EU-Parlament mit großer Mehrheit für den Net Zero Industry Act (NZIA)

Bis 2030 will die EU schon 40 % des jährlichen Energiebedarfs  aus heimischer Produktion decken. Die Plan- u. Genehmigungsverfahren zum Bau der dafür notwendigen Anlagen in dem Gebiet der EU sollen deshalb beschleunigt werden. Damit will die EU Investitionen in die sog. Clean-Tech-Industrien anregen. Vor allem bereits marktreife Technologien soll die Verordnung puschen und dadurch dem EU-Energiegesetz „den Rücken stärken“, so die Kommission.

Im Prinzip gehören zu dem Katalog, den die Richtlinie umfasst, alle Technologien, die die Entkarbonisierung vorantreiben. Als Schlüsseltechnologien nennt die Kommission: Photovoltaik und Solarthermie, Elektrolyseure und Brennstoffzellen, Onshore Windenergie und erneuerbare Offshore-Energie, Nachhaltiges Biogas/Bio-Methan.  Batterien und Speichertechnologie, wie auch das Abfangen und Speichern von CO²,  Wärmepumpen und Geothermie, sowie Netztechnologie sind inbegriffen.

Zwar muss der Rat noch formal zustimmen, aber bei einer Mehrheit von 361 Abgeordneten (bei „nur“ 121 Gegenstimmen) scheint das eher eine Formsache zu sein. Zumal der Rat sich informell vorab bereits für das Gesetz ausgesprochen hat.

Erneuerbaren-Energie-Richtlinie von Solarbranche begrüßt  

Die Branche fordert die nationalen Behörden auf, bei öffentlichen Ausschreibungen auch die im Gesetz festgehaltenen Nachhaltigkeits- und Resilienz-Kriterien  ab sofort einzuhalten. Sie ist an einer schnellen Umsetzung interessiert. Die EU-Kommission hat am 13. Mai neue Empfehlungen und eine Leitlinie zu dieser Richtlinie herausgegeben.  Die Mitgliedstaaten können danach für 30 Prozent der Ausschreibungskriterien Anforderungen stellen, die sich nicht auf den Preis beziehen. Darunter fallen zum Beispiel Kriterien für die Cybersicherheit von Komponenten, die auch durch den Net-Zero Industry Act (NZIA) verlangt werden. Dabei geht es vor allem um „die Schlechterstellung von chinesischen Technologieanbietern“ bei Ausschreibungen. Außerdem um Planungsbeschleunigung und die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten für erneuerbare Energie .

14. Mai EU-Leitlinien: Damit die EU ihre Ziele für erneuerbare Energien bis 2030 erreichen kann, sollen die Mitgliedsstaaten bis 2026 sogenannte „Schnellstartzonen“ einrichten. Gleichzeitig hat die EU-Kommission die Tür für restriktivere Auktionen für erneuerbare Energien geöffnet. Die EU bietet neue Unterstützung für Genehmigungsverfahren und eine Abkehr von preisbasierten Auktionen für erneuerbare Energien. Jedes EU-Mitglied muss bis Februar 2026 mindestens eine Schnellstartzone haben.

Skepsis in Bezug auf die Effektivität 

In einem öffentlich ausgetragenen Rededuell zwischen zwei EU-Politikern gegensätzlicher Lager  ging es darum, ob der Green Deal den Industriestandort Deutschland eher fördert oder gefährdet.  Michael Bloss von den Grünen sieht das neue Gesetz insofern kritisch, als es kaum neue Finanzmittel bereit stelle. Wegen der kriegsbedingten Energieverknappung und -Verteuerung gebe es deshalb Probleme. Aber es sei sehr wichtig, die Richtung vorzugeben. Dafür sei der Green Deal erforderlich.

Dr. Christian Ehler, Volkswirt von der EVP kritisierte, dass der NZIA viel zu viel Regulierung mit sich bringe. Der Markt alleine wisse besser, wo die Entwicklung sich hinbewege. Regulierung koste uns Milliarden. Und öffentliche Mittel seien ohnehin nicht in der Lage, Transformationsprozesse zu formen. (24.4.2024, Deal or No Deal, Table.Briefings). Aber vielleicht etwas Anderes?! Was?

