Warsaw_Spire, 2017 zog die EU-Behörde Frontex in den Ostturm der Warsaw Spire um, AGC Glass Europe, CC BY 2.0.jpg

Warsaw Spire, AGC Glass Europe, CC BY 2.0

Im Nordwesten grenzt Polen an die Ostsee, im Norden an das russische Gebiet des früheren Ostpreußen und an Litauen, im Osten an Belarus, im Südosten an die Ukraine, im Süden an die Slowakei, im Südwesten an Tschechien, im Westen heute an Deutschland, bis 1989 an die DDR. Das heutige Polen ist damit ein Grenzland der EU und kann eine Brücke sein zu Weißrussland und der Ukraine, ebenfalls europäische Staaten im erweiterten Sinne. Polens Hauptstadt ist Warschau. Polen ist eine präsidial-parlamentarische Republik. 1999 trat Polen der Nato bei, 2004 der EU. Polen ist Mitglied im Schengen Raum. Die EU Grenzschutz Agentur Frontex hat ihren Sitz in Warschau, in dem Tower hier rechts.

Soziales

2020 hat Polen  38.354.000 Einwohner bei im Schnitt 123 pro Quadratkilometer. Es wird geschätzt, dass 20 Millionen Polen im Ausland leben. Viele Polen sind in der Vergangenheit ausgewandert, weil sie sich bessere Lebensbedingungen erhoffen. 3 Millionen verließen das Land nach dem Ende des Kommunismus. Polen ist seit dem 2.Weltkrieg ethnisch ein äußerst homogener Staat. 87% der Bevölkerung werden der katholischen Kirche zugerechnet, die einen großen politischen Einfluss ausübt. Seit 2014/15, den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine leben und arbeiten 2 Millionen Ukrainer in der boomenden polnischen Wirtschaft. Allerdings sind sie in Polen wenig anerkannt, denn in der Geschichte gab es viele kriegerische Auseinandersetzungen zwischen beiden Völkern.

1. Geschichte

Aus der Zeit von ca. 700 bis 400 vor Christi Geburt datiert die Pfahlbauten Siedlung Biskupin. In der Antike gab es über die „Bernsteinstraße“ von der ganzen Ostseeküste vom heutigen St. Petersburg herunter bis Danzig, dann nach Süden durch Polen, durch das Wiener Becken bis nach Venedig einen intensiven Handelsaustausch mit dem römischen Reich.

Um Christi Geburt siedelten von Skandinavien kommend die germanischen Stämme der Goten und Vandalen im Gebiet des heutigen Nord- und Südpolens. Zur Zeit der Völkerwanderung (ca. 375- 565) zogen Balten und Slaven durch. Wikinger, Awaren und Magyaren überfielen immer wieder das heutige Südpolen.

Religionspolitische Aspekte

Um ca. 900 nach Christi Geburt wurde ein Herzogtum Polen gegründet, das 990 dem unmittelbaren Schutz von Pabst Johannes XV. unterstellt wurde. König Boleslaus I. dehnte zeitweise sein Herrschaftsgebiet auf die heutige Slowakei, auf Böhmen und Mähren sowie auf die Kiewer RUS aus.

1138 zerfiel Polen in 6 Herzogtümer: Kleinpolen, Großpolen, Pommern, Pommerellen, Schlesien und Masowien. 1241 besiegte eine mongolische Horde ein polnisch-deutsches Heer in der Schlacht bei Liegnitz. Um die Verluste zu kompensieren, wurden deutsche Bauern angeworben und angesiedelt. Nach den Pogromen in Westeuropa siedelte man auch Juden an. Denen war in Deutschland die Schuld an der Pest Mitte des 14. Jahrhunderts zugewiesen worden.  Polen war von der Pest verschont geblieben und galt schon vorher als religionspolitisch ausgesprochen liberal, auch judenfreundlich und nahm die auf, die es schafften zu fliehen.

