Für die EU ergeben sich aus diesen aus der Geschichte entstandenen fünf großen Problem-Feldern diverse Notwendigkeiten, die in ihrem politischen Handeln zu beachten sind und die sich jeweils auf einen dieser Punkte beziehen.

1.a) Was ist in der Begegnung bzw. Kooperation mit muslimischen Gemeinschaften in europäischen Ländern zu beachten?

b) Wo ist die Grenzziehung zu einem extremistischen Islam, der einem mörderischen Islamismus den Boden bereitet?

c) Was ist zu tun, um dem türkischen Expansionismus entgegen zu treten?

Ein historischer Aspekt der Unterwerfung europäischer christlicher Länder durch die Osmanen, die brutal die Islamisierung der Unterworfenen erzwangen, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Zwar sind inzwischen ca. 150 Jahre seit der letzten kriegerischen Bedrohung dieser Länder vergangen. Aber wir hier in West-Europa sind aufgerufen, uns klar zu machen, was es bedeutet, wenn in früheren Jahrhunderten im Sommer immer wieder muslimische Kriegsscharen einfielen, brandschatzten und mordeten. Den Winter über zogen sie sich zurück. Sie nahmen halbwüchsige Jungen mit, die sie entführten, um sie zu Muslimen zu erziehen und zu Soldaten, um später die Länder wieder zu überfallen.

Nachwirkungen bis heute in damals betroffenen Ländern

Dass dieses Trauma bis heute nicht überwunden ist, hat z.B. Serbien uns in den neunziger Jahren bitter erleben lassen. Für uns damals unverständlich, überfiel es plötzlich wegen seiner „Niederlage im Amselfeld“, seine muslimischen Nachbarländer Bosnien usw. . Die 1. vernichtende Niederlage Serbiens auf dem Amselfeld durch die Osmanen fand 1389 statt. Serbien war ab da – 400 Jahre lang – bis 1878 kein eigenständiges Land. Ungelöste Konflikte rund um diese Problematik führten letztlich Anfang des 20. Jahrhunderts zu den Balkankriegen und dann schließlich zum 1. Weltkrieg. Solche Traumata, die fast jedes der Balkanländer betreffen, müssen z. B. bei der Frage, wie mit der Verteilung der Flüchtlinge aus muslimischen Ländern umzugehen ist, von Europa mit bedacht werden.

Moscheen und deren Einfluss

a) Über lange Jahre als Problem weitgehend unbeachtet oder unerkannt, hat der türkische Staat für die Türken in Europa den Bau einer Moschee nach der anderen finanziert. Außerdem hat er in die neuen Gemeinden seine in der Türkei ausgebildeten Imame entsandt, die allesamt nur türkisch predigen. Die dazu gehörige Organisation Ditib, in der eine Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken organisiert ist, ist äußerst konservativ. Sie lässt z.B. keineswegs eine Gleichheit von Mann und Frau zu und auch politisch unterstützt Ditib eher ein autoritäres Regime als ein demokratisches. So ist zunehmend deutlich geworden, dass solche Türken ein gesellschaftliches Problem in Deutschland darstellen. Viele unterstützen massiv Erdogan, und stabilisieren seine Herrschaft mit ihren Wahlstimmen von hier aus. Es ist auch ein Problem, wenn sie noch in der dritten Generation schon als Schüler sich nicht als Deutsche, sondern als „stolze Türken“ definieren und z.B. deutsche Mädchen als Schlampe beschimpfen.

Erste Integrationsversuche

2006 eröffnete die Bundesregierung die 1. Islamkonferenz. Innenminister Wolfgang Schäuble prägte den Ausspruch: Der Islam gehört zu Deutschland. 2010 griff Bundespräsident Wulf diesen Satz  auf. Seitdem bewegt sich die gesellschaftliche Diskussion zu dem damals neu aufkeimenden Bewusstsein zwischen zwei Polen. Einerseits zwischen diesem Gedanken und andererseits der in Bayern von Söder erfolgten Verordnung, christliche Kreuze in allen Volksschul-Klassenzimmern staatlicher Schulen aufzuhängen. Ab 2018 galt das auch in Dienstgebäuden. Und es gibt z.T. das Verbot für muslimische Lehrerinnen, in der Schule Kopftuch zu tragen.

