Norwegen, Island, Lichtenstein
Norwegen ist ein Land mit 5,4 Millionen Einwohnern im Jahre 2020. Zusammen mit Island und Lichtenstein sind diese drei seit dem 1.1.1994 der EU als Mitglieder des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), einer vertieften Freihandelszone, und als Mitglieder des Schengenraumes eng verbunden. Durch die Teilnahme am Gemeinsamen Markt haben sie sich verpflichtet, den „Aquis Communitaire“, also die Gesamtheit des EU-Rechts zu übernehmen. Norwegen wird deshalb auch als „Fax-Demokratie“ bezeichnet, die ihre Gesetze den Binnenmarkt betreffend, per Fax aus Brüssel erhält. Bisher sind mehr als 6000 europäische Gesetze in nationales Recht in Norwegen übernommen worden.
Finanzielle Beiträge zur EU
Norwegen leistet im Gegenzug für seine Teilnahme am Europäischen Binnenmarkt einen wesentlichen finanziellen Beitrag zur Kohäsion in der EU. Da ist zum einen der EWR Finanzmechanismus. Geberländer sind Norwegen, Island und Lichtenstein. Da ist zum anderen der Norwegische Finanzmechanismus. In der Periode 2009 bis 2014 betrugen die Zahlungen aus beiden Mechanismen 1,8 Milliarden Euro an die EU. Norwegen allein trug 97% der Summe. Empfängerländer sind die Staaten, die 2004 und 2007 der EU beigetreten sind, sowie teilweise Portugal, Griechenland und Spanien.
Norwegen, Island und Lichtenstein sind damit die am weitesten in die EU Strukturen integrierten Drittstaaten. Norwegen ist Nato-Mitglied und nimmt an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU teil. Der frühere deutsche Außenminister Westerwelle bezeichnete Norwegen als den „aktivsten Außenseiter“.
Seit dem Beitritt Norwegens zum EWR wächst die norwegische Wirtschaft bis 2015 um 60% und die Beschäftigungsquote stieg um 25%. Dieser Aufschwung setzt sich weiter fort. Norwegen exportiert Erdöl und Gas sowie Fisch und Meeresfrüchte bevorzugt in die EU. 2018 betrug das BIP pro Kopf, Kaufkraft bereinigt, 74.367,-US Dollar und der HDI der sehr zufriedenen und ausgeglichenen Norweger betrug 0,957!
Wäre Norwegen Vollmitglied in der EU, würde es zu den Nettozahlern gehören. Hat das Norwegische Volk den Beitritt zur EU deshalb abgelehnt?
Die Schweiz
Auch die Schweiz gehörte früher zur EFTA. 2020 ist sie ein Land, in dem 1,4 Mill. Menschen leben, in den Alpen im Herzen Europas mit 4 Amtssprachen – Deutsch, Französisch, Italienisch und Rhätoromanisch. Die Schweiz hat eine Friedenserfahrung, die weit, weit über die Zeit der Europäischen Union hinausreicht. Im Grunde ist sie prädestiniert, Mitglied der EU zu sein und eine führende Rolle zu übernehmen. Seit 1972 gibt es ein bilaterales Handelsabkommen mit der damaligen EG und der Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
Doch sowohl 1992 als auch 2001 erfolgte durch Volksabstimmung die Ablehnung der Mitgliedschaft. Der Wahlkampf dagegen fußte auf dem Verweis auf die Neutralität.
Statt Mitgliedschaft bilaterale Verträge
1999 wurde das erste von 2 Paketen bilateraler Verträge mit der EU abgeschlossen. Es betrifft die Personenfreizügigkeit, den freien Luft- und Landverkehr, das Beschaffungswesen, die Teilhabe der Schweiz an europäischen Forschungsprogrammen, die Agrarwirtschaft und die Aufhebung technischer Handelshemmnisse. Die Zahl der Abkommen beläuft sich auf 120.
In diesem 1. Paket ist der freie Personen- und Güterverkehr besonders wichtig. Die Schweiz ist nämlich von nicht zu überschätzender Bedeutung für den Transit von Nordeuropa ans Mittelmeer und umgekehrt. Die Schweiz ist vorbildlich durch den Ausbau des Schienennetzes mit großen Tunnelprojekten vorangegangen. In Süddeutschland dagegen hapert es mit dem Ausbau der entsprechenden Infrastruktur. Am 27.9.2020 bekräftigen Die Schweizer*innen in einem Referendum, dass sie an der Personenfreizügigkeit festhalten wollen. Täglich gibt es 340.000 Berufspendler. Der Handel mit der EU macht 60 Prozent des Schweizer Bruttoinlandsprodukts aus.