Ein Riesenreich

Konrad I. von Masowien holte 1226 den deutschen Orden ins Kurland, von wo er Preußen unterwarf. Außerdem leitete er die Expansion Polens nach Osten ein. In der Zeit der Herrschaft der Jagiellonen stieg Polen ab 1386 durch Heirat zum mächtigen Doppelstaat Polen – Litauen auf. Er erstreckte sich von den baltischen Staaten bis zum Schwarzen Meer, er umfasste also Teile der heutigen Ukraine, und reichte von der Adria bis vor die Tore Moskaus. Für die folgenden 400 Jahre beeinflusste dieser zur damaligen Zeit größte Staat Europas die Entwicklung in Mittel- und Osteuropas maßgeblich, vor allem nachdem in der Schlacht bei Tannenberg 1410 auch der deutsche Orden als eigenständige Herrschaft besiegt worden war.

Jagiellonen- Machtbereich um 1500.jpgLegende

      1. weiße Umrandung: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
  1. rote Umrandung: Machtbereich der Jagiellonen Polens, Litauens, Ungarns und Böhmens
  2. gelbe Umrandung: Gebietsverluste an Russland (Großfürstentum Moskau) nach einem Russisch-Litauischen Krieg 1494.
  3. Schraffur: unter polnischer Oberhoheit bzw. Lehensabhängigkeit stehendes Fürstentum Moldau (Moldova), Deutschordensland in Preußen (Preußen), sowie Herzogtum Masowien (Mazowsze).

Ende des 15. Jahrhunderts wurde eine republikanische Staatsform erkämpft, d. h. der König durfte nur nach Ermächtigung durch das Parlament handeln.

1596 endete die Herrschaft der Jagiellonen. Die folgende Adelsrepublik Polen-Litauen wurde u. a. von Königen aus dem Haus der französischen Valois, der schwedischen Dynastie der Vasa und der sächsischen Weltiner regiert, von August II., genannt  der Starke und August III.

Maximaler Absturz

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde Polen-Litauen durch zahlreiche Kriege mit Schweden, mit dem osmanischen Reich – Hilfe bei der Verteidigung Wiens- geschwächt. Außerdem setzte es sich mit Russland und Siebenbürgen auseinander. Auch innere Unruhen – Kosakenaufstände und Konfrontationen mit den Krimtartaren – schwächten die Herrschaft. Diese Schwäche nutzten Preußen, das zaristische Russland und das habsburgische Österreich zur Aufteilung des Landes untereinander aus. So folgten 3 Teilungen 1772, 1793 und 1795, ohne dass die betroffene Bevölkerung auch nur einen Hauch einer Mitsprache hatte, durch wen sie regiert werden wollten. Damit verschwand Polen als eigenständige Nation von der europäischen politischen und geographischen Landkarte.

Zwischenstand

Auf Drängen Kaiser Napoleons wurde 1807 ein kleines Herzogtum Warschau gegründet mit Teilen aus den preußischen „Erwerbungen“. 1809 musste auch Österreich Teile Westgaliziens an das Herzogtum Warschau zurückgeben. Doch der Wiener Kongress schlug die Provinz Posen wieder Preußen zu. Es folgte für die unter russischer Vorherrschaft stehenden Gebiete im Zuge der nationalistischen Entwicklung in Russland eine zunehmende Russifizierung, gegen die sich der Novemberaufstand von 1830 richtete. Er wurde von der zaristischen Armee 1831 blutig niedergeschlagen.

Die Zeit des 1. Weltkrieg

Nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges gründeten die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn Legionen aus Soldaten aus den früheren polnischen Gebieten unter dem Kommando von Josep Pilsudski. Diese wurden gegen das zaristische Russland eingesetzt. Nach der Oktoberrevolution 1917 legten sie die Waffen nieder, da das Ziel der Niederwerfung Russland erreicht war. Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson hatte in seinem 14 Punkte-Plan von 1917 für die Nachkriegszeit das Ziel der Unabhängigkeit Polens formuliert. Als Marschall Josep Pilsudski aus der Internierung in Deutschland nach Polen zurückkehrte, wurde am 11. November 1918 die 2. unabhängige polnische Republik ausgerufen. Gleichzeitig wurde das aktive und passive Wahlrecht für Frauen und Männer gesetzlich festgeschrieben. Die polnische Unabhängigkeit wurde im Versailler Vertrag 1919 bestätigt. Im Osten wurde die sog. Curzon-Line als Grenze festgelegt. Polen wurde so Gründungsmitglied des Völkerbundes.

