Keine Politik ohne Einfluss von Lobbygruppen – zunehmend problematisch

Nicht nur gewählte Politiker und Politikerinnen nehmen Einfluss darauf, welche Politik durchgesetzt werden kann. Im besten Fall sind die Gewählten selbst frei von engen Verbindungen zu Lobbygruppen. Das ist zumindest der Anspruch der Bürgerinnen und Bürger an sie.

Aber Lobbygruppen aus der Finanzwelt und aus der Wirtschaft sehen es als ihr Recht an, auf den Gesetzgebungsprozess Einfluss nehmen zu dürfen bzw. zu müssen. Jahrelang geschah das ohne größere Kontrollen. Mittlerweile gibt es „LobbyControl“, eine zivilgesellschaftliche Organisation. Sie hat über Jahre Forderungen aufgestellt, um eine gewisse Transparenz der Einflussnahme durch Lobbyarbeit herzustellen. Sie hat Forderungen erhoben, die von der Zivilgesellschaft geteilt und unterstützt werden. Einiges davon ist vom Gesetzgeber übernommen worden. Das  ermöglicht inzwischen z.B. einen Überblick über die Gelder, die in die Lobbyarbeit investiert werden.

Summen, die in die Lobbyarbeit auf europäischer Ebene fließen

„Eine neue Analyse von Corporate Europe Observatory und LobbyControl zeigt: Die Ausgaben der Wirtschaftslobby haben ein noch nie dagewesenes Niveau erreicht.“ Die wichtigsten Ergebnisse von deren Daten-Plattform Lobbyfacts zusammengefasst lauten:

„Die 162 Unternehmen und Wirtschaftsverbände, die im EU-Transparenzregister Lobbybudgets ab 1 Million Euro pro Jahr angeben, haben zusammen im vergangenen Jahr mindestens 343 Millionen Euro für Lobbyarbeit ausgegeben.“ Mit anderen Worten: Im Schnitt haben diese Interessenvertreter mehr als 2 Millionen in einem Jahr in ihre  Lobbyarbeit gesteckt. Und das sind nur die ganz Großen. Im Zeitraum der letzten fünf Jahre beträgt die Steigerung der Ausgaben dieser Klientel ein Drittel (knapp 90 Millionen) nach den Daten vom 8.2.2025.

Welches  die Branchen mit den höchsten Ausgaben sind

Unter den registrierten Unternehmen mit Lobbybudgets von 1 Million Euro oder mehr sind Big Tech (67 Millionen Euro, darunter MetaMicrosoft); Banken und Finanzen (53,75 Millionen Euro, darunter Association for Financial Markets in EuropeEuropean Banking Federation); Energie (45 Millionen Euro, darunter FuelsEurope und Shell); Chemie und Agrarindustrie (45 Millionen Euro, darunter European Chemical Industry CouncilBayer); branchenübergreifende Handelsverbände (26,25 Millionen Euro, darunter BusinessEuropeBundesverband der Deutschen Industrie); und Pharma (21,75 Millionen Euro, darunter European Federation of Pharmaceutical Industries and AssociationsNovartis).

Deren Interessen sind immens

Nach dem Green Deal, der in der vergangenen Amtszeit von Frau von der Leyen im Vordergrund stand, geht es nun vor allem um den Clean Industrial Deal. Schon seit Jahren kämpfen die oben genannten Verbände und Industrien um den Abbau von Berichtspflichten.

Während sie zwei große Gesetzgebungsverfahren des Green Deal sogar ganz verhindern konnten, das Verbot von Glyphosat und die Pestizid-Verordnung gehen ihnen viele verabschiedete Gesetze zu weit. Die stark nach rechts gerückten Mehrheitsverhältnisse und die Bereitschaft der Konservativen auch mit rechten und rechtsradikalen Fraktionen zu stimmen, lassen die Lobby-Verbände hoffen, Vieles in den nächsten Jahren doch noch abschwächen zu können. Dafür klagen sie alle über zu viel Bürokratie und fordern unter dem relativ neutralen Label einen massiven Bürokratieabbau. Gemeint ist jedoch tatsächlich eine Deregulierung, also eine weitestgehende Abschwächung des mit Hilfe des Green Deal gesetzlich geregelten  Umweltschutzes.

