Einstimmige Empfehlung des Untersuchungsausschusses
Das amerikanische Repräsentantenhaus hatte nach dem Sturm auf den Kongress am 6. Januar 2021 einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Denn die neun Mitglieder, sieben Demokraten und zwei Republikaner sollten herausfinden, wie es zu dem Sturm hatte kommen können. Nach zweijähriger minutiöser Rekonstruktion kamen sie jetzt parteiübergreifend zu der Schlussfolgerung, dass es diesen fundamentalen Angriff auf das Herzstück der amerikanischen Demokratie ohne die zentrale Rolle von Trump nicht gegeben hätte. „Ohne ihn wäre es zu keinem der Ereignisse vom 6. Januar gekommen.“
Auf welchem Weg die Abgeordneten zu ihrem Ergebnis kamen
Anderthalb Jahre lang haben die Repräsentanten Videos angesehen und recherchiert. Und sie durchforsteten eine Million Dokumente. Im letzten halben Jahr haben sie dann in zahlreichen nichtöffentlichen Sitzungen und neun stundenlangen öffentlichen Sitzungen über 1000 Zeugen angehört und befragt. Eine ungeheure Sisyphus-Arbeit zum Teil vor den Augen der ganzen Nation.
Ihr 160 Seiten umfassender Kurzbericht listet 17 Punkte auf, die verdeutlichen: Trump war sich nicht nur seiner Niederlage bewusst, sondern sein Team hat ihn auch immer wieder darauf hingewiesen. Da aber alle Versuche, die Wahlergebnisse zu fälschen, nicht zum gewünschten Erfolg führten, hat Trump gezielt auf den Umsturzversuch hingearbeitet. Und er hat, nachdem er die Menge angestachelt hat, zum Capitol zu marschieren, sie um 2.24 Uhr nachmittags, mit einem Tweet gegen seinen Vizepräsidenten M. Pence aufgestachelt: “Mike Pence didn’t have the courage to do what should have been done to protect our Country and our Constitution.” (M.Pence hatte nicht den Mut das zu tun, was hätte getan werden müssen, um unser Land und unsere Verfassung zu schützen. eigene Übersetzg.)
Das einhellige Fazit des Untersuchungsberichtes
Das Ergebnis lautet: Der ehemalige Präsident solle sich für vier Straftatbestände verantworten. Der erste lautet Aufruhr bzw. Anstiftung zum Aufstand. Der zweite Verschwörung gegen die Regierung bzw. die Vereinigten Staaten. Schließlich gehe es drittens um die Behinderung des Kongresses bei seiner urdemokratischen Aufgabe, das Ergebnis der nationalen Wahl des Präsidenten festzustellen. Und viertens gehe es außerdem um eine Anstiftung bzw. eine Verschwörung zu falschen Angaben. Denn Trump hatte sich wiederholt bemüht, Wahlleiter bzw. Gouverneure einzelner Staaten zu beeinflussen, andere Ergebnisse zu übermitteln als die tatsächlichen.
Die historische Bedeutung der Kongress-Empfehlung
Der Kongress selbst kann keine Verurteilung herbeiführen. Er kann dem Justizminister lediglich eine Anklage empfehlen. Noch nie zuvor hat der Kongress eine solche strafrechtliche Empfehlung gegen einen Präsidenten ausgesprochen.
Das Verhalten Trumps nach seiner Niederlage ist allerdings auch „einmalig“. Gerade in den USA zeichnet sich die Demokratie dadurch aus, dass der Verlierer selbst am Abend seiner Niederlage als erster diese eingesteht und dem Sieger gratuliert. Die friedliche Übergabe soll gerade jeden Zweifel am Sieg des Gewinners verhindern. Trump dagegen hält bis heute an seiner Lüge fest, die Wahl sei ihm gestohlen worden. Und er hat sich während der Erstürmung über drei Stunden den Tumult und die Erstürmung untätig angeschaut, obwohl er mehrmals und sogar von seiner Tochter gebeten wurde, endlich einzuschreiten. Dabei wäre er verpflichtet gewesen, den Rechtsstaat zu schützen. Er hält die Lüge noch heute aufrecht, obwohl die Erstürmung des Kongresses 7 Todesfälle und mehr als 100 verletzte Polizisten gefordert hat, sowie einen erheblichen finanziellen Schaden angerichtet hat.
Die grundsätzliche Bedeutung für die Demokratie als Regierungsform
Die Ausschussmitglieder sehen die fundamentale Infragestellung der amerikanischen Demokratie durch die Verschwörung Trumps sowie fünf weiterer Mitstreiter. Sie leisten mit ihrer detaillierten Aufarbeitung einen großen Beitrag zur Revitalisierung der gesamten Institution. Ihr detaillierter Bericht wird am 21.12.2022 erwartet. Er soll acht Kapitel enthalten auf mehreren hundert Seiten. Ein wertvoller Fundus.
Bleibt zu hoffen, dass Justizminister M. Garland der Empfehlung des Ausschusses des Repräsentantenhauses folgt. Das Material dafür liegt schon bereit.
Die Amerikaner haben die älteste Demokratie der Welt. Alle anderen Demokratien orientieren sich daran. Insofern ist die Aufarbeitung des Ausschusses ein Meilenstein nicht nur für die amerikanische Demokratie, sondern auch für alle anderen.