Neue Grenzen

Die Siegermächte des 1. Weltkrieges hatten Volkabstimmungen für Grenzziehungen im Westen vorgesehen. Eine der Abstimmung ging mit ca. 60% für Polen und 40% für Deutschland aus. Das zwang die Weimarer Republik, Westpreußen und Posen größtenteils an Polen zu geben. Da den Polen auch ein Zugang zur Ostsee zugesichert worden war, wurde Ostpreußen vom Deutschen Reich getrennt. Die Folge waren 200 000 Flüchtlinge aus diesen Gebieten in das Deutsche Reich.

Polen war mit seinen Gebietsgewinnen nicht zufrieden. Es orientierte sich an der früheren Ausdehnung des großpolnischen Reiches und führte nach Osten weiter Kriege. Ab März 1919 siegte Marshall Pilsudski im polnisch-sowjetischen Krieg. Im darauf folgenden Friedensvertrag von Riga vom 21.3.1921 erreichte er, dass die polnische Ostgrenze von der 1918 festgelegten Curzon-Line ca. 250 km nach Osten verschoben wurde, auf zu der Zeit von Russen beherrschtes Land. Das Gebiet wies eine gemischte Bevölkerungsstruktur auf. Dort lebten Polen, Ukrainer, Weißrussen, Litauer, Juden und Deutsche. 1 Million der deutschen Minderheit emigrierte. 1926 putschte Pilsudski und war von 1926 bis 1935 Kriegsminister, faktisch aber autoritär bestimmender Führer seines Landes.

Die Zeit des 2. Weltkriegs

Im August 1939 schlossen das faschistische Deutschland und die Sowjetunion den Hitler-Stalin Pakt. In dem geheimen Zusatzprotokoll  vereinbarten die beiden Diktatoren, dass das Deutsche Reich Polen überfällt und dass die Sowjetunion die baltischen Staaten annektiert. Am 1. September 1939 begann Nazi-Deutschland mit dem Überfall auf Polen den 2. Weltkrieg.  Am 17. September folgte der Überfall der Roten Armee auf Ostpolen. Damit wiederholte sich die vollständige Teilung des Landes erneut.

Furchtbare Verluste in Polen

Allein in den ersten 4 Monaten der deutschen Besatzungsherrschaft wurden mehrere 10 000 Menschen nach dem Plan der „Liquidierung des führenden Polentums“ (R. Heidrich) ermordet.

Anfang der 40er Jahre errichtete die deutsche Besatzungsmacht die Konzentrations- und Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka, etwas später Ausschwitz und Maydanek.

Durch sowjetische Truppen wurden 1940 in Ostpolen im Massaker von Katyn 30 000 Personen, vorwiegend polnische Offiziere, ermordet. Schon vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatte der brutale Diktator Stalin über 100 000 Polen in seinem Herrschaftsbereich umbringen lassen (Wikipedia zu Polen). 5,62 bis 5,82 Millionen polnische Staatsbürger, darunter mehr als die Hälfte jüdischen Glaubens verloren ihr Leben in diesem Doppel-Angriffs-Krieg bzw. in den auf polnischem Boden  deutschen Vernichtungslagern.

Widerstand

Polnische Partisanengruppen leisteten in Polen Widerstand gegen die Fremdherrschaft. Sie waren die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa.

