Über die Darstellung der Mitgliedsstaaten stellen wir ein Zitat einer Gastrede von Simone Veil im Deutschen Bundestag zum 27. Januar 2004.
Sie war die erste Präsidentin des EU-Parlaments und Überlebende des Holocausts. Sie sagte:
„Als Voraussetzung für eine freie Zukunft braucht dieses versöhnte Europa ein dauerhaftes Fundament, das auf zwei Pfeilern beruht: Weitergabe der Erinnerung und Demokratie.“
Die EU – ein Staatenbund
EU Politik ist vorrangig Innenpolitik der Gemeinschaft.
Die Mitgliedsstaaten stehen unter dem Dach der EU Kommission, des Europäischen Parlamentes und des Rates der Staats- und Regierungschefs. Dazu kommen noch die Ministerräte.
Die einzelnen Mitgliedsstaaten sind nicht mehr souverän im Sinne früherer Definitionen von Selbstbestimmung und Nation. Durch den Beitritt zur Europäischen Union haben sie eine Reihe politischer Kompetenzen nach Brüssel delegiert. Sie unterwerfen sich damit dessen Verordnungen und Richtlinien. Aber sie wirken in den Ministerräten und im Rat an deren Zustandekommen mit. Sie müssen diesen z.T. auch noch in den eigenen Parlamenten zustimmen. Dies gilt auch für jedes neue Mitglied.
Ursachen für die Vielfalt
Die Vielfalt der Mitgliedsstaaten der EU ergibt sich aus ihrer geschichtlichen, sprachlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung. Zum Verständnis sollen jeweils wesentliche Indikatoren kurz behandelt werden. Das sind historische Entwicklung, Beitrittsdatum, Bevölkerungsentwicklung, Rechtsstaat und Demokratie, Wirtschaftsstruktur und Sozialpolitik und Infrastruktur. Oft berichten wir auch über die Energieproduktion ggfs. auch über Bildung und Ausbildung und die Entwicklung durch die Integration in die EU.
Indikatoren für den Zustand der Länder
a) das BIP
So wie bisher üblich, stellen wir auch die offiziellen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) des jeweiligen Landes dar. Dies sagt aber nichts aus über die Nachhaltigkeit der Produktion oder über die verursachten Umweltschäden und deren Kosten. Das BIP pro Kopf, Kaufkraft bereinigt, ist ein Durchschnittswert, der im Vergleich zu anderen Ländern den Stand der wirtschaftlichen Entwicklung wieder spiegelt. Er sagt jedoch nichts aus über die Einkommens- oder Vermögensverteilung im jeweiligen Land.
b) die Schattenwirtschaft
Der Vergleich der offiziell ausgewiesenen Wachstumsraten sagt auch nichts aus über die Bedeutung der Schattenwirtschaft im jeweiligen Land. Zur Schattenwirtschaft zählt die legale Nachbarschaftshilfe sowie die Schwarzarbeit, in der weder Umsatzsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge und oft auch kein Mindestlohn gezahlt werden. Die Zahlung von Bestechungsgeldern, um bei Staatsaufträgen bevorzugt zu werden, ist ebenfalls Teil der Schattenwirtschaft. Dazu gehört auch die Geldwäsche, z. B. beim Immobilienkauf gegen Bargeld. Besonders Aktivitäten der Mafia mit Drogen- und Menschenhandel werden natürlich nirgendwo erfasst. Die Schattenwirtschaft ist bis auf die Nachbarschaftshilfe ein Krebsgeschwür der Gesellschaft und vor allem ein Indiz für die Schwäche des Rechtsstaates.
Indizes (Kennziffern)
Die Vereinten Nationen veröffentlichen seit 1990 einen „Human Development Index„ (HDI) für 189 Länder. Dieser berücksichtigt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, die Lebenserwartung und die Ausbildung anhand der Schuljahre, die ein 25jähriger Mensch im Schnitt absolviert hat. Der Index sagt nichts über die Verteilung der Lebenschancen in der Gesellschaft, da er mit Durchschnittswerten arbeitet. Trotzdem kann man ihn als erste Annäherung an den Lebensstandard des jeweiligen Landes im Vergleich zu anderen Ländern benutzen. Eine sehr hohe durchschnittliche Lebensqualität zeigt ein Wert über 0,9 an.
Der Global Competitiveness Index misst die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft eines Landes. Er ermöglicht mit der Anzeige sowohl die Beurteilung der Entwicklung des Landes im Zeitablauf als auch den Vergleich zu anderen Volkswirtschaften.