Chinesische Solarfirmen ziehen sich zurück

Denn die EU hat im Januar 2023 die Verordnung gegen Drittstaatensubventionen erlassen. Ab Juli konnte die Kommission Untersuchungen einleiten. Und ab Oktober 2023 wurde die Verordnung wirksam. Die Verordnung richtet sich gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen aus Drittstaaten, also nicht EU-Staaten.

Am 13.5.2024 teilt die Kommission mit, dass sich mehrere chinesische Firmen von einem Solar-Projekt in Rumänien zurückgezogen haben. Die Firmen hatten sich für eine Ausschreibung zum Bau eines 450 MW Photovoltaikparks in Rumänien beworben. Der jetzt erfolgte Rückzug kam wenige Wochen, nachdem die EU-Kommission wenige Wochen zuvor Untersuchungen eingeleitet hatte. Ihre Begründung: Es gebe genügend Indizien, dass den Unternehmen „fremde Subventionen gewährt wurden, die den Binnenmarkt verzerren“.

Da dies nach einem Eisenbahnprojekt in Bulgarien bereits der zweite solche Fall ist, lässt sich schlussfolgern, dass die Verordnung ihre positive Wirkung für den europäischen Binnenmarkt entfaltet. Die Anwendung geschieht im Sinne des De-risking, also der Minimierung des Risikos der Abhängigkeit unserer Industrie von auswärtigen Mächten, bzw. der Entkopplung von chinesischer Einflussnahme. Eine kriegerische Auseinandersetzung mit China  ist für den Fall, dass das Land Taiwan angreift, nicht auszuschließen. Zumindest nicht für die USA. Es wäre dann damit zu rechnen, dass China die gesamte „Freie Welt“  mit Lieferstopps wichtiger Güter gefügig zu machen versucht, bzw. erpressen wird.

Ob also „der Markt“ alleine besser wisse, was gut sei, wie oben argumentiert, lässt sich in dieser Weltlage stark bezweifeln.

29.6.2024 Net-Zero Industry Act in Kraft getreten

Bundeswirtschaftsminister R. Habeck nennt das Gesetz: einen  „Booster für die Produktion von Netto-Null-Technologien in Deutschland und Europa“, ein Gesetz für Beschleunigung, Bürokratieabbau und mehr Investitionen. Damit werde „Planbarkeit für den Ausbau von Produktionskapazitäten“ geschaffen, die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz gestärkt und „unsere Wirtschaftssicherheit erhöht“, so Habeck. Dazu gehöre, „die für die energieintensive Industrie wichtige Aufnahme von transformativen Industrieprozessen in den Anwendungsbereich. Das bedeutet, dass zum Beispiel Stahl- oder Zementproduzenten, …..ebenfalls von einer schnellen Antragsprüfung profitieren werden. Außerdem möchte das Wirtschaftsministerium durch die Ansiedlung von Net Zero Clustern die Wettbewerbsfähigkeit fördern. Als industriepolitisch besonders wertvoll betrachtet Habeck „die verpflichtende Anwendung von Nachhaltigkeits- und Resilienzkriterien in der öffentlichen Auftragsvergabe sowie bei Teilen der Ausschreibungen im Bereich Erneuerbare Energien (EE)“. Allerdings will er  bei der Anwendung zusätzlicher Anforderungen die Balance wahren, damit „der schnelle Zubau erneuerbarer Energien weiter gewährleistet bleibt“.

Erneuerbare EU-weit vorn

Schon 2022 wurden fast 40 % der Nettostromerzeugung in der EU  aus Erneuerbaren erzeugt. In den einzelnen Ländern ist der Anteil noch sehr unterschiedlich. Aber  insgesamt lagen die fossilen Brennstoffe in dem Jahr bereits mit etwas über 38% bereits unter den Erneuerbaren. Und erst an 3. Stelle folgte die Atomenergie mit nur noch knapp 22%. Das sind offizielle Zahlen der EU-Kommission.

Die Erneuerbaren setzen sich dabei zusammen aus Wind-Energie mit rund 16%, Wasserkraft gut 11%, Solarenergie knapp 8% und Biomasse gut 4%. Bei den fossilen Brennstoffen lag Erdgas zu dieser Zeit mit knapp 20% vor der Kohle mit knapp 16%. Erdöl und andere Stoffe machten jeweils sehr knapp noch 2% aus. Das Verhältnis kann sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in den letzten Jahren natürlich verschoben haben.