Vom 19. April bis zum 16. Mai 1943 dauerte der heldenhafte Aufstand fast aller jüdischen Bürger*innen aus den von ihnen angelegten unterirdischen Bunkern im Warschauer Ghetto gegen die Deportationen in die Vernichtungslager. Die deutsche Wehrmacht brannte das Ghetto mit seinen Kämpfern nieder. Ungefähr 3 Mill. polnische Juden sind vernichtet worden. Zu erwähnen ist der Kinderarzt Janus Korzcak, der ein Kinderheim leitete und sich trotz Überlebens-Angebot entschied, zusammen mit „seinen“ Kindern in die Gaskammer zu gehen.

Am 1. August 1944 kam es 63 Tage lang zum Warschauer Aufstand. Auch ihn schlugen die deutschen Besatzungstruppen blutig nieder.  Schätzungsweise fanden dabei 100-250 000 Zivilisten den Tod. Allein schon in dem befohlenen Massaker von Wola, westlich vom Warschauer Ghetto gelegen,  haben deutsche Einheiten beim Einmarsch in die Stadt 150.000 Zivilisten ermordet (Zeit Nr. 51, 2022, Vergessene Verbrechen). Nach Ende der Kämpfe folgte eine großflächige Zerstörung der Stadt, besonders ihrer kulturellen Schätze.

Westverschiebung eines ganzen Landes

Nach Ende des zweiten Weltkrieges 1945 erfolgte entsprechend dem Potsdamer Abkommen die Westverschiebung Polens ungefähr zurück auf die in Versailles festgelegte Curzon Linie. 1,5 Millionen Polen wurden daraufhin von Russland vertrieben. Für das im Osten „verloren“ gegangene Gebiet „gewann“ Polen im Westen die ehemals deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie: Schlesien und Pommern sowie die südliche Hälfte von Ostpreußen. 5 Millionen Deutsche waren gegen Kriegsende aus diesen Gebieten nach Westen geflohen, nach dem Krieg wurden weitere 3,5 Millionen vertrieben bis auf die Oberschlesier. Sie durften bleiben, weil man ihr Wissen und ihre Arbeitskraft in den Kohlegruben behalten wollte.

Kommunismus

Es folgte die von der Sowjetunion oktroyierte kommunistische Diktatur. Die Volksrepublik Polen wurde Mitglied im Warschauer Pakt. Ab 1956 kam es nach Aufständen u.a. in Posen, sowie der Arbeiter in Lokomotiven-Werken zur Entstalinisierung, Stalin war 1953 gestorben. Weitere Aufstände folgten, die März Unruhen 1968, der Danziger Aufstand 1970 und der Volksaufstand in Warschau 1976. Danziger Werftarbeiter gründeten 1979 die Gewerkschaft Solidarnosc mit Lech Walesas, dem späteren Staatspräsidenten, an der Spitze.

Erste freie Wahlen im Ostblock

Diese Entwicklung nach dem ersten Pabst Besuch von Johannes Paul II., der aus Polen stammte, war eine revolutionäre Wende. Die Risse im Ostblock waren nicht mehr zu übersehen. Es folgten turbulente Jahre, denn 1980 bis 1989 waren gekennzeichnet einerseits durch die Verhängung des Kriegsrechts zur Unterdrückung der Opposition, anderseits durch die Organisation von „Runden Tischen“. Bei diesen gibt es keine hierarchische Sitzordnung mehr. Das Ergebnis waren am 4. und 18. Juni 1989 erste freie Wahlen im Ostblock, womit  die Rückkehr Polens in die europäische Völkerfamilie begann.

