Die EU will mit der Verordnung ihre Klima- und Digitalziele erreichen
Zu diesem Zweck muss Europa sich um die Förderung, Verarbeitung und Rückgewinnung kritischer Rohstoffe vor Ort bemühen, sowie um sichere Lieferketten. Dafür hat die Kommission ein Gesetz zu den kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act)vorgelegt, das nun am 18.3.2024 alle Gremien verabschiedet haben. Die europäischen Staaten sollen damit konstant und nachhaltig mit den zukunftsträchtigen Rohstoffen versorgt sein. Die Vorgaben des Gesetzes sollen helfen, das Risiko einer Unterbrechung durch feindliche Akte oder sonstige Hindernisse wie z.B. Lieferschwierigkeiten, Blockaden von Seewegen etc. zu minimieren. Denn diesen kritischen Rohstoffen kommt in einer Wirtschaft, die immer mehr auf Erneuerbare Energien umstellt, eine zunehmend wichtigere Bedeutung zu. Und das Gesetz soll die bisher hohe Abhängigkeit von außer-europäischen Lieferanten bzw. einzelnen Staaten, vor allem China verringern. Stattdessen will die EU sich versorgungstechnisch breiter aufstellen. Zu diesem Zweck will die EU strategische Partnerschaften – z.B. mit Kanada, aber auch mit südamerikanischen Staaten weiter ausbauen.
Um welche Rohstoffe es für welche Produkte geht
Lithium, Kobalt und Nickel brauchen die Firmen für die Batterieherstellung. Für Solarpaneele benötigen sie Gallium. Zum Ausbau der Windtechnologien verwenden die Unternehmen Rohbor. Titan und Wolfram sind in der Raumfahrt- und Verteidigungsindustrie essenziell. Die Verordnung definiert eine Liste von 17 strategischen Elementen, sowie eine erweiterte Liste von 34 kritischen Materialien, zu denen auch Kokskohle gehört. All diese benötigt die Wirtschaft der Zukunft.
Die Verordnung stellt unsere Versorgung auf fünf „Beine“
Diese sind: a) die Festlegung klarer Prioritäten, b) der Aufbau europäischer Kapazitäten, c) eine höhere Belastbarkeit, d) Investitionen in Forschung, Innovation und Kompetenzen und außerdem e) die Förderung einer nachhaltigen und kreislauforientierten Rohstoffwirtschaft.
Da die Umstellung auf eine geringere Abhängigkeit von Drittländern schnell verwirklicht werden soll, hat die EU Ziele mit einem konkreten Zeitplan verknüpft. Lokal gewonnene Mineralien sollen den Jahresverbrauch der EU bis 2030 zu mindestens 10 Prozent decken. Aus in der EU verarbeiteten Elementen sollen 40 Prozent kommen. Und zu 25 Prozent soll sich der Jahresverbrauch aus recycelten Materialien zusammensetzen. Um die Gefahren der Abhängigkeit zu minimieren, sollen nicht mehr als maximal 65% des europäischem Jahresverbrauchs an einem der Schlüsselmaterialien aus nur einem Drittland kommen.
Die EU selbst muss ihre gesamte Wertschöpfungskette stärken: das sind Abbau, Raffination, Verarbeitung und auch Recycling. Um diese Ziele zu erreichen, soll die EU alle Genehmigungsverfahren beschleunigen. Auch dafür gibt es konkrete Zeitvorgaben. Und die großen Unternehmen in diesen Prozessen müssen Risikobewertungen ihrer Lieferketten vornehmen, sowie Strategien vorbereiten für den Fall einer Unterbrechung. Zentrale Elemente der Verordnung sind einerseits die Stärkung der europäischen Lieferketten, vor allem durch die Förderung von strategischen Projekten. Diese sollen von beschleunigten Genehmigungsverfahren und erleichtertem Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten profitieren können.
25.3.2024 Spatenstich für Northvolt
Passend zu dieser Verordnung und der Neuausrichtung der europäischen Industriepolitik erfolgte heute in Deutschland der erste Spatenstich zum Bau der schwedischen Firma Northvolt westlich vom Schleswig-Holsteinischen Heide. Dort will das Unternehmen Batterien für elektrische Autos mit Hilfe von 3000 Arbeitnehmern herstellen. Denn dort gibt es genügend on- und offshore Windkraftanlagen, die mehr Strom produzieren, als vor Ort gebraucht wird. Das sind ideale Bedingungen für die Nutzung von grünem Strom.
