Das Recht auf Reparatur – eine Richtlinie

Dieses Recht steht in den Startlöchern. Unterhändler von Rat und Parlament haben sich darauf geeinigt. Auch die offiziellen Abstimmungen des Parlaments sind am 23.4.2024 zustande gekommen – mit überwältigender Mehrheit. Der Rat muss nochmal zustimmen. Er hat das am 30. Mai getan. Nun haben die Staaten zwei Jahre Zeit zur Umsetzung in nationales Recht.

Das Gesetz verpflichtet die Hersteller, die Ersatzteile für ältere Geräte aufzubewahren. Je nach Gerät wird die Frist dafür  zwischen fünf und zehn Jahren liegen. Auf ihrer Website müssen sie darüber informieren. Die Unternehmen sind verpflichtet, diese Teile auch an unabhängige Händler bzw. Werkstätten zu verkaufen. Denn das Gesetz will auch das Handwerk stärken. Die Kosten für die Reparatur dürfen nicht unangemessen hoch sein. Nach einer Reparatur von Großgeräten wie Waschmaschinen oder Kühlschränken, die noch im Zeitraum der Gewährleistung stattfindet, verlängert sich die Garantie um ein weiteres Jahr auf drei Jahre.

Wofür dieses Recht gelten wird

Es soll vor allem für Haushaltsgeräte, die sog. weiße Ware gelten, sowie für Smartphones, Laptops etc.

Bisher „produzierten“ die Verbraucher*innen ca. 35 Tonnen Müll im Jahr. Das soll aufhören. Die Verantwortlichen rechnen mit einem deutlichen Rückgang der CO²-Emissionen. Und die Kommission schätzt eine EU-weite Ersparnis von ca. 12 Milliarden Euro auf Verbraucherseite.

In Ostdeutschland gibt es in Thüringen und in Sachsen bereits Reparaturboni und entsprechende Werkstätten. In Thüringen z.B. ließen 2023 mehr als 13.000 Menschen ihre Elektrogeräte reparieren. Der Kunde erhielt die Hälfte der Kosten bis zu 100.-Euro pro Reparatur. Das Modell in Sachsen förderte die Reparatur sogar bis zu 200.-Euro, beschränkte die Anzahl der Reparaturen aber auf zwei pro Jahr. Die EU-Staaten sollen ähnliche Programme vorsehen, sind aber frei in der Auswahl. Deutschland hatte bislang schon die Ökodesign-Richtlinie umgesetzt. Diese verpflichtete den Handel zu bestimmten Rücknahmepflichten. Und legte bereits fest, dass neuwertige Produkte nicht mehr vernichtet werden durften.

Die Abfall-Rahmenrichtlinie

Sie ist noch im Verhandlungsprozess. Der Rat hat sie am 17. Juni 2024  mit kleinen Veränderungen angenommen. Damit kann sie in die Trilog-Verhandlungen gehen. Es geht um die Reduzierung von Lebensmittelabfällen bis 2030, sowohl in Verarbeitung und Herstellung,  wie auch im Einzelhandel, in Restaurants, in der Gastronomie und in Haushalten. Denn in der EU werden laut Kommission im Jahr rund fast 59 Mill. Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das entspricht rund 131 Kilo pro Kopf. In Geld ist es eine Verschwendung von ca 132 Milliarden Euro. Und bei der Lebensmittelproduktion  geht die Hälfte ihrer weltweiten Treibhausgase allein auf Abfälle und Verluste zurück. Auch die privaten Verbraucher*innen tragen ein gerüttelt Maß an Verantwortung dafür.

Auch die Vorgaben für Fast Fashion-Herstellung möchte der Rat erhöht wissen (gegenüber der bisher geltenden Richtlinie).Und ganz neu: der Rat möchte auch die Herstellerverantwortung erweitern um Gebühren für die Sammlung und Behandlung von Textilabfällen. Der Rat gesteht sozialwirtschaftlichen Einrichtungen bei den Textilsammelsystemen eine besondere Rolle zu.

Die Ökodesign-Verordnung             

Ökodesign bezeichnet die umweltgerechte Gestaltung von Produkten. Das EU-Parlament hat am Dienstag (23. April 2024) neue Vorschriften zu den Nachhaltigkeitsanforderungen von Produkten verabschiedet. Diese ersetzen die Ökodesign-Richtlinie von 2009, die nur für energiebezogene Produkte galt und die Senkung des Energieverbrauchs der Produkte  anstrebte. Das neue Gesetz, also die Verordnung hat als Ziel die bessere Wiederverwendbarkeit, Reparaturfähigkeit oder aber Recyclingmöglichkeit aller Produkte, die in der EU verkauft werden. Die Kommission  wird die Verordnung nach und nach auf alle Produktgruppen ausdehnen mit Ausnahme von Lebens- und Arzneimitteln, sowie Futtermitteln und Kraftfahrzeuge.