2. Grunddaten

1920pxImport_i_eksport_Polski, Außenhandelsentwicklung in Polen 1960 bis 2018, Ra.sz, CCO.jpg

Abbildung Außenhandlungsentwicklung in Polen 1960-2018, Förderung durch EU ab 2002, Ra.sz, CCO

Die Vorteile aus der EU Mitgliedschaft

Polen hat seit dem EU Beitritt einen großen wirtschaftlichen Aufschwung zu verzeichnen. In dem Zeitraum von 2004 bis 2016 hat Polen etwa 80 Milliarden Euro an Fördermitteln aus Brüssel erhalten. Weitere 82,5 Milliarden Euro Fördermittel für Polen sind in den EU Haushalten bis 2020 festgeschrieben. Während der Weltfinanzkrise 2009 verzeichnete Polen als einziges EU Land ein Wachstum, während Polens Nachbarn im Baltikum mit minus 20% die Schlusslichter der Entwicklung waren. Seit dem EU Beitritt 2004 verzeichnet Polen ein Dauerwachstum in Höhe von jährlich bis zu 7,2 % des realen Bruttoinlandsprodukts.  Das Wirtschaftswachstum verdoppelte sich im gleichen Zeitraum, wobei etwa die Hälfte auf die EU Zahlungen zurückzuführen ist. Das Autobahnnetz wuchs von 765 auf fast 3000 km. Seit 2014 verkehren erstmals Hochgeschwindigkeitszüge in Polen.

Die Wirtschaft in Polen

Sie hat sich seit dem Übergang von der kommunistischen Staatswirtschaft zur Marktwirtschaft prächtig entwickelt. Die Exporte lagen 2004, dem Jahr des Beitritts zur EU, bei 80 Milliarden US Dollar, im Jahre 2018 bei 220 Milliarden US Dollar. Sie haben sich also fast verdreifacht!

Die Wachstumsraten des BIP lagen meist oberhalb des Durchschnitts der EU. Die Wirtschaftsstruktur Polens wird mit 63,5% Anteil am BIP vom Dienstleistungssektor beherrscht. Es folgt die Industrie mit 26,5%, Handwerk und Gewerbe mit 7% und die Landwirtschaft mit 3%. Die gesamte Wertschöpfung erfolgt zu 70% im privatwirtschaftlichen Sektor, d. h. die staatliche Tätigkeit ist im Verhältnis zu anderen Ländern relativ niedrig zu bewerten. 2017 lag die Staatsverschuldung bei 52% des BIP – der EU Durchschnitt lag bei 82,5%.

Im Energiesektor wird die Stromerzeugung weitgehend durch die Verfeuerung von Stein- und Braunkohle erreicht. Daher ist Polen auch sehr zögernd, sich auf die Festlegung von CO2- Reduktionszielen und den Green Deal der EU Kommission einzulassen. (vgl. dazu hier die Kapitel Regionalpolitik und Energiepolitik)

Die soziale Situation

Polen ist Netto Empfänger von EU Geldern: 2018 erhielt das Land 12,3 Milliarden Euro. Dies macht 325 Euro pro Kopf der Bevölkerung aus. Diese Zahlungen erhöhen das BIP Polens um 2,58%, d. h. ohne die EU wäre das Wachstum des BIP um diesen Prozentsatz niedriger. Die Arbeitslosigkeit fiel von mehr als 20 % auf heute knapp 4 %.

Der HDI lag 2019 bei 0,872, für ein Land, dessen kommunistische Unterdrückung gerade erst 30 Jahre zurückliegt, ein hoher Wert.

Politischer Umschwung

In der Politik Polens gab es einen gravierenden Wechsel: 2007 bis 2015 stellte die liberalkonservative Partei in einer Koalition mit der Bauernpartei die Regierung unter Donald Tusk. Ab 2015 übernahm die nationalkonservative Partei PIS die Führung.  Sie begann sofort mit einer Politik der schleichenden Entdemokratisierung, zunächst  mit einer Justiz- „Reform“, die  darauf abzielte, die Justiz unter ihre politische Kontrolle zu bringen. Als erstes wollte sie missliebige Richter entfernen, indem diese in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurden. Der EUGH rügte das als mit EU Recht unvereinbar. Außerdem schuf die Regierung eine Disziplinarkammer für Richter, um sie an der Meinungsäußerung zu hindern sowohl gegenüber Entscheidungen anderer Gerichte als auch allgemein politisch. Das löste einen ständigen Konflikt mit der EU Kommission aus.

