Ein Jahr lang hat die Konferenz getagt. Sie hat insgesamt 325 konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung der EU erarbeitet. 800 Bürger*innen wurden per Zufallsprinzip ausgelost. Sie bildeten den Kern. Dazu kamen Vertreter*innen der Mitglieds-Staaten, des Europa-Parlamentes und der EU-Kommission.
Einige der Vorschläge haben es wirklich in sich. Besonders einige derjenigen, die sich direkt an die EU-Institutionen richten. An erster Stelle steht da die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips. Die Vertreter der rechtskonservativen Fraktion des Europaparlaments sind deswegen vor der Schluss-Abstimmung sogar ausgeschieden.
Auch das Vetorecht der Mitgliedsstaaten in der Außen- und Fiskalpolitik soll es nicht länger geben. Und das Parlament soll endlich – wie ein voll gültiges Parlament – selbst das Initiativrecht erhalten.
Wie es jetzt weitergeht
Die Übergabe des Berichts an die drei europäischen Spitzenvertreter*innen erfolgte am Europatag, dem 9. Mai. Nun muss der amtierende Ratsvorsitzende aus Frankreich, E. Macron auf dem EU-Gipfel im Juni konkrete Vorschläge präsentieren. Das Europa-Parlament hat dazu bereits eine Resolution verabschiedet. Danach sollen die Mitgliedstaaten in einem Verfassungskonvent über Veränderungen an den Verträgen entscheiden.
Das wird jedoch erneut ein zäher und mühsamer Prozess. Denn 13 Staaten haben öffentlich erklärt, Europa funktioniere doch. Es benötige nur kleinere Korrekturen. Sie lehnen über die Abschaffung der Einstimmigkeit hinaus z.B. auch die Verkleinerung der Zahl der Kommissar*innen ab.
14 Staaten dagegen sehen aber – wie die Konferenz – einen größeren Reformbedarf. Insofern werden die künftigen Ratsvorsitzenden – zunächst Tschechien, dann Schweden – weiterhin die Aufgabe haben, nach tragfähigen Kompromissen für Reformen zu suchen.
Welche Aufgaben die EU in Zukunft zu bewältigen haben wird
Der Angriffskrieg, den Russland der Ukraine aufgezwungen hat, zeichnet gewaltige Herausforderungen vor. Die Verteidigungsfähigkeit der gesamten EU muss endlich hergestellt werden. Dafür ist u.a. eine Koordination der Waffensysteme notwendig. Gleichzeitig erfordert diese Aufgabe eine wesentlich ausgebaute europäische Außenpolitik.
Es wird also vermutlich in den nächsten Monaten wieder um den Vorrang von Vertiefung oder Erweiterung der EU gehen. Zumal viele Staaten vor der Tür stehen, die auf eine baldige Aufnahme in die EU drängen.
(Quelle: Das Parlament, Nr. 20/2022, „Ein positiver Schub für die europäische Idee“)