Die Metaebene
Generell dient der Vergleich der einzelnen Mitgliedsstaaten auch dazu festzustellen, wie weit die sozialen Grundbedürfnisse der Bürger*innen im Sinne der Daseinsvorsorge befriedigt werden. Ist der Zugang zur kostenlosen Allgemein- und beruflichen Bildung vorhanden? Haben alle Zugang zu sauberem Trinkwasser zu erschwinglichen Preisen und zur Abwasserbeseitigung? Gibt es einen Versicherungsschutz gegen Krankheit und Arbeitslosigkeit und funktioniert das Gesundheitssystems? Hat jede/r eine Rentenversicherung bzw. andere Formen der Altersvorsorge? Gibt es eine Mindestsicherung bei Armut und Schutz vor Diskriminierung? Ist das Steuersystem ein“ gerechtes“ ? Ist der Rechtsstaat funktionsfähig? Gibt es faire, demokratische Wahlen etc. ?
Einzelne Länder können zumindest für einzelne Bereiche als „bench mark“ dienen: Skandinavische Länder sind z.B. vorbildlich in der Korruptionsbekämpfung. Wir Europäer sollten voneinander ohne Vorurteile lernen, um gemeinsam den Lebensstandard zu verbessern. Dann wird aus dem Vergleich eine win-win-Situation!
Nur wer die Vergangenheit kennt…
Die geschichtliche Entwicklung nimmt jeweils einen relativ breiten Raum ein. Ohne deren Kenntnis ist die Gegenwart mit ihren spezifischen Eigenarten gerade auch gegenüber Nachbarländern nicht verständlich. Politisch-kulturelle Animositäten, wenn nicht gar Feindschaften und kriegerische Niederlagen wirken oft auch noch Jahrhunderte später nach. (Beispiel: In Serbien war in den neunziger Jahren z.B. immer vom Amselfeld die Rede. Dort hatten die Serben 1389 eine vernichtende Niederlage durch die Osmanen erlebt.) In geschichtlichen Darstellungen sind allenfalls die berichteten Fakten objektiv nachvollziehbar. Die Interpretation der Entwicklungen erfolgte in der Vergangenheit meist aus nationalstaatlicher Perspektive und ist daher meist einseitig.
Vergangenheiten, die nur schwer vergehen
Bis heute hin betreiben viele Länder Geschichtspolitik zur Legitimierung ihrer Macht- und Expansionsinteressen. So rekurriert -bezieht sich- der Präsident der Türkei auf das Osmanische Reich, um Gasbohrungen vor Griechenland zu rechtfertigen oder Mitspracherechte in Libyen einzufordern. So bezieht sich Russlands autokratischer Präsident Putin auf die Größe der untergegangenen Sowjetunion, um seine Herrschaftsansprüche gegenüber der Ukraine und Weißrussland zu legitimieren. Auch in West-Europa hängen manche Staaten ihren früheren Weltmachtträumen nach.
Quellen und Hintergrund unserer Darstellung
Die hier vorgestellten Kurz-Darstellungen der einzelnen Mitgliedsländer der EU versuchen jeweils die Fakten zu berichten, so wie sie aus Wikipedia, dem Brockhaus und der Enzyclopedia Britannica zu entnehmen sind.
Die Einordnung erfolgt aus der Perspektive der Werte, für die die EU steht. Das sind zuvörderst: Achtung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und eine unabhängige Presse. Soziale Marktwirtschaft, Solidarität, Freiheit und Hochachtung vor der kulturellen Vielfalt des Kontinents gehören ebenfalls dazu.
Grenzen heute
Generell ist darauf hinzuweisen, dass über Jahrhunderte in Europa um Territorien Krieg geführt wurde. Die Grenzen der Staaten wurden immer wieder verschoben je nach den Wünschen der Sieger oder durch Heiratspolitik. Heute in der EU sind die Grenzen der jeweiligen Mitgliedsstaaten mit wenigen Ausnahme festgeschrieben und nicht mehr umkämpft. Das ist ein gewaltiger Fortschritt gegenüber früher. Einige Ausnahmen gibt es noch. In Zypern hält die Türkei einen Teil der Insel besetzt. Außerdem streitet sie im Konflikt mit Griechenland um die Grenzen ihres Festlandssockels zur Ausbeutung von Rohstoffen aus dem Meer. Gibraltar ist zwischen Großbritannien und Spanien umstritten. Estland konnte die Grenzfragen mit Russland bis heute nicht abschließend klären. In Anbetracht des Großmachtgehabes von Russland, kann sich das durchaus schnell zu einer realen Gefahr entwickeln.
Innerhalb der EU sind heute allenfalls separatistische Bewegungen virulent, so in Katalonien, im Baskenland oder auf Korsika.
Frühere Groß-Reiche
Praktisch alle heutigen Mitgliedsstaaten der EU waren früher einmal größer bzw. gehörten zu einem größeren Staatenverbund.