Probleme mit der EU

Da die Vertragsverletzungsverfahren des EUGH bisher  offenbar nur geringe bis keine Wirkung gezeigt haben, erwägt man in der EU, bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Prinzipien Mittel aus dem EU Haushalt zurückzuhalten. Polen hat jedoch verlauten lassen, dass es dem EU- Haushalt für die nächsten Jahre genauso wie Ungarn nicht zustimmen wird. Noch muss die Zustimmung zum Haushalt einstimmig erfolgen und der frisch ausgehandelte Rechtsstaatsmechanismus ist an den Haushalt gekoppelt. Damit bricht ein grundsätzlicher Konflikt über die Verbindlichkeit der EU- Grundwerte verschärft auf. Es ist fraglich, ob es der deutschen Ratspräsidentschaft bis Ende 2020 gelingt, den Konflikt – ohne die Grundwerte zu verraten – gesichtswahrend für alle Beteiligten zu lösen. Noch ist Polen (für die EU) nicht verloren …(vgl. hier: Aktuelle Nachrichten vom 5.11. 2020 und vom 10.12.2020 sowie vom 20.7. und 28.10.2021)

Gesperrte EU-Gelder

Der EUGH hat Polen wegen seiner Verstöße gegen den Rechtsstaats mehrfach verurteilt. Die  zunächst verhängten Strafzahlungen, die später von der EU einbehalten wurden, plus weitere gesperrte Gelder belaufen sich mindestens auf 35,4 Milliarden. Rechnet man zinsgünstige Kredite und Zuschüsse zusammen, geht es um 58 Mrd. Euro.

Sobald die 2023 gewählte neue Regierung aus drei Parteien an die Arbeit gehen kann und neue Gesetze verabschieden wird, will Brüssel beginnen, eingefrorene Gelder freizugeben.

Ausflüchte

Was die auf EU-Ebene außerdem umstrittene Flüchtlingspolitik betrifft, bedienen Polen die unehrliche Argumentation, sie hätten ja bereits 2 Mill. Ukrainer aufgenommen, deshalb seien sie außen vor zu lassen. Die Ukrainer allerdings kommen mit Visa als Arbeitsmigranten, müssen also in keiner Weise versorgt werden und können sich sogar sprachlich verständigen. (Dies galt für die Zeit, bevor Russland im Februar 2022 die Ukraine angriff).

Hoffnung auf die USA

Auf Grund der leidvollen Geschichte sucht Polen auch in der EU nach einem möglichst hohen Maß an Eigenständigkeit. Schon nach den ersten Teilungen hatte ein vielgestaltiges Ringen um den Weg zurück mit vielen gesellschaftlichen Fraktionierungen in Polen eingesetzt. Als wichtigster Verbündeter werden nach dem Ende der Sowjetunion die USA angesehen. Seit 2016 sind US Truppen in Polen auf deren ausdrücklichen Wunsch stationiert.

Immer noch: die Übermacht der katholischen Kirche

Die katholische Kirche in Polen „beherrscht“ die Gesellschaftspolitik der PIS. Das Oberste Gericht hat ein Abtreibungsrecht beschlossen, das Abtreibungen praktisch unmöglich macht, selbst nach Vergewaltigungen nicht. Hier kommt wieder einmal die Verachtung der katholischen Kirche für Frauen zum Ausdruck. Seit einiger Zeit demonstrieren Frauen in Polen gegen diese schändliche „Reform“. Dabei beginnt gerade die öffentliche Bekanntmachung von Missbrauchsfällen auch in der polnischen katholischen Kirche, denn der Privatsekretär von Pabst Johannes Paul II., Kardinal Stanislaw Dziwisz soll im großem Stil über Jahre Missbrauch vertuscht haben. „Betroffene“ Priester wurden allenfalls versetzt und die Justiz drückte ein Auge zu. „Wir sehen, wie vor unseren Augen der sog. „Kulturkatholizismus“ zusammenbricht“, sagt der Theologe Jacek Prusak vom Krakauer Jesuiten Kolleg „Ignatianum“ (Tagesschau.de vom 11.11.2020 „Polens katholische Säulen wanken“). Scharfe Kritiker dieser rechtswidrigen und unmoralischen Verhaltensweisen sowie der „neuen“ Rechtssetzung sprechen von einer schwarzen Mafia.