Schon von 2026 an sollen in der Batteriefabrik pro Jahr rund eine Million Batterien für E-Autos vom Band rollen. Der CDU- Ministerpräsident kommentierte: „Hier wird das klimaneutrale Industrieland sichtbar.“ Der grüne Wirtschaftsminister Habeck pointierte: „Northvolt hat in ganz Europa gesucht. … Die Windkraft wird zu einem Magneten für Firmenansiedlungen.“ Notwendig
Aber die Firma bekommt an ihrem Stammsitz Probleme.
Nov. 2024 Insolvenzanmeldung von Northvolt, aber nicht für den Bau in Deutschland
Northvolt hat in den USA (weil es dort an einer Firma beteiligt ist) dort ein Gläubigerschutzverfahren nach Chapter 11 beantragt. Das würde bedeuten, dass es seine Finanzen selbständig neu regeln kann. Denn es möchte die in Nord-Deutschland geplante Firma für die Batterieherstellung weiter bauen. Bisher hat das Unternehmen nur eine sogenannte Wandelanleihe der Förderbank KFW in Höhe von 600 Millionen Euro erhalten. „Das Geld der Wandelanleihen liegt auf deutschen Konten und wird in Abstimmung mit der KFW für den Bau der Batteriefabrik in Heide genutzt“, teilte Northvolt dem NDR mit.
Da Northvolt Germany unabhängig vom schwedischen Mutterkonzern ist, sei es auch nicht Teil des Insolvenzverfahrens nach Chapter 11. Dennoch sehen maßgebliche Kreise den Fortgang kritisch und befördern den Eindruck, das Geld sei verloren. Am 9.1.2025 kommt folgende Nachricht: die Anteilseigner von Northvolt/Schweden haben mehrheitlich auf einer außerordentlichen Aktionärsversammlung entschieden, dass sogar der Betrieb in Schweden weitergehen kann. Zu der geplanten Fabrik in Schleswig -Holstein heißt es: Das Bauvorhaben bleibe ein „strategischer Grundpfeiler„.
Situation von Northvolt in Deutschland
Nach dem Ampel-Aus ist die Spitze des Forschungsministerium neu besetzt worden. Besonders die Forschung zur Batterieherstellung war durch nicht mehr genehmigte oder ausgezahlte Unterstützung gefährdet. Diese Lücke soll jetzt (2025) eine Überbrückungsfinanzierung von bis zu 25 Millionen schließen. Denn „Batteriegroßspeicher sind Katalysatoren der Energiewende und ermöglichen eine stabile Versorgung sowie wettbewerbsfähige Strompreise. All das sind zentrale Faktoren für unseren Wirtschaftsstandort“, so der jetzt zuständige Minister Cem Özdemir. Nachdem das Insolvenzverfahren für die „verbliebenen“ schwedischen Teile der Firma Northvolt eröffnet ist, heißt es im gleichen Artikel am 15.3.2025: Die deutsche Tochtergesellschaft hat ein Büro in Hamburg und baut bei Heide im Kreis Dithmarschen die Gigafactory „Northvolt Drei“.
Nach Ende des amerikanischen Insolvenzverfahrens und der Entlassung von anderthalb Tausend Arbeitern heißt es Ende März 2025, nun beginne das schwedische Verfahren. Dabei geht es wohl u.a. um den Verkauf der schwedischen Batteriefabrik und darum, ob ggfs. der deutsche Autozulieferer Bosch Interesse daran hat. Auf den deutschen Standort hat das Auf und AB bisher insofern Auswirkungen, als es auf der Baustelle langsamer voran geht als geplant. Außerdem liegen viele Projekte drumherum, wie z.B. der Bau von Wohncontainern und die Vorbereitung von Flächen für Zulieferbetriebe auf Eis.