Ob sich die Zivilgesellschaft dagegen wehren kann

Die BürgerInnen und Bürger formulieren ihre Interessen in Bezug auf den Green Deal über zivilgesellschaftliche Umwelt- und Verbraucherorganisationen. Da sind z.B. der B U N D, der NABU, Greenpeace, WWF, Campact und die Deutsche Umwelthilfe, um die bekanntesten zu nennen. Sie sammeln Spenden, die z.T.  nicht mal steuerlich absetzbar sind. Und sie initiieren Petitionen, die sie an die Parlamentarier und an die Kommission weiterleiten. Außerdem versuchen deren Vertreter ebenfalls den Gesetzgebungsprozess mit Argumenten zu beeinflussen.

Um der durch diese Organisationen vertretenen Zivilgesellschaft überhaupt eine gewisse Chance auf Gehör zu verschaffen, gibt es eine Förderdatenbank. Diese finanziert das EU- LIFE-Programm für die Umwelt- und Klimapolitik 2021-2027. Dieses Programm unterstützt u.a. Informations-, Sensibilisierungs- und Verbreitungsprojekte, sowie sonstige Maßnahmen, die zur Erreichung der allgemeinen Ziele des Programms erforderlich sind. Aus diesem Programm sind 15 Millionen in die Arbeit von Organisationen geflossen, „die sich in Brüssel und Straßburg für Klima und Naturschutz starkmachen“. (s.o. Abbau). Im Verhältnis zu den Hunderten von Millionen der großen Interessen-Lobby-Verbände ein vergleichsweise kleiner Betrag. Aber dagegen geht jetzt u.a. Monika Hohlmeier, Tochter von Franz Josef Strauß, EVP-Abgeordnete im EU-Parlament massiv vor.

Ihr Counterpart im Bundestag, die CDU/CSU hat es ihr nun sofort, nachdem sie die Mehrheit nach der vorgezogenen Neuwahl 2025 errungen hat, gleichgetan. Sie stellt 551 Anfragen zum politischen Engagement von NGOs (Nichtregierungsorganisationen), wie z.B. „OMAs gegen Rechts“. Der Hintergrund sind die massenhaften Proteste nach dem parlamentarischen Vorgehen von F. Merz. Kurz vor der Wahl hatte er  mit den Stimmen der AFD seine asylpolitischen Ziele durchsetzen wollen.

Fazit

Bürger und Bürgerinnen in der Demokratie haben den Anspruch, durch periodische Wahlen die Politik, organisiert in Parteien zu bestimmen. Inzwischen hat die Zivilgesellschaft auch den Anspruch, zwischen den Wahlen auf die Politik einwirken zu können. Denn in den Jahrzehnten, seit es die Demokratie gibt, hat der Einfluss von Lobbygruppen immer mehr zugenommen und zwar permanent. Das aber ist problematisch geworden, denn sie vertreten Spezial-Interessen der Wirtschaft, aber kaum übergeordnete Interessen der Gesellschaft, wie z.B. des Natur-, des Arten-  und des Klimaschutzes.

Daher ist mittlerweile nicht nur eine wirksame Kontrolle der Lobbyarbeit unerlässlich. Sondern auch die Zivilgesellschaft ist zu  ertüchtigen, um ihren Einfluss gebührend geltend machen zu können. Insofern ist auch eine finanzielle Förderung der sie vertretenden Organisationen geboten. Wie sonst sollten NGOs, die im Gegensatz zur Wirtschaft mit ihren Aktivitäten kein Geld verdienen, ihr Engagement finanzieren. Und nicht umsonst wird u.a. auch  über die Beteiligung bzw. Einbeziehung von „gewählten“ Bürger- und Bürgerinnen-Vertretungen am politischen Willensbildungsprozess nachgedacht.