Im übrigen haben sich Unterstützer-Staaten der Erneuerbaren zusammengeschlossen – in Reaktion auf einen Zusammenschluss von Staaten, die eine Lobby für die weitere Finanzierung von Atomkraft wollten. Die Erneuerbaren-Unterstützer setzen sich aus 12 Staaten zusammen. Sie repräsentieren rund 55% der EU-Bevölkerung. Zu den Atomkraft-Beharrern gehören 10 Staaten mit etwa einem Drittel der EU-Bevölkerung. Ein Land gehört zu beiden Gruppen. Das sind die Niederlande.

Dez. 2024, Die Situation in Deutschland

Bei der Solarenergie wurde das Ausbauziel in den beiden vergangenen Jahren weit übertroffen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) hatte unter dem grünen Wirtschaftsminister mehrere Gesetzespakete verabschiedet, die die Solaranlage auf dem eigenen Dach oder sogar Balkonsolaranlagen auch für Mieter enorm vereinfacht und kostengünstiger gemacht hatten. Ende Juni betrug die Leistung aller 4,3 Millionen installierten Solaranlagen mehr als 90 Gigawatt. Bis 2030 sollen in Deutschland Solaranlagen mit einer elektrischen Gesamtleistung von 215.000 MW (215 GW) auf Dächern installiert und auf Freiflächen aufgestellt sein.

Weitere Entbürokratisierungs-Gesetze verschaffen nun auch dem Ausbau von Windkraftanlagen einen neuen Turbo. Das BMWK hat bestimmte Naturschutzgesetze, die eine Bremse darstellten, entschärft und Planungsverfahren beschleunigt. Und es hat die Bundesländer verpflichtet, Windgebiete auszuweisen. So sollen bis 2027 1,4 Prozent und bis 2032 gemittelt zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windräder verfügbar sein. Das ist eine enorme Herausforderung, da derzeit nur 0,8 Prozent der Bundesfläche ausgewiesen und nur 0,5% genutzt sind. Für die einzelnen Länder bestehen unterschiedliche Anforderungen ja nach Größe der Länder, aber auch nach Windverfügbarkeit. Außerdem ist mit der Möglichkeit der finanziellen Beteiligung von Kommunen oder Bürgergesellschaften viel Widerstandspotenzial gegen die Turbinen abgebaut worden.

Während 2022 mit einem Zubau von 551 Anlagen insgesamt 58 Gigawatt Stromerzeugung erreicht wurde, sind durch die Ermöglichungs-Gesetze allein 2024  Zuschläge für Windparks mit einer Leistung von über 11 Gigawatt erteilt worden. Das ist rund doppelt so viel wie im bisherigen Rekord-Jahr 2017 installiert wurde.  Bis die Anlagen stehen, vergehen allerdings rund zwei Jahre. Bis 2030 soll  Windkraft dann 115 GW erzeugen.

Hinzu kommt außerdem eine weitere Erhöhung der Stromerzeugung auch durch einen beschleunigten Zubau der Offshore Anlagen.

Bilanz der Erneuerbaren in Deutschland Mitte 2024

In den ersten drei Jahren 2021, 2022 und 2023 ist der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien jeweils um ca 5 Prozentpunkte gestiegen. Während er 2021 bei gut 43% lag, war er zwei Jahre später bei gut 53%.

Ende des  ersten Halbjahres 2024 lag er allerdings bereits schon bei 61.5%. Eine klar erkennbare Folge der  Gesetze zur Steigerung des Ausbaus sowie andererseits des Abbaus der Nutzung fossiler Energien in den letzten zwei Jahren. Und so kamen nur noch 38,5 Prozent der inländischen Stromproduktion aus Kohle an erster Stelle mit geringfügig über 20%,  sowie Erdgas und anderen konventionellen Energieträgern – 21,8 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2023. Die Kernkraftwerke sind – nach einer durch Russlands Krieg bedingten halbjährigen Laufzeit-Verlängerung  – endgültig abgeschaltet.

Das Ministerium für Wirtschaft und Klima hat damit den Weg zu den Erneuerbaren in den drei Jahren dieser Legislaturperiode unumkehrbar beschritten. Weitere Erleichterungen wie z.B. die Unterstützung von Bürger-Kooperativen zur Energieversorgung sind in Vorbereitung.