Mit der Einführung des privatwirtschaftlichen Rundfunks (Hörfunk und Fernsehen) in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts veränderte sich die Gesellschaft nachhaltig. Wer von nun an vorrangig die „neuen“, durch Werbung finanzierten Programme „konsumierte“, wurde entpolitisiert. Er oder sie konnte sich in die „schöne“ große Konsumwelt zurückziehen ohne Konfrontation mit politischen oder wirtschaftlichen Nachrichten. Die für eine Demokratie unverzichtbare Bildung einer eigenen Meinung zu den großen gesellschaftlichen Fragen auf nationaler oder europäischer Ebene war für diese „Klientel“ nicht mehr erforderlich. Ausdruck dieser Entwicklung sind der seitdem ständige Rückgang der Mitgliederzahlen bei den politischen Parteien, bei den Gewerkschaften sowie sogar den Kirchen und auch bei den Vereinen. Daraus u.a. folgen auch die dramatischen Verluste der bisherigen bürgerlichen Parteien „der Mitte“ bei Wahlen.
Das Hochkommen der „sozialen“ Medien
a) Folgen auf zunächst privater Ebene
Die Erfinder der sog. sozialen Medien priesen deren Nutzung als Verbreiterung demokratischer Mitsprachemöglichkeiten. Das Aufkommen dieser Medien ermöglichte es schnell „Jedermann“, zu Allem und Jedem einen Kommentar ins Netz zu stellen. Die Begeisterung bei den Nutzer*innen war zunächst groß. Aber schon bald nutzten auch junge „User“ das Internet, um Mitschüler*innen zu beleidigen und auszugrenzen. Da die Nutzung weitgehend anonym machbar war und ist, ermöglichten diese Jedem leicht zugänglichen Medien, sich unkontrolliert Pornos „rein zu ziehen“. Dann folgten nicht nur Kontaktaufnahme und Missbrauch von Kindern sondern auch und vor allem, solche Taten im Netz zu potenzieren. Ein weiteres Problem ist inzwischen die massenhafte Verbreitung von Hass-Mails. So konnten und können für die Gesellschaft zerstörerische Fake News propagiert und Shit-Storms ausgelöst werden. Dies alles geschieht völlig „verantwortungslos“. Gänzlich ungeprüft durch recherchierende Journalisten kann Jeder veröffentlichen, was anderen Menschen und der Gesellschaft und auch der Demokratie schadet.
b) Folgen auf politischer Ebene
Hinzu kommt mittlerweile die massenhafte Verbreitung von „Bots“, von Behauptungen, die der üblen Meinungsmache dienen. Oft sind die Bots sogar von fremden Staaten lanciert. Damit wird die „öffentliche Meinung“ regelrecht pervertiert. Das verunsichert orientierungslose Bürger, die nicht politisch wach bzw. aufgeklärt sind. Sie merken nicht, dass sie Meinungen „aufsitzen“, die von Maschinen generiert werden.
Das Projekt der Aufklärung war die Wahrheitssuche in der Auseinandersetzung mit offenem Visier. Medien gelten bei uns als „vierte Gewalt“. Ihre Funktion ist einerseits, Garanten der Informationsvielfalt zu sein und andererseits Kontrolle der Regierung zu sein. Seriöse Journalisten tragen oftmals dazu bei, kritische Fragen zu recherchieren oder sogar Skandale aufzudecken. Die neuen, angeblich sozialen Medien drängen diese für die Demokratie wichtigen Funktionen der öffentlichen Medien zunehmend in die Defensive. Viele Menschen sparen das Geld für das Abonnement einer seriösen Informationsquelle. Sie informieren sich nur noch in „ihrer Blase“. Notwendig wäre daher ein anderer Begriff für die bisher weitgehend unregulierten „sozialen“ Medien. Ihre privatwirtschaftlichen Besitzer und Betreiber sträuben sich trotz all dieser Erkenntnisse sehr stark gegen die Anwendung von Regulationsmechanismen, da sie mit der Nutzung durch breite Massen viel Geld verdienen.