Erster Fortschritt

Seit November 2020 allerdings ist es nach jahrelangem Bemühen gelungen, in der 14. Islamkonferenz eine Einigung von etwa 500 der ca. 2500 Moschee-Gemeinden in Deutschland zu erzielen. Sie sind bereit, ab April 2021 ihre zukünftigen Imame am Islam-Kolleg in Osnabrück ausbilden zu lassen. Das Innenministerium stellt eine Anschub-Finanzierung von 1 Million € zur Verfügung. Die 900 Gemeinden, die der Ditib untergeordnet sind, gehören nicht dazu!  Es kann aber nicht angehen, dass islamische Prediger in der EU, ausgebildet in der Türkei oder anderen muslimischen Ländern, hier in Arabisch predigen! Denn auch über 1000 andere kleinere Gemeinschaften sind bisher nicht bereit, in Deutschland ausgebildete Imame zu akzeptieren. Aber die Vereinbarung, die von fünf islamischen Verbänden getragen wird, darunter dem Zentralrat der Muslime, ist ein wichtiger Schritt zur Kooperation. (taz.de, Imame in Dtld.: Bald staatlich geprüft. 10.11.2020)

Grenzziehung

b) Unter dem Deckmantel der Religion fungieren aber auch Gruppierungen des „Islamischen Staates“, die lange unbehelligt Mitglieder werben konnten. Zunehmend werden sie als kriminelle Vereinigungen enttarnt. Der Konvertit Pierre Vogel und die Salafisten, die lange auf den Straßen neue Mitglieder mit dem Koran in der Hand  rekrutierten, fallen uns als erste ein.

In Bezug auf die Moscheen in den Mitgliedsstaaten der EU ist dringend zu fordern und vor allem durchzusetzen, dass die Imame in dem jeweiligen europäischen Land studieren müssen und dass sie nur in der jeweiligen Landessprache predigen dürfen. Die Finanzierung der Moschee-Bauten, sowie der Imame muss transparent sein. Ausländisches Geld sollte hierfür nicht mehr benutzt werden dürfen.

Gruppierungen des „islamischen Staates“ sind konsequent zu verfolgen und zu verbieten. Deren Berufung auf Religionsfreiheit ist zu enttarnen.

Dialog mit der Türkei?

c) Dem seit einigen Jahren deutlich gewordenen Expansionsdrang des autoritären Regimes der Türkei unter Präsident Erdogan ist Einhalt zu gebieten. Die begonnenen Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU sind einzufrieren. Die Türkei unter dem autoritären Regime von Erdogan muss endlich zur Achtung der Menschenrechte zurückkehren und politische Gefangene freilassen. Erdogan muss verdeutlicht werden, dass er nicht ungestraft Politiker*innen der EU oder der Mitgliedsstaaten beleidigen oder diskriminieren kann. Er muss nötigenfalls mit Sanktionen belegt werden, wenn er weiter Rüstungsgeschäfte mit Putins Russland tätigt – dies ist für ein Nato-Land unakzeptabel. Nur unter diesen Bedingungen kann der Dialog zwischen der EU und der Türkei wieder aufgenommen werden.

Europäische Standpunkte

Griechenland bedarf der Solidarität der Europäer zur Abwehr  türkischer Versuche, vor deren Küste nach Erdgas zu bohren. Auch das EU Mitglied Zypern ist diesbezüglich zu unterstützen. Außerdem ist immer wieder zu betonen, dass die türkische Besetzung von Nord-Zypern 1974 unrechtmäßig und völkerrechtswidrig ist. Nordzypern gehört zur EU!  Auch muss es möglich sein, die Ermordung der Armenier 1916 durch die Türkei als Völkermord zu bezeichnen. Und es ist unerträglich, dass die türkischen „Grauen Wölfe“ im Jahre 2020 in Deutschland lebende Armenier terrorisieren. Deren Verbot  in Deutschland muss endlich durchgesetzt werden.