Karl V. konnte sich rühmen, dass in seinem habsburgischen Reich die Sonne nicht untergeht. Heute sind sowohl Österreich wie auch Spanien relativ kleine Staaten und ohne Kolonien.
Auch Belgien, die Niederlande, Frankreich, Portugal und Italien waren dereinst große Kolonialreiche.
Nur Irland, das 1922 selbständig wurde durch Abspaltung von Großbritannien, sowie Malta und auch Luxemburg waren früher keine Großmächte.
Die Europäische Union mit ihren Freiheiten macht die bestehenden Grenzen durchlässig: insbesondere durch die Reisefreiheit und durch die Niederlassungsfreiheit. Die Frage, welcher Landesteil früher zu einem anderen Land gehörte, verliert daher an Bedeutung. Beispiele dafür sind Süd-Tirol oder Elsass-Lothringen oder (das polnische)Ostpreußen.
Gemeinsame historische Erfahrungen
a)Christentum – Islam
Durch die europäische Geschichte zieht sich wie ein roter Faden die Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Religionen. Einerseits zwischen Katholizismus und griechischer Orthodoxie, sowie zwischen Katholizismus und Protestantismus – innerhalb Europas. Andererseits gravierend waren und sind die Auseinandersetzungen zwischen Christentum und Islam. Besonders auf dem Balkan fand ein Jahrhunderte andauernder Kampf gegen das Osmanische Reich statt. Aber auch das Eindringen der Muslime aus Nordafrika in Spanien, sowie später deren Vertreibung waren prägende Epochen in Europa.
b) Religion – Aufklärung
Ein zweiter Grundzug der europäischen Geschichte ist die Auseinandersetzung zwischen der „herrschenden“ Weltdeutung der katholischen Kirche – blutig durchgesetzt zunächst mit Kreuzzügen, später mit der Inquisition und zahllosen Hexenverbrennungen. In der Aufklärung ging es dann um rationale Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Galileo Galilei erkannte, dass die Erde eine Kugel ist und nicht eine Scheibe. Er wurde von der Kirche gezwungen, die wissenschaftliche Erkenntnis zu widerrufen. Der praktische Philosoph und wissenschaftlich hoch gebildete Emanuel Kant aus Königsberg begründete das Völkerrecht als Vertragsrecht zur Sicherung des Friedens. Auch er hatte seine Schwierigkeiten mit der kirchlichen Zensur, diesmal der protestantischen Kirche.
Die fortschreitende Entwicklung der EU
Die große Besonderheit der EU ist, dass sie zunächst aus westeuropäischen Staaten gebildet wurde, die sich nach dem Ende des 2. Weltkrieges als Demokratien in mehr als 70 Jahren entwickeln konnten. Allerdings dauerten die Militärdiktaturen in Griechenland, Spanien und Portugal bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Die 11 Staaten Osteuropas lebten dagegen viele Jahrzehnte im totalitären Kommunismus. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 konnten sie erst nach einem Übergangsprozess nach und nach der EU beitreten. Die Erfahrungen dieser Länder mit Demokratie sind meist kürzer als 20 Jahre. Nur die ehemalige DDR kam durch die Vereinigung mit Westdeutschland schon 1990 in die EU.
Aber lange nachwirkende retardierende Elemente
Der „Eiserne Vorhang“ zwischen Ost und West ist verschwunden. Aber obwohl die Freiheiten der EU auch im Osten gelten, so sind die unterschiedlichen Erfahrungen mit den jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Systemen noch virulent. Wie sonst kann erklärt werden, dass z. B. Ungarn vom Regierungschef Viktor Orban als „illiberale Demokratie“ im positiven Sinne bezeichnet wird? Und dass auch andere Staaten aus dem osteuropäischen Bereich sich mit den Werten von Demokratie und Rechtsstaat sehr schwer tun?
Überwindung historischer Prägungen
Die USA haben die Tatsache der Sklaverei in den Südstaaten und deren Folgen bis heute nicht aufgearbeitet. Deshalb gibt es noch immer kein umfassend friedliches Zusammenleben. Die Aufhebung der Sklaverei auf dem Papier geschah vor knapp 150 Jahren. Die Überwindung der Teilung in Ost und West unter dem Dach der EU wird hoffentlich schneller voranschreiten, aber es muss ständig daran gearbeitet werden!
In der EU gibt es 24 Amtssprachen einschließlich dem Englischen als Lingua franca (trotz Brexit). Es gibt 3 Alphabete: Lateinisch, Griechisch und kyrillisch (die slawische Schriftart). Die EU muss also einen umfangreichen Apparat an Übersetzer*innen vorhalten, um die Verständigung auf diesem so vielfältigen Kontinent zu organisieren. Verständigung ist aber immer mehr als sprachliche Übersetzung.