Die Ökodesign-Verordnung, ein Schlüsselelement des Green Deal, ist Teil des Pakets zur Kreislaufwirtschaft. Insgesamt umfasst es 35 Maßnahmen. Sie sind alle zumindest auf den Weg gebracht. Sie alle zielen auf eine eine Wirtschaft, die den Wert von Ressourcen schont, statt sie zu verbrauchen. Gleichzeitig will die EU durch einen geringeren Verbrauch von Primärmaterialien unabhängiger von Importen aus anderen Staaten werden.

Die Hersteller sollen Materialien sehr viel effizienter nutzen und wiederverwenden. Nachhaltige Produkte sollen die neue EU-Norm werden. Das Paket trägt auch zur Erreichung des EU-Ziels bei, bis 2050 keine Treibhausgasemissionen mehr zu verursachen. Zudem soll es die Umweltbelastung verringern. Der Kommissions-Exekutiv-Vizepräsident kommentierte: „Mit der Verordnung wird sichergestellt, dass Produkte auf dem EU-Markt energieeffizienter, langlebiger, wiederverwendbar, reparierbar, recyclingfähiger und zunehmend aus recycelten Materialien hergestellt werden.“

Größerer Anwendungsbereich und mehr Transparenz

Das verabschiedete Gesetz fordert die Kommission auf, ressourcenintensiven Sektoren Priorität bei der Ausdehnung einzuräumen. Es nennt Eisen, Stahl, Aluminium, Textilien, Möbel, Reifen, Reinigungsmittel, Farben, Schmiermittel und Chemikalien. Das bedeutet, die erfasste Produktpalette soll Schritt für Schritt erweitert werden. Und zusätzlich sollen die Anforderungen an die Produkte erweitert werden.

Mit dem Gesetz werden ab 2027 schrittweise digitale „Produktpässe“ eingeführt. Diese enthalten Informationen über Leistung, Rückverfolgbarkeit und Konformitätsanforderungen. Die Detailanforderungen wird die neue Kommission durch delegierte Rechtsakte festlegen. Ein öffentliches Webportal  wird den Verbrauchern die Informationen zugänglich machen. Denn diese sollen mitgenommen werden und sich kundig machen können. Für Katarina Reuter, BNW-Geschäftsführerin ein „Gamechanger“. Mit anderen Worten: Ganze Branchen und Märkte können dadurch erheblich beeinflusst und verändert werden.

Um das Recycling zu fördern, müssen die Wirtschaftsakteure jedes Jahr die Mengen der weggeworfenen Produkte und die Gründe für deren Vernichtung angeben.

Die Verordnung enthält wichtige Verbote

Das Gesetz verbietet überdies insbesondere die Vernichtung von unverkaufter Kleidung, Bekleidungszubehör und Schuhen zwei Jahre nach seinem Inkrafttreten.

Diese Bestimmung ist besonders wichtig. Denn in den vergangenen 20 Jahren hat sich die Menge der produzierten Kleidung nicht nur verdoppelt. Sondern in der EU landen mehr als 10% davon jährlich auf dem Müll. Das führt einerseits zu einer erheblichen CO² – Verschmutzung. Andererseits war sie in der EU 2020 auch die drittgrößte Quelle für Wasserverschmutzung.

Künftig kann die Kommission die Liste der unverkauften Produkte, die nicht vernichtet werden dürfen, um weitere Kategorien ergänzen.

Die Kommission schätzt, dass entsprechende Maßnahmen – etwa eine längere Lebensdauer von Produkten – bis zu 25 Prozent zu den EU-Klimazielen beitragen könnten. Der Erfolg hängt jedoch davon ab, wie in der neuen EU-Periode die Umsetzung und die Gestaltung der Details ausfallen. Für einzelne Produktgruppen muss die Kommission die Anforderungen noch durch delegierte Rechtsakte festlegen, zum Beispiel für Haltbarkeit und Reparierbarkeit. Auch sei es „eine riesige Herausforderung für die neue Kommission“, funktionierende Märkte für Sekundärrohstoffe und kreislauffähige Produkte zu schaffen,  sagt Claas Oehlmann, Geschäftsführer der BDI-Initiative Circular Economy.