Dass islamische Prediger, ausgebildet in der Türkei, hier predigen, ist eine unzulässige Form der türkischen Einmischung in unser Land. Ebenso wenig ist  akzeptabel, dass Erdogan hier Veranstaltungen für seine Wahl in der Türkei abhält. Ein unerhörter Affront ist, dass er dabei „predigt“, die hier lebenden Türken sollten sich keinesfalls in unsere Mehrheitsgesellschaft integrieren!

 

2. Was ist zu tun gegenüber einer übergriffigen, dennoch offenbar nur schwer reformierbaren katholischen Kirche?

a) Die Abschaffung der Privilegierung

Auch in Deutschland muss endlich die Trennung von Staat und Kirche durchgesetzt werden und zwar in Bezug auf alle Religionsgemeinschaften.   Ein Relikt aus vor-republikanischen Zeiten sind 1. die „positiven“ Staatsleistungen, die die Bundes-Länder jährlich in steigender Höhe aus den Haushalten  in Höhe  von ca. 5o0 Millionen € an die christlichen Kirchen zahlen.  2.  „Negative“ Staatsleistungen, das sind Befreiungen von etlichen Steuern, sind auch nicht länger gerechtfertigt.  3. Die staatlich eingetriebene Kirchensteuer von Kirchenmitgliedern findet so ebenfalls keine Entsprechung.  (wissenschaftl. Dienst, Bundestag, 2016, S.8f).  Diese Leistungen stellen  – nach mehr als 200 Jahren – besonders heute eine ungerechtfertigte Privilegierung christlicher Kirchen dar. Denn die Mitglieder der Kirchen machen nur noch etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Alle Steuerzahler aber finanzieren die positiven Staatsleistungen, und die negativen werden ebenfalls von allen mit getragen.

b) Die Schaffung von Transparenz

Auch müssten die Kirchen – wie alle Institutionen in einem Rechtsstaat – endlich ihre finanziellen Verhältnisse offen legen. Die katholische Kirche gilt als außerordentlich reich. Sie besitzt Ländereien, Immobilien und mehrere Banken. Öffentlich einsehbar durch den sog. Kirchensteuerrat sind nur die Haushalte der Bistümer, die für die kirchlichen Leistungen Alimente vom Staat erhalten. Nicht einsehbar sind die sog. Schattenhaushalte des Bischöflichen Stuhls. Z.T. kann der Bischof weitgehend allein darüber bestimmen. Dieser Vermögenshaushalt setzt sich zusammen aus Stiftungen, Erbschaften, Immobilien, Beteiligungen, Zinseinnahmen, Kirchenfirmen, Wertpapieren, Einnahmen aus Holzwirtschaft usw.. Die Kirche ist einer der größten Grund- und Waldbesitzer, bewirtschaftet Brauereien und Weingüter,  besitzt Kliniken, Medienkonzerne und Akademien. (Bundestag, Wissenschaftlicher Dienst,  Finanzen und Vermögen der Kirchen, Ausarbeitung 2014, bes. S. 15 und Carsten Frerk, Violettbuch Kirchenfinanzen: Wie der Staat die Kirchen finanziert, Aschaffenburg, Taschenbuch 2010)