Das zweite Paket
von 2004 betrifft die Zusammenarbeit u. a. in den Bereichen der Polizei und der Justiz, der Migration, der Zinsbesteuerung, der Betrugsbekämpfung, dem Umweltschutz, den Renten, dem Austausch von Medienprogrammen, der Bildung, der Berufsbildung und Jugend. Das zweite Paket war kontroverser als das erste. Bei der Zinsbesteuerung beharrte die Schweiz auf dem Bankgeheimnis zum Schutze der Anleger in den Schweizer Banken. Die EU wollte die Besteuerung der Zinsgewinne als Teil der Einkommenssteuer durchsetzen. Dies war der EU wichtig in dem Bemühen, die Steuervermeidung zu beenden. Viele Kunden aus europäischen Ländern legten ihr Geld auf Schweizer Banken an, um im eigenen Land Steuern zu vermeiden. Erste Annäherungen der Standpunkte wurden erzielt. Aber das 2. Paket ist noch nicht endgültig geschnürt. Seit 2018 hat der Bundesrat der Schweiz den vorgelegten Entwurf nicht gebilligt. Es gibt aber „intensive“ Konsultationen, „um in einzelnen Punkten …Klärungen vorzunehmen“.
Das Problem durch die Verzögerung
Einige der bestehenden Abkommen laufen aus, bzw. liefen 2020 aus und neue können ohne das Rahmenabkommen nicht geschlossen werden, so die Deutsch-Französich-Schweizerin und EU-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg der Grünen Fraktion auf ihrer Website.
Insgesamt lässt sich aber sagen, dass die Schweiz weitgehend in die EU integriert ist. Sie ist sogar dem Schengen Abkommen beigetreten, allerdings ohne Nettozahler zu sein. Sie zahlt jedoch 2 Mrd. CHF pro Jahr an die EU. Mehr als die Hälfte davon zahlt sie – so wie Norwegen – zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit der seit 2004 beigetretenen früheren Ostblockländer.
Ergänzung vom 26. Mai 2021
Nach sieben Jahren Verhandlungen hat die Schweiz den Rahmenvertrag wegen Uneinigkeit in drei Punkten platzen lassen. Gewerkschaften und die rechte Partei SVP hatten Bedenken, dass u.a. der Schutz der hohen Schweizer Löhne nicht garantiert sein könnte. Im Artikel von NTV wird u.a. berichtet, dass die Zahlungen an die EU für die früheren Ostblockländer ab 2016 blockiert worden sind. Die EU warnt nun die Schweiz, dass ältere Abkommen ggfs. nicht mehr aktualisiert werden würden und es keine neuen geben werden. Die bilateralen allerdings blieben bestehen.
Europäische Zwergstaaten
Andorra in den Pyrenäen zwischen Spanien und Frankreich, Monaco am Mittelmeer zwischen Italien und Frankreich, San Marino und der Vatikanstaat in Rom, diese drei Staaten sind durch spezielle Verträge mit der EU verbunden. Nach Ansicht der Kommission von 2021 bieten die Optionen (Rahmenassoziierungsabkommen) und (Beteiligung am EWR) sowohl flexible als auch umfassende Lösungen. Sie tragen den Anliegen der drei Länder Rechnung, erfüllen aber gleichzeitig die Anforderungen der EU. Aus diesem Grund sind sie die bevorzugten Optionen, auch wenn sie u. a. im Hinblick auf ihre Umsetzung einer weiteren Prüfung bedürfen.
Großbritannien
Großbritannien, bestehend aus England, Wales, Nordirland und Schottland, hat mehr als 66 Millionen Einwohner. Ab 1.1.2021 ist der Brexit wirksam. Großbritannien, das aus der EFTA ausgetreten und zum gleichen Zeitpunkt 1973 der EU beigetreten war, ist nun nicht mehr EU-Mitglied. Aber zum 24.12.2020 ist es nach sehr mühsamen Verhandlungen gelungen, ein Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und Großbritannien abzuschließen. Damit ist auch dieses Land vertraglich an die EU gebunden.
