Der wichtigste Punkt der Gespräche
Am 30. April 2024 haben die Europa-Minister*innen der bisherigen EU-Staaten sowie Minister der potentiellen Beitrittsländer zusammen getagt. Es ging um die Frage, wie die EU in der Zukunft die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit sowohl in den Mitgliedsstaaten, aber auch in den Staaten der Beitrittskandidaten besser durchsetzen kann.
Diskutiert wurde, ob es sinnvoll sei, die bisher abgeschlossenen Verträge wieder zu öffnen, um neue Klauseln aufzunehmen oder ob neuere Instrumentarien der letzten Jahre zunächst ausreichend seien.
Die bisher im Beitrittsprozess zu klärenden Punkte
Der Fundamentals First-Ansatz, der bisher angewandt wird, umfasst Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und Grundrechte mit wirtschaftlicher Governance. Diese verknüpft er mit der Stärkung demokratischer Institutionen und der Reform der öffentlichen Verwaltung in den Kandidatenländern.
Aber der Ansatz hat ja in der Vergangenheit über die Jahre bei politischen Veränderungen in einzelnen Ländern nicht ausgereicht, um z.B. die Rechtsstaatlichkeit zu sichern und Rückschritte zu verhindern.
Neue Maßnahmen ab 2021
Der fortwährende Druck des EU-Parlamentes hat 2021 schließlich dazu geführt, dass die EU den Konditionalitäts-Mechanismus eingeführt hat. „Dieser ermöglicht es der Europäischen Kommission, die Auszahlung von EU-Geldern an Mitgliedstaaten auszusetzen, wenn diese gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen.“ Das wichtigste ist, das dieser nicht an die Einstimmigkeit der Länder gebunden ist. Denn anfangs konnte jeweils eins der beiden Länder Ungarn oder Polen Beschlüsse blockieren, wenn diese das andere Land betrafen.
Infragestellung des Mechanismus
Die Frage, ob der neue Mechanismus ausreichend und sicher ist, ergab sich kürzlich. Denn die Kommission hatte entschieden, einen Teil des zurück gehaltenen Geldes an Ungarn auszuzahlen und zwar 10 Milliarden Euro. Offenbar entschied die Kommission so, um Ungarns Blockadehaltung gegenüber der militärischen Unterstützung der Ukraine abzuwenden.
Das Europäische Parlament argumentierte daraufhin, die Kommission habe eine politische Entscheidung getroffen und keine objektive Bewertung vorgenommen. Und es klagt derzeit deswegen gegen die Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Hoffnung dahinter ist, dass das Gericht ein Urteil fällen wird, das entweder eine Sonderagentur zur Klärung solcher Fragen empfehlen wird oder klare Vorgaben für die Kommission macht. Wobei dann noch zu klären bliebe, ob die Kommission einen Sonderausschuss zu diesem Zweck bilden sollte oder ob ein unabhängiges Gremium eingesetzt werden sollte. Die Hoffnung des Parlamentes ist, dass der Gerichtshof eine „klarere und sauberere“ Rechtsprechung zur demokratischen Kontrolle der EU entwickelt. Von Seiten des Parlaments wird diskutiert, dass die Kommission so viele politische Gespräche mit den Ländern zu führen habe, dass Vieles dafür spräche, solche Beurteilungs-Fragen aus dem „politischen Bereich herauszunehmen“. Allerdings wird das Zeit in Anspruch nehmen und wie das Gericht entscheidet bleibt offen.
Der zukünftige Beitrittsprozess
Zunächst ist festzuhalten, dass es positiv ist, dass die Überlegungen und Gespräche zu diesen wichtigsten Zukunfts-Fragen der EU begonnen haben. Die jetzige Ratspräsidentschaft von Belgien hat zu diesem ersten Zusammentreffen einen Bericht vorgelegt. In diesem werden die obigen Fragen angesprochen. Auch die Frage, ob man einen größeren Zusammenhang herstellt zwischen Rechtsstaatlichkeit und Binnenmarkt. Und ob man dazu ggfs. die Verträge erweitert. Aber es gebe immerhin Art. 7 in den Verträgen, der es den EU-Staaten erlaube, einem Mitglied das Stimmrecht zu entziehen. „Wenn wir Artikel 7 nutzen und weiter vorantreiben, wenn wir ihn schneller anwenden, dann kommen wir schneller ans Ende der Entscheidungskette“, so die belgische Außenministerin. Der Vorschlag, in Zukunft ein jährliches Forum über Rechtsstaatlichkeit und Erweiterung einzurichten, soll den Prozess der Überlegungen dazu ebenfalls fördern.
Wer beitreten will
Es gibt neun offizielle EU-Beitrittskandidaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Moldawien, Montenegro, Nord-Mazedonien, Serbien, Türkei und Ukraine. Der Kosovo hat 2022 einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt.
Annalena Baerbock schrieb in einem Meinungsbeitrag, dass Russlands Aggression gegen die Ukraine die EU-Erweiterung zu einer „geopolitischen Notwendigkeit“ mache. Grau-Zonen wie derzeit noch viele Länder auf dem Balkan seien eine Einladung an Putin, auch nach ihnen zu greifen. Das könnten wir uns nicht leisten. Deshalb müssten wir die EU fit für die Aufnahme machen, z.T. sogar noch in diesem Jahrzehnt.