Finanzielle Skandale

Immer wieder wird über „Skandale“ berichtet. Bei so viel Undurchsichtigkeit und mangelnder Kontrolle bleibt es nicht aus, dass „Bedienstete“ der katholischen Kirche tüchtige Griffe in die Kasse tun. Auch der Prunksucht der Aller-Obersten ist kein Riegel vorgeschoben. So war der Umfang des „Stuhls“ von Limburg um die 100 Mill. €., bevor der neue Bischof, Tebartz van Elst sich daraus einen protzigen Sitz in der unmittelbaren Nähe des Limburger Domes ausbauen ließ.  Baukosten: 31 Millionen Euro! Das ist aber nur eins von vielen Beispielen. In Anbetracht von Finanzkrisen heute und darauf verordneten Sparmaßnahmen – auch in der Kirche – ist die Öffentlichkeit sensibler für solche Vorgänge geworden. Zusammenlegungen von Gemeinden z.B. haben viel Ärger, Unmut und Enttäuschung geschürt.

c) Grundgesetzliche Verpflichtung umsetzen

Entsprechend der aus der Weimarer Verfassung ins Grundgesetz übernommenen Verpflichtung, die jährlichen Zahlungen der Bundesländer an die Kirchen in jährlich steigender Höhe von inzwischen 550 Millionen Euro (FAZ, 1.3.2019, S. 20) abzulösen, ist endlich zu handeln. Vorschläge dafür sind vorhanden. Ein Vorschlag ist z.B. der, dass die staatlichen Wälder privatisiert werden. Mit dem Erlös könnten die Leistungen der Länder (also die quasi Pachtzahlungen, geschätzt 6 Mrd. €) abgegolten werden  (Karl Giesen, Kirchenwald und ein Verfassungsauftrag, ….,Holz-Zentralblatt, 31.1.2014) Aber das Thema mag keine der beiden großen Parteien anfassen.

d) ggfs. Druck walten lassen

Ein erster Schritt zu finanzieller Trennung und Transparenz könnte eine staatliche Sanktionierung der Täter des Missbrauchs sein z.B. durch Rückhaltung der Kirchensteuer der katholischen Kirche.

e) Recht auf Selbstbestimmung der „Kinder“

Mit Recht ist die menschliche Selbstbestimmung in Europa zuletzt in alle Richtungen ausgeweitet worden, – z.B. die informationelle Selbstbestimmung oder die Selbstbestimmung über die eigene sexuelle Orientierung. Warum kommen wir nicht zu  einer Selbstbestimmung in Bezug auf die Religionszugehörigkeit? In diesem Zusammenhang ist zu diskutieren, ob es weiterhin gerechtfertigt ist, dass Eltern ihre Kinder durch eine Taufe in „ihre“ Religion „einbringen“. Sie haben das Recht, ihre Kinder religiös zu erziehen. Aber warum kann nicht geregelt werden, dass entsprechend einer heraufgesetzten Religionsmündigkeit von 16 oder 18 Jahren diese Jugendlichen selbst entscheiden können, ob und wenn ja, welcher Religion sie angehören möchten.

f) Verpflichtender Ethikunterricht in den Schulen

Außerdem ist zu fragen, ob es noch zeitgemäß ist, dass in staatlichen Schulen getrennter christlicher Religionsunterricht( katholisch bzw. evangelisch) erteilt wird? Schon lange gibt es die Forderung, Ethikunterricht flächendeckend verpflichtend einzuführen. Dieser könnte die einzelnen Religionen in ihren Botschaften vorstellen, aber keine Dogmen „verkünden“. Er könnte damit den Jugendlichen die möglichen Alternativen aufzeigen und auch eine Wertschätzung gegenüber anderen Religionen lehren. Schließlich sitzen die Kinder diverser Religionen jahrelang gemeinsam in den Klassen.