Ist ein liberales Polen noch zu retten???

Auch was gleiche Rechte für Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung angeht, argumentieren PiS-Politiker, das seien ideologische Aktivisten, die lediglich für ihre Privilegien kämpften, obwohl sie voll gleichberechtigt behandelt würden (so z.B. Witold Waszczykowski, erst PiS-Außenminister, seit 2019 Europaabgeordneter, Die Zeit, 12.11.2020)  Polen, in dem bereits sog. LGBT-freie Zonen ausgewiesen worden sind, kündigt damit an, sich auch auf diesem Gebiet den von der EU geplanten Gleichstellungsgesetzen quer stellen zu wollen. Das  ähnelt  Ungarn, das jetzt in der Verfassung verankern will, dass „die Mutter eine Frau und der Vater ein Mann“ zu sein hat (RZ, 13.11.2020).

Oberstes polnisches Gericht

Auch hier ist es der PiS inzwischen gelungen, ihr genehme Richter hin zu befördern. So können nun die beschriebenen Gesetze erlassen werden, die sowohl Institutionen wie auch demokratische Rechte z.B. von Frauen, von Homos u.a.  zurück drängen, aber vor dem Obersten Gericht Bestand haben. Schon einmal errungene Freiheiten werden Schritt für Schritt zerstört und demokratische Institutionen von innen heraus zerstört, ohne jeden Putsch. Massendemonstrationen dagegen bleiben wirkungslos.

Ende 2023 wählen die Polen die PIS-Regierung ab

Sobald es der neuen Regierung unter Donald Tusk gelingt, hat das Land im Rahmen des polnischen Konjunkturplans  Anspruch auf 59,8 Milliarden Euro an Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF). Darunter sind 25,3 Milliarden Euro Zuschüsse und 34,5 Milliarden Euro zinsgünstige Darlehen. Die alte PIS und vor allem ihr noch amtierender Präsident Duda tut jedoch alles, was ihm möglich ist, die geplanten Reformen bzw. die Wiederherstellung des Rechtsstaates zu verhindern.

Wissenschaft und Kultur

Marie Curie, geb.1867 als M. Sklodowska in Warschau, ab 1891 in Frankreich lebend, erhielt 1903 den anteiligen Nobelpreis für Physik und 1911 den Nobelpreis für Chemie – eine einmalige Kombination! Nikolaus Kopernikus wurde 1473 in Thorn in eine deutschsprachige großbürgerliche Familie geboren. Er war  Domherr in Frauenburg, das zum Ermland gehörte. Er bewies als Astronom das hellozentrische Weltbild, nämlich dass die Erde eine Kugel sei. Gegenüber der vorher von der katholischen Kirche verbreiteten These war dies die „kopernikanische Wende“. Er ist im Dom zu Frauenburg beerdigt worden. Frederic Chopin (1810-1849) war ein polnischer Komponist und herausragender Pianist. Er lebte in Frankreich, wo er  ab 1835 die französische Staatsbürgerschaft innehatte. Polen gelten als ausgezeichnete Restauratoren. Sie haben die Innenstadt von Danzig originalgetreu wieder aufgebaut, nachdem die Russen diese nach ihrem Einmarsch zerstört hatten.

Kulinarisch sind Pierogi zu nennen: Teigtaschen gefüllt mit zerdrückten gekochten Kartoffeln und mit Quark oder anderen Füllungen. Bigos, ein Eintopf mit Sauerkraut, Weißkohl, Speck und Schweine- und Rindfleisch gilt auch als typisch polnisch. Es gibt zahlreiche typisch polnische Biersorten.