Umsetzung 

Die Mitgliedsstaaten haben dem Gesetz am 27. Mai 2024 zugestimmt. Die Mitgliedsstaaten und die Industrie haben nach Inkrafttreten (18.7.2024) 18 Monate Zeit, ihre Produkte anzupassen. Da Deutschland aufgrund von Bedenken der FDP schon im Vorfeld großen Einfluss auf die Gesetzgebungsprozesse genommen hat, ist davon auszugehen, dass die Umsetzung in der neuen Wahlperiode nicht gefährdet ist. Bis 2030 müssen sektorübergreifend digitale Produktpässe (DPP) eingeführt werden, was eine massive Umstrukturierung des Datenmanagements in den Lieferketten bedeutet. Der digitale Produktpass muss die wichtigsten Datensätze für Verbraucher, Hersteller und Abfallentsorgungsdienste vereinheitlichen. Außerdem muss er mit Herstellern außerhalb der EU kommunizieren, um sicherzustellen, dass alle in die EU eingeführten Produkte, mit dem Produktpass übereinstimmen..

Die Verabschiedung der Lieferketten-Richtlinie vom 24.5.2024 ist sicherlich eine wichtige Voraussetzung dafür, dass weltweite Produkte, die andere Länder in die EU exportieren, den Vorschriften dieser Verordnung und der Reparatur-Richtlinie auch entsprechen.

Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel

Sie wurde am 20.2.2024 endgültig verabschiedet. Sie soll z.B. vor Greenwashing und vor unlauteren Praktiken schützen und auch vor irreführenden Aussagen zum CO²-Ausgleich. Außerdem präzisiert die Richtlinie die Haftung von Unternehmen.

Auch die Verpackungs-Verordnung ist beschlossen

Nach intensivem Streit hat das EU-Parlament auch diese Verordnung verabschiedet. Bis 2040 soll mit ihrer Hilfe der Abfall um 15% sinken in Bezug auf 2018. In dem Text werden neue verbindliche Wiederverwendungsziele für 2030 und Richtziele für 2040 festgelegt.  Sie verbietet z.B. Einwegplastikverpackungen, wie Hotels und Restaurants sie gerne für Mahlzeiten oder in Badezimmern nutzen – spätestens ab 2030. Auch Mogelverpackungen sind ab da nicht mehr erlaubt. Das Gesetz  soll erlauben, eigene Behältnisse zur Mitnahme von Lebensmitteln zu verwenden.

Hinzu kommen Beschränkungen für die benutzten Stoffe für Verpackungen wie Blei, Cadmium und Quecksilber sowie sechswertigem Chrom. Sie müssen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Und wichtig: ihre Konzentration darf die Gesamtmenge von jeweils 100mg/kg nicht überschreiten. Des Weiteren dürfen die Anforderungen an die Recyclingfähigkeit  das Vorhandensein der Stoffe  nicht aus Gründen beschränken, die in erster Linie mit der chemischen Sicherheit zusammenhängen.

Angeblich haben auch die EU-Staaten inclusive Deutschlands zugestimmt – allerdings unter Hinterlegung deutscher Bedenken.

Was schon gilt

Auch diese Verordnung  ist Teil des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und damit des Green Deals.  Nach der Verabschiedung wird sie 18 Monate später angewendet werden.

Schon im September 2023 hatte die EU die Mikro-Plastik-Verordnung verabschiedet, ebenfalls ein Teil des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Im Zusammenhang damit gilt in Deutschland auch ein Pfand von mindestens 25 Cent für Plastik-Getränkeflaschen und Dosen. Ab 1.1.2024 hat das Gesetz dies Pfand auch für Milcherzeugnisse in diesen Behältnissen ausgedehnt – aber nicht auf Getränkekartons. Plastik- und PET-Flaschen (aus einem biologisch nicht abbaubaren Polymer) halten 450 bis 5.000 Jahre.  Es hilft auch nicht, wenn sie z.B. im Meer oder in Flüssen zu Mikroplastik zerfallen. Denn diese nehmen dann Fische, die wir später essen, mit ihrer Nahrung auf.

Spätestens ab 3. Juli 2024 gilt auch in Deutschland die Verpflichtung, die Plastikverschlüsse auf Plastikflaschen und auch auf Getränkekartons unlösbar miteinander zu verbinden. Eine EU-Richtlinie für mehr Umweltschutz vom April 2021 schreibt das vor.

Nach der Wahl der Kommissionspräsidentin 

Über die Umsetzung in der neuen Kommission wachen soll ein neuer Vizepräsident für Umsetzung, Vereinfachung und interinstitutionelle Beziehungen, der einmal pro Jahr dem Parlament über die Fortschritte berichtet. Dieser werde den gesamten EU-Acquis einem Stresstest unterziehen, versprach von der Leyen, und dann Vorschläge zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften vorlegen. Der CDU-Abgeordnete Andreas Schwab lobte, von der Leyen habe sich für das Prinzip der vertrauensbasierten Regulierung ausgesprochen, das Unternehmen von überbordenden Nachweispflichten verschone.