 

3. Was ist zu tun gegenüber einem russischen Drang nach Rückeroberung „verlorener“ Länder und nach Spaltung der EU?

Eroberungen nicht anerkennen und immer wieder benennen

Zunächst ist der Respekt vor dem Völkerrecht immer wieder einzufordern: Nach der Auflösung der Sowjetunion war die Ukraine unverhofft zur drittgrößten Atommacht der Welt geworden. Die hatte aber komplikationslos der Vernichtung der auf ukrainischem Staatsgebiet stationierten 176 Interkontinentalraketen zugestimmt. Im Gegenzug verpflichteten sich Russland, die USA und Großbritannien im Budapester Memorandum vom Dezember 1994 gegenüber der Ukraine, deren Souveränität und ihre Grenzen zu achten. Im Zusammenhang mit der Krim-Krise von 2014,  wurde immer wieder auf dieses Abkommen hingewiesen, da Moskau damit die territoriale Integrität der Ukraine anerkannt hatte.“ (bpb, Internationales, 5.2.2020) Diese Verpflichtung hat Putin durch die Militäraktionen gegen die Ukraine eklatant verletzt. Weitere völkerrechtswidrige Aktionen sind die Besetzung von Ost-Georgien und andauernde Drangsalierungen darüber hinaus sowie Provokationen in der Ostsee, die europäische Staaten schrecken.

Abhängigkeiten ab- nicht ausbauen

Sodann ist die Energie-Abhängigkeit von Deutschland und auch der EU von russischem Öl und Gas dringend zu reduzieren. Das muss zum einen durch Reduktion des Verbrauchs geschehen. Ökologisch ist das ohnehin geboten. Zum anderen ist auch die Diversifizierung der Energiequellen mit Hilfe der Förderung regenerativer Energien unumgänglich. Der Umstieg auf Flüssiggas aus den USA, gewonnen durch die zerstörerische Fracking-Methode ist dafür allerdings keine gute Alternative.

Sanktionierung der russischen Übergriffe

Schließlich kann nicht geduldet werden, dass in Deutschland Morde begangen werden, die augenscheinlich russische Behörden angeordnet haben. Ebenso ist die versuchte Ermordung von Sergej Skripal und seiner Tochter in Großbritannien zu sanktionieren. Leider hielt Deutschland das nicht für notwendig, da es nicht betroffen war. Auch der Mordversuch an dem Kreml-Kritiker Alexei Nawalny, die Entführung eines Flugzeuges, um daraus einen Oppositionellen festzunehmen, sind Vorfälle, die nicht hingenommen werden dürfen. Und die russischen Cyberangriffe auf den Deutschen Bundestag, auf US -amerikanische Regierungsinstitutionen und jüngst auf das Klinikum in Düsseldorf dürfen nicht ohne Folgen bleiben.

Erkennen, dass die negative Entwicklung immer weiter getrieben wird

Es ist richtig, mit Russland im Gespräch zu bleiben. Aber das hat nur Sinn mit einer klaren Sprache und mit deutlich aufzuzeigenden roten Linien. Russland hat in der Geschichte immer nur dann reagiert, wenn sehr deutlich – z. B. damals beim Wettrüsten – ein Signal aufleuchtete: Keinen Schritt weiter! Russland unter Putin fällt in der Weltpolitik nur mit negativen, den Weltfrieden schädigenden Aktionen und mit immer dreisteren Lügen wie zur Sowjetzeit auf. Russland unter Putin muss verdeutlicht werden, dass es endlich sein Verhalten ändern muss, will es weiterhin zur internationalen Völkerfamilie gehören.

Eingreifen heißt ja nicht, frühere Leistungen zu verkennen

Von notorischen Russland – Verstehern, auch aus der SPD – obwohl viele Sozialdemokraten unter den Kommunisten besonders zu leiden hatten – wird auf die großen russischen Dichter verwiesen. Ja, es ist richtig, dass Dostojewski, Tolstoi und Puschkin zu den Größen europäischer Literatur gehören! Nur, die gebildete Elite Russlands hat den Aufstieg des Despoten Stalin, der Millionen seines eigenen Volkes vernichtet hat, ebenso wenig wie die Durchsetzung des Stalinismus verhindern können.  Deutschland hatte Freiheitsdichter wie Friedrich Schiller – Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire“ – und Goethe, der im weitesten Sinne auch politisch war – „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“ und andere Dichter und Denker. Auch hier haben die Eliten mit klassischer Bildung den Aufstieg des Verbrechers und Massenmörders Hitler nicht verhindert. Im Gegenteil sie gehörten – mit wenigen Ausnahmen – zu seinen eifrigen Unterstützern.

