführliche begründete Stellungnahme geschickt.
Welche Tiere besonders betroffen sind
Seit langem weist z.B. der NABU (Naturschutzbund) darauf hin, dass Rebhuhn und Kiebitz fast ausgestorben sind. Aber was ist mit der Lerche? Wir haben seit Jahren keine mehr gesehen oder gehört. Und die Imker sehen erneut die Wild- und Honigbienen in Gefahr, weil auf den Zuckerrüben-Feldern bis Ende April „gebeiztes Saatgut“ ausgebracht werden darf. Das ist mit Glyphosat gegen Blattlausbefall behandeltes Gut. So können noch unzählige weiterer Fälle bedrohter Natur benannt werden.
Warum die Kommission so spät reagiert
Die Generaldirektion Umwelt ist zuständig für alle Fragen, die mit Natur und Umwelt zusammenhängen. Das sind Natur- und Tierschutz, Luft- und Wasserqualität, Lärmschutz und Abfall.
Auf Nachfrage der Grünen ist bekannt geworden, dass diese Generaldirektion 23 Mitarbeiter*innen hat. Diese sind zuständig für alle 27 EU-Länder. Sie müssen für die Umsetzung der gesamten Umwelt-Gesetzgebung der EU sorgen. Mehr als 400 VVV gegen Mitgliedsstaaten sind im Umweltbereich offen.
Zu viel Bürokratie in Brüssel
Die Behörde ist also hoffnungslos unterbesetzt! Das Gerede von der überbordenden Brüsseler Bürokratie erweist sich erneut als perfide Ablenkung davon, dass den Mitgliedsstaaten viele der guten und zukunftsweisenden Gesetze oder Richtlinien aus Brüssel zu fortschrittlich sind.
Bleibt zu hoffen, dass der Kommissionsvize und Kommissar für Klimaschutz, Frans Timmermanns genug Durchsetzungskraft entwickelt, um das Personal schnell aufzustocken. Dann kann die Kommission hoffentlich mehr Umsetzungsdruck aufbauen.
Und die Reaktion aus Deutschland ?
In den Abendnachrichten ist zu hören: Die Forderungen gingen „sowohl Bund als auch Ländern rechtlich zu weit“. Die Umsetzung sei ein „immenser finanzieller und verwaltungstechnischer Aufwand“ erklärte das ? . ? Nicht zu fassen: Es ist das Umweltministerium, das diese Erklärung abgegeben hat.
(Quellen: EU-Kommission; Spiegel ; NABU ; ZDF ; Natura 2000)