Kritik an Brüssel
Die schwedische stellvertretende Ministerpräsidenten Ebba Busch kommentierte am 28.11. 24 in Brüssel äußerst besorgt: „Ein Teil unserer eigenen Vorschriften untergräbt inzwischen die Möglichkeit, unsere eigenen Stärken zu nutzen und Abhängigkeiten von China zu reduzieren“. Und sie fügte hinzu, sie hoffe, dass das EU-Gesetz zu kritischen Rohstoffen und zukünftige Regelungen „noch mehr Minen auf europäischem und insbesondere schwedischem Boden eröffnen werden“. Gemeinsam mit Deutschland und Frankreich legte Schweden ein Diskussionspapier vor, das auf eine schnellere Umsetzung der EU-Maßnahmen im Batterie-Sektor drängt. Denn die Herausforderungen der europäischen Batteriehersteller bestünden darin, dass „der globale Wettbewerb nicht auf gleichen Wettbewerbsbedingungen beruht“.
Lithium-Abbau in Europa und auch in Deutschland?
Bislang wird Lithium vor allem in Südamerika, Australien und China gewonnen. Doch auch in Europa existieren Vorkommen, etwa als Bestandteil von Granit oder Glimmer. Erste Minenbesitzer planen schon die Produktionskette vom Abbau bis zur Umwandlung zu Lithiumhydroxid. Europäisches Lithium aus Thermalwasser ist sogar bereits Realität.
Entdeckt wurde Lithium in Portugal, in Wolfsberg (Kärnten) in Österreich, in Serbien und auch in der Ukraine, sowie im Elsass. Großflächig vorhanden ist es in einem alten Zinnbergwerk im deutsch-tschechischen Grenzgebiet um Cinovec und Zinnwald im Erzgebirge in Sachsen in der Nähe von Dresden. Investoren könnten Teile der alten untertägigen Infrastruktur nutzten. Am Oberrhein im Südwesten Deutschlands sind Entwickler einen Schritt weiter. In Landau gewinnt man Lithium durch Extraktion aus lithiumsalzhaltigem Tiefengrundwasser (Sole) mittels eines Sorptionsmittels. Eine erste Anlage läuft bereits. Gleichzeitig soll ein Geothermiekraftwerk entstehen. Neben Lithium will man auch erneuerbare Energie gewinnen. Auch ein französisches Projekt im Department Allier mit integrierter Batterieproduktion soll bereits auf gutem Weg sein. Die Inbetriebnahme der kommerziellen Anlage ist für 2028 vorgesehen.
Riesenstromspeicher in Schleswig-Holstein
Wenn es zu viel grünen Strom auf einmal gibt, können Stromnetze instabil werden. Sie müssen im Gleichgewicht bleiben, das bedeutet, Kunden müssen möglichst so viel Strom verbrauchen wie Wind und Sonne einspeisen. Ein Problem kann entstehen, wenn Windkraft und Solar gerade besonders viel Strom produzieren. Konventionelle Kraftwerke konnten Schwankungen ausgleichen. Nun braucht man große Speicher, die ein Gleichgewicht herstellen sollen. Deshalb entsteht z.B. im nördlichsten Bundesland derzeit ein großer Batteriepark mit Megawatt-Akkus als Puffer für das dortige Stromnetz. Denn dieses Land erzeugt – gemessen an seiner Größe – den meisten Windstrom in Deutschland und hat auch enorm viele Solarparks entlang seiner Autobahn.
Dieser Speicher soll zweimal täglich die Produktionsüberschüsse von Wind- und Sonnenstrom aufnehmen. Und bei hohem Bedarf von privaten Verbrauchern, besonders morgens und abends soll er den Strom an diese abgeben. Bisher wurden die stromproduzierenden Anlagen bei Überproduktion jeweils abgeschaltet – während die Betreiber dieser Anlagen aber entschädigt werden mussten. Und die Endkunden mussten die Kosten dafür tragen.
Inzwischen sind die finanziellen Aufwendungen für den Bau von Speichern – die der Staat bisher nicht gefördert hat – sehr viel günstiger geworden. Das erhöht die Chance, dass die Betreiber mit Speichern Geld verdienen. So sind aktuell bereits 2028 Großspeicher in Deutschland am Netz. Und weil an den Standorten früherer Meiler die Netzanbindung bereits vorhanden ist, bauen die Betreiber sie meist dort.