Aber relativieren geht nicht

Der Verweis auf kulturelle Leistungen darf deshalb nicht davon abhalten, immer wieder ein Völkerrechts-gemäßes Verhalten der Herrschenden einzufordern. Das sind die Achtung der Menschenrechte und das Unterlassen von Destabilisierungs-Maßnahmen in funktionierenden Demokratien . Es wäre pervers, in einem Mordprozess gegen Stalin mildernde Umstände geltend zu machen, mit dem Argument, er habe ja die Elektrifizierung der transsibirischen Eisenbahn ermöglicht. Auch der Massenmörder Hitler kann mit Verweis auf den Autobahnbau keineswegs in einem günstigen Licht erscheinen.

Ein Nachfolge-Problem in diktatorisch geführten Staaten

Ein besonders virulentes Problem des gescheiterten Kommunismus in den früheren Ostblock-Ländern ist, dass es offenbar früher mächtigen kommunistischen Gefolgsleuten gelungen ist, Medien und auch Wirtschaftsbereiche in ihre Macht zu bringen. Im Ostblock sind so Oligarchen entstanden, die auch wieder politische Macht erlangen konnten. Diese in ihren Händen nutzen sie heute jedoch zu großer Korruption. Nach anfänglichen Demokratisierungserfolgen gibt es inzwischen den Rückbau von Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaat in einem Besorgnis erregenden Ausmaß.

Die EU muss diesen Entwicklungen besonderes Augenmerk zuwenden, zumal die Bevölkerung von den „neuen Machthabern“ durch die Erzählung von der angeblichen Benachteiligung ihrer Länder bis heute getäuscht wird. Greift die EU nicht ein, kann es passieren, dass die Bevölkerung dieser Staaten, die durch die Korruption massiv geschädigt wird, ihr Vertrauen in die EU und ihre Institutionen verliert.

 

4. Was ist zu tun gegenüber stärker werdenden rechtsradikalen Bewegungen in Europa?

Seit Jahren leisten Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus wertvolle Erinnerungs- und Aufklärungsarbeit über die Schandtaten des NS-Staates. Anfangs gab es sie nur in Deutschland, zunehmend aber auch in betroffenen Ländern. Ziel ist es, damit auch vorbeugend gegen neue Rechte Bewegungen zu wirken. Seit kurzem ist in Deutschland eine neue Gedenk- und Bildungsstätte in Vorbereitung. Endlich sollen nun auch die für Ost-Europa zunächst geplanten und dann durchgeführten deutschen Vernichtungsverbrechen im Zweiten Weltkrieg aufgearbeitet und thematisiert werden, um sie der breiten deutschen Öffentlichkeit genauer bekannt zu machen. Bis Ende 2021 will  Kulturstaatsministerin M. Grütters ein Konzept vorlegen (RZ, 5.1.2021).

Das Bild von der sauberen Wehrmacht

In Deutschland wurde noch jahrzehntelang nach Ende des Krieges in zahllosen Landserheftchen das Bild von der sauberen Wehrmacht gepflegt. Als die erste Ausstellung zu systematischen Wehrmachtsverbrechen im Osten in den achtziger Jahren erschien, verteidigten frühere Wehrmachtsangehörige das alte Bild empört. Das zeigte schon damals erneut, wie wichtig die Aufarbeitung jeweils ist.  Zu hoffen ist, dass in der neuen Gedenkstätte auch die Verbrechen gegen die russischen Kriegsgefangenen, die hier auf deutschem Boden in den sog. Stalags (Mannschafts-Stammlager für Gefangene) unvermindert weitergingen, aufgearbeitet werden. Es gab über 100 Stalags. Sie unterstanden dem Oberkommando der Wehrmacht, nicht etwa der SS!