Der Inhalt des Vertrages
Dieser Vertrag umfasst vor allem ein Freihandelsabkommen, also zollfreien Warenaustausch. Auch eine neue Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft wurde ausgehandelt. Dazu gehören Investitionen, Regeln des fairen Wettbewerbs, staatliche Beihilfen, Steuertransparenz, Luft und Straßenverkehr, Energie, Nachhaltigkeit, Fischerei, Datenschutz und die Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit. Außerdem ist der Vertrag darauf angelegt, ein hohes Schutzniveau für die Bürger diesseits und jenseits des Ärmelkanals in den Bereichen wie Umweltschutz, Bekämpfung des Klimawandels, Kohlenstoffpreisgestaltung (gemeint ist der Emissionshandel mit Verschmutzungszertifikaten), Sozial- und Arbeitnehmerrechte und Steuertransparenz zu gewährleisten. Die Zusammenarbeit soll sich wie bisher auch auf die Strafverfolgung und die Justiz beziehen.
Vorteile für die EU
Die EU hat erfolgreich durchgesetzt, dass Unternehmen aus Großbritannien die EU Standards einhalten müssen, wenn sie auf dem Gemeinsamen Markt tätig sein wollen. Der Preis für sie ist eine weit höhere Bürokratie bei der Ausfüllung der entsprechenden Formulare. Großbritannien wollte durch den Brexit wieder die nationale Souveränität zurückgewinnen. Diese hat sie nur soweit erlangt, dass der EUGH nicht mehr für die Schlichtung von Streitigkeiten zuständig ist.
Großbritannien hat sich durch den Brexit innerhalb des Vereinigten Königreiches neue Spannungen eingehandelt. Schottland war vehement gegen den Brexit und strebt jetzt verstärkt nach Selbständigkeit und zurück in die EU. Wales ist auch nicht glücklich mit dem Brexit. Die Spannungen in Nordirland zwischen den Katholiken, die eine Vereinigung mit Irland anstreben und den Anglikanern, die bei England bleiben wollen, sind (zumindest latent) wieder aufgebrochen.
Die Verhandlungen konnten aber verhindern, dass zwischen Irland und Nordirland eine EU-Außengrenze entsteht. So können die vielen nordirischen Arbeitnehmer*innen weiter nach Irland einreisen, um ihrer täglichen Arbeit nachzugehen. Eine ähnliche Regel ist für das britische Gibraltar gefunden worden.
Der Austritt des Landes aus der EU hat grundsätzliche Erkenntnisse gebracht
a) auf Großbritannien bezogen
- Großbritannien läuft einer Großmacht – Illusion aus seiner Kolonialzeit hinterher. Es meint, als einzelnes Land in der Welt bessere Handelsverträge abschließen zu können als im EU Verbund. Aus Sicht der großen potentiellen „Handelspartner“ China, USA, Südamerika usw. lässt sich ein Land von „lediglich“ 66 Millionen Einwohner leichter über den Tisch ziehen als die EU mit heute rund 450 Millionen Einwohner*innen.
- Der Brexit, und das würde für andere „Austrittskandidaten“ auch gelten, hat die internen Spannungen im Land erhöht und separatistische Tendenzen – siehe Schottland – verstärkt. Unter dem gemeinsamen Dach der EU wäre dies vermutlich nicht passiert.
- Aus übergeordneter Sicht ist völlig unverständlich, wieso Großbritannien mit dem Brexit darauf verzichtet, in der EU als großes Mitglied über die Mitbestimmung über die europäische Zukunft Einfluss zu nehmen. Über Jahrhunderte hat es sich als eine bestimmende Macht auch in Europa verstanden.
b) übergeordnete Gesichtspunkte
- Eventuelle weitere Austrittskandidaten werden es sich dreimal überlegen, ob sie so einen Schritt wirklich vollziehen sollen. Großbritannien „verzichtet“ nach dem Brexit auf die Hilfen aus dem Corona – Wiederaufbaufonds und auf die Teilnahme an der Regionalpolitik.
- Das Referendum von 23.6.2016 zu so einer komplexen Frage wie einem Austritt war vollkommen ungeeignet als „Ja-Nein“ Entscheidung. Die Diskussion darum verlief stark ideologisch – nationalistisch aufgeladen. Außerdem wurde sie von der EU feindlich gesonnenen ausländischen Kräften per Bots manipuliert. Diese Erfahrung bestätigt die grundsätzliche Skepsis gegenüber Volksabstimmungen.
Großbritannien ist allerdings weiterhin Nato-Mitglied und Atommacht.
Für die EU gilt weiterhin: nur solidarisch gemeinsam können wir in Europa Krisen bewältigen und für einen sozialen Ausgleich zwischen den Regionen sorgen.