Feinde von Europa und der Kampf um die öffentliche Meinung
Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege, will Europas Rechtsparteien vereinigen. Mit Hilfe einer perfiden Medienstrategie versucht er, eine „Rebellion“ gegen die EU anzuzetteln. Nach Bannons Ansicht sollen sich die Medien am Meinungsmüll, (der gerade auch vom ständig twitternden Trump produziert wird), überfressen. Die von Rechten produzierten Fake News haben das Ziel, die Glaubwürdigkeit der Nachrichten der seriösen Medien zu unterminieren. Überdies sollen Hass-Mails die seriösen Journalisten einschüchtern. Es geht den rechten Strategen darum, die Grenze zwischen Wahrheit und Unwahrheit unkenntlich zu machen. Es geht Bannon darum, die Gesellschaft „reif“ zu schießen. Dann könnten autoritäre, nationalistische und rassistische Politiker als Heilsbringer endgültig die Macht an sich reißen, vertritt Bannon. Dann sei Politik zur Durchsetzung rein egoistischer Partikularinteressen am Ziel angekommen. Verbrämen könne man das mit dem Reden von nationaler Größe und dem Streben nach weltpolitischer Vormachtstellung.
Unterdrückung der freien Meinung
Es ist leider nicht so, dass Bannons Jubel über den medienpolitischen Vormarsch der weltweiten Rechten frei erfunden wäre. Im Handstreich brachte die polnische PiS-Partei öffentlich-rechtliche Sender auf Linie. In Ungarn führt Viktor Orban schwarze Listen über Journalisten und versucht, mithilfe von Strohmännern und „befreundeten Verlegern“ kritische Medien mundtot zu machen. Auch Österreichs (früherer) Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sagte unverblümt, wohin die Reise gehen sollte. Im ORF werde man „Optimierungen“ an der Objektivität vornehmen und für eine nachhaltige „Identitätssicherung“ (der eigenen Regierung) sorgen. Ein schönes Beispiel von Verwendung verschleiernder Vokabeln. Das Twittern sollten die Redakteure künftig ganz einstellen. Als ein ORF Korrespondent wagte, Ungarn als „demokratische Diktatur“ zu bezeichnen, drohte ein FPÖ-Politiker, dass man ein Drittel aller Auslandskorrespondentenstellen streichen werde, sollten die Journalisten „nicht korrekt berichten“ (vgl. Kitsch und Kampf von Thomas Assheuer, DIE ZEIT Nr. 31 S.35).
Lichtblick
Inzwischen konnten sogar publizistische Betrügereien des vormaligen Kanzlers Sebastian Kurz aufgedeckt werden. Sie führten immerhin zu seinem Rücktritt. Auch bei Strache hatte ein mutiger Journalist (?) einen großen Skandalaufgedeckt.
Zusammenwirken äußerer und innerer Feinde
Bei diesen kritischen Problemfeldern überschneiden sich die Probleme innerhalb der EU, wie sie in Ungarn, Polen, Österreich und Italien festzustellen sind, und die Bedrohungen der EU von außen. Sowohl Trump und Bannon, sowie russische bots spielen sich gegenseitig in die Hände mit dem Versuch, die nationalistischen Rechten in Europa zu einen und schlagkräftiger zu machen. Der offizielle Botschafter der USA in Berlin unter Trump, Grenell, hatte als Ziel der amerikanischen Außenpolitik ausgegeben, die konservativen Kräfte in Europa zu stärken. Gemeint sind damit all die Kräfte, die ein geeintes Europa zerstören wollen.
Konsequenzen
Vor diesem Hintergrund zählt zur europäischen Selbstbehauptung vorrangig die Verteidigung der Pressefreiheit, der Freiheit eines kritischen Journalismus in pluralistischen Medien und die Verteidigung der Unabhängigkeit der Justiz. Die permanente Förderung politischer Bildung und die Vermittlung von Medienkompetenz müssen in allen europäischen Ländern unbedingt verstärkt werden.