Stukenbrock

„Blumen für Stukenbrock“,  20 km von Bielefeld entfernt, war 1967 eine der ersten Initiativen, die auf das beschwiegene Verbrechen hinwiesen. Selbst in der Nähe auf dem damals ersten sozialwissenschaftlichen Zweig eines Gymnasium bis 1963 zur Schule gegangen, hatten wir davon nichts gehört. Dieses Stalag 326 VI/K Senne war das größte in Westdeutschland! Von den 5.3 bis 5,7 Mill. Russen lebten hier gleichzeitig 180.000 Gefangene hinter einem simplen Stacheldrahtzaun. Insgesamt „durchliefen“ 300.000 dieses Lager. Es gab nur offene Latrinen. Die Gefangenen hausten in selbst ausgebuddelten Erdhöhlen. (AVS, Nr. 6, Juli 1995) Trotz der frühen Initiative blieb dieses Verbrechen der Wehrmacht bis heute im „Erinnerungsschatten“, der deutschen Bevölkerung, so Bundespräsident J. Gauck bei einem Besuch dort 2015.(vgl. auch Wikipedia und Die Zeit, 7.5.2020)

Was  wehrhafte Demokratie bedeutet

Eingedenk seiner leidbringenden Geschichte bezeichnet Deutschland sich heute als wehrhafte Demokratie. Dies bedeutet, dass gegen die Feinde der Demokratie immer wieder konsequent vorgegangen werden soll. Das aber muss mit strafrechtlichen Mitteln geschehen, Vereinsverboten und dem Verbot rechtsradikaler Parteien. Die Meinungsfreiheit darf nicht (wie z.B. in den USA) dazu genutzt werden, Hassbotschaften verbreiten zu dürfen.  Radikalisierung beginnt mit Denken, dann folgen Worte und die Verächtlichmachung demokratischer Institutionen, schließlich Hassreden. Darauf folgen oft Angriffe auf Personen oder sogar Institutionen. Aber unser Staat wartet meist sehr sehr lange, bis er eingreift. Stattdessen appelliert er immer wieder an die Bürger*innen, sich gegen Radikalismus zu engagieren.  So lange, wie er selbst nicht tätig wird und die Bürger nicht ausreichend schützt, ist das unfair und erzielt auch nicht die notwendige Wirkung.

Aufgaben für den Verfassungsschutz

So hat es auch viel zu lange gedauert, bis der Verfassungsschutz sich entschlossen hat, den offen rechtsradikalen, völkischen, antisemitischen und nationalsozialistischen „Flügel“ der AfD zu beobachten. Die gesamte AfD muss ein Fall für den Verfassungsschutz sein, denn die Partei sieht den „Flügel“ als integralen Teil an.  Ebenso muss der Verfassungsschutz die neue „Bewegung“ von Verschwörungstheoretikern, die sich derzeit vermehrt bei den „Querdenkern“ finden,  beobachten. Dort treffen sich ebenso Rechtsradikale, sog. Reichsbürger und offenbar auch sich radikalisierende Impfgegner. Verschwörungsmythen sind die Brandbeschleuniger für Rechtsradikalismus. Dieser benötigt immer Gruppen, die er schon im populistischen Vorfeld als Schuldige am angeblichen Unglück der Nation abstempeln kann. Die Hetze gegen sie dient dazu, die eigene Macht auf- und auszubauen.

