Der EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre steht

Viktor Orban (Ungern) und sein Bewunderer Jaroslaw Kaczynski (Polen) haben die Blockaden  gegen den nächsten siebenjährigen EU-Haushalt und gegen die Corona-Hilfsmittel   zurück genommen. Denn Orban konnte sich, wie erhofft, auf die deutsche Bundeskanzlerin A. Merkel verlassen. Sie war – kompromissbereit – den Beiden weit entgegen gekommen. Als Ratspräsidentin hatte sie vermitteln müssen.

Das, was unter den Tisch fiel, ist sehr viel

Von dem wegweisenden Beschluss des Europäischen Parlaments blieb wenig übrig. Zuerst platzten alle Hoffnungen, dass der geplante Rechtsstaatsmechanismus die Demokratie in den ehemals kommunistischen Ländern stärken könnte.

Doch nun ist keinerlei Eingriff in „nationale Angelegenheiten“  möglich. Denn in einem im Rat einstimmig beschlossenen Zusatzpapier haben Frau v. der Leyen und die deutsche Kanzlerin Merkel zugesichert: „Die Regelung bezieht sich  n i c h t  auf allgemeine Missstände“.

Geplatzte Hoffnungen und Zeitperspektiven

Auch die Hoffnung der polnischen Frauen auf Europa – bei ihrem Kampf gegen das quasi generelle Verbot von Abbrüchen der Schwangerschaft ist damit vergeblich. Sogar Richter dürfen nicht mehr auf Unterstützung von Europa hoffen. Und kein Journalist auf europäischen Schutz. Der weitere Rückbau von Demokratie in einigen Ländern, die ab 2004 zur EU kamen, ist zu  erwarten. Es gibt weiterhin keine tatsächlichen Rechtsstaatsmechanismen, die dagegen helfen könnten. Nur Konditional-Mechanismen:

Nur die ordnungsgemäße Verwendung der EU-Gelder darf überprüft werden

Auch die Zeitperspektiven zur Anwendung des Mechanismus haben sich  verschoben. Denn die In- Gang-Setzung bleibt eine große Hürde. Etwas geringer als in der Vergangenheit vielleicht. Das bleibt abzuwarten, denn das kann weiterhin nicht die Kommission entscheiden. Ungleich zu deren Vorschlag (vgl. hier) müssen 15 Länder, die 65% der Wähler repräsentieren, vorher zustimmen. Die Kommission muss also jeden Schritt abwägen. Sie muss sorgfältig prüfen, wie die Interessenlage der 15 Länder sein könnte. Auch muss der kausale Zusammenhang zwischen den Verstößen und den Sanktionen „ausreichend direkt“ sein. Und gemeint ist nur noch einzig und allein die ordnungsgemäße Verwendung der europäischen Gelder.

Schon jetzt Klagen

Zunächst mal werden Ungarn und in seinem Schlepptau Polen  gegen die Anwendung des Rechtsstaatsmechanismus schon jetzt beim Europäischen Gerichtshof Klage einlegen. Und solange die Frage dort nicht rechtskräftig entschieden ist, darf der Mechanismus nicht angewandt werden. Das werden geschätzt ein bis anderthalb Jahre sein.(* s.u.) Zum Zweiten gilt er ohnehin nicht für die Auszahlung der noch fehlenden Gelder diesen Haushaltes (und das sind noch beträchtliche Milliarden). Er soll auch nicht für die Auszahlung der Corona-Hilfsgelder gelten,  sondern erst für die Gelder des neuen Haushaltes.

Das Bedürfnis, die Hilfsmittel so schnell wie möglich zu erhalten, stand bei allen Staaten an erster Stelle. Und auch, den Haushalt für die nächste Periode sicher zu haben.

Weitere Verzögerungen möglich

Im Übrigen sind erneute Drohgebärden von Ungarn zu hören: Die Einigung müsse im nationalen Parlament noch abgesegnet werden.

Schließlich kann das beklagte Land auch im Falle der Zustimmung der qualifizierten Mehrheit zur Auslösung des Mechanismus noch den EU-Gipfel anrufen und so erneut eine Verzögerung der Sanktionen herbeiführen. Möglicherweise kann so sogar eine Abschwächung erreicht werden – so wie es Ungarn und Polen durch diesen Kompromiss ja auch massiv gelungen ist. Schließlich entscheidet nicht das EU- Parlament, sondern die Exekutive, der EU Rat. In dem sitzen nur Regierungsmitglieder, also Kollegen. Und wie heißt das Sprichwort so vielsagend? Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Fazit

Nicht der eine wichtige Schritt vorwärts ist gelungen, (vgl. hier 5. 11.). Es ging um die Durchsetzung der  übernationalen Wertegemeinschaft der EU. Das ist erneut gescheitert.

Übrig bleibt mit dem Beschluss vom 10.12.2020 ein stark verzögerter kleiner Einstieg darein, dass die EU Gelder zumindest nicht mehr – ohne dass die EU hinschaut – massiv für Korruption verwendet werden können.

Ob das EU-Parlament es zumindest noch erreichen wird, wie gefordert, eine „parlamentarische Kontrolle  der Mittelverwendung“ durchzusetzen?

Konträre Auffassung zur EU

Orbans Sicht (geäußert in der Zeit vom 26.11.2020)  ist: „Wir erhalten keine Zuwendungen von der Union, sondern wir sehen das als Kompensation für den Profit, den die anderen EU-Länder bei uns erwirtschaften.“  Dies bedeutet, dass diese Nationalstaaten die EU nur als Umverteilungsmechanismus von Geldern betrachten und er macht explizit klar, dass die EU in ihre innerstaatliche Souveränität nicht eingreifen darf.

Quellen: ZDF,  ARD, Spiegel  und Euronews vom 10. und 16. Dez.

Ergänzung

* Mitte Februar 2022: Der EuGH hat die Klagen von Polen und Ungarn voll umfänglich zurück gewiesen. Die Kommission könnte jetzt handeln. Aber sie tut es – erneut – nicht, denn in wenigen Wochen sind in Ungarn Wahlen. Da will sie Viktor Orban kein Wahlkampfthema liefern.