Rechtes Denken, Verschwörungstheorien und Faschismus liegen eng beieinander

Ein übles Beispiel hat uns ein zur Jahreswende 2020/2021 gerade noch im Amt befindlicher Präsident der USA geliefert, der das Wahlergebnis gegen ihn nicht anerkennen wollte. Mit seiner permanenten Hasspredigt von „den Linken, den Terroristen, die seinen Sieg stehlen, um Kommunismus im Land zu etablieren“, hat er es geschafft, am 6.1.2021 einen Staatsstreich  in Washington D.C. mit einem Mob zu inszenieren, den er gerufen und aufgestachelt hat. Der Putsch ist  nur um Sekunden gescheitert! Ziel des Mobs war, den republikanischen Vizepräsidenten Mike Pence und die Führerin der Demokraten, Nancy Pelosi zu ermorden. Der Mob war im Kapitol nur noch einen halben Flur vom voll besetzten Kongress entfernt, bevor ein Wachmann, ihn auf eine falsche Fährte lenkte und die Türen geschlossen werden konnten. Das muss ein Weckruf auch hier in Europa sein, wie dringend die zentralen demokratischen Institutionen zu schützen sind. Deren Sicherheit gerät schneller in Gefahr, als gemeinhin gedacht.

Auch die EU muss die Gefahren rechtzeitig erkennen und sich wappnen

In der EU muss es deshalb ein rigoroses Vorgehen gegen faschistische Gruppierungen geben. Der Kampf kann nicht nur mehr den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen bleiben, denn diese gefährlichen „Bewegungen“ z. B. aus den Niederlanden, aus Frankreich, aus Italien und Österreich sind heute grenzübergreifend vernetzt. Wenn das Bekenntnis, Geschichte darf sich nicht wiederholen, mehr als ein Lippenbekenntnis sein soll, dann muss auch die EU entschlossen gegen Demokratiefeinde vorgehen.

Konkrete Pläne vorlegen und Maßnahmen festlegen

Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, erstens einen EU Verfassungsschutz zu etablieren, der derartige Netzwerke beobachtet. Zweitens müssen rechtsstaatliche Verfahren zum Verbot solcher Netzwerke installiert werden. Schließlich sind drittens alle demokratischen Institutionen in der EU und in allen Staaten machtvoll  zu schützen, damit sie nicht überrannt werden können. Es muss geklärt sein, wer dafür zuständig ist und wer notfalls einschreiten kann, wenn der Schutz nicht ausreicht, wie es ja in den USA leider der Fall war. Die Befehlskette zum Schutz der Gebäude, auch der obersten Gerichte muss genauesten durchdacht sein und im Notfall sofort aktivierbar sein. Das sind die Lehren aus dem zutiefst erschreckenden Coup     d´Etat.

Bürger nicht allein lassen

Der Aufruf von Politikern an die Bürgergesellschaften, doch jeder rechtsradikalen Äußerung an jedem Ort entgegen zu treten, ignoriert, dass eben diese Politik die gefragten Bürger*innen, die sich als mutig erweisen, beschämend allein lässt. Nicht mal die Aufklärung vor Gericht wird so betrieben, dass die verantwortlichen Netzwerke aufgedeckt werden. Die ewige These von Einzeltätern wird meist selbst dort nicht widerlegt, wo alle Welt vom Gegenteil ausgehen muss (z.B. bei der verharmlosend so genannten Serie von Dönermorden in Deutschland)

Soziale Netzwerke effektiv regulieren

Und vor allem muss endlich augenblicklich  und effektiv gegen die Verbreitung von Lügen in sozialen Netzwerken vorgegangen werden. Der Putsch am 6.1.2021 in den USA ist das Ergebnis der millionenfachen Verbreitung und permanenten Wiederholung von Lügen und Verschwörungstheorien. Der Twitter-Account des amerikanischen Usurpators hatte fast 90 Mill. Followers bzw. Anhänger*innen. Auf Spiegel.de wird er als „neuer Herrschertypus“ benannt, als Social-Media-Leader.

Die Rolle der EU-Sozialpolitik

Zu einem effizienten EU-Verfassungsschutz muss dringend eine erweiterte EU Sozialpolitik hinzukommen. Warum? Nur wenn der Wohlstand einigermaßen gleich verteilt und nicht bedroht ist, finden rechtsradikale Strömungen wenig Nährboden. Die außerplanmäßig beschlossenen umfangreichen Mittel für den Wiederaufbaufonds für die besonders durch die Pandemie wirtschaftlich gebeutelten Länder sind in diesem Zusammenhang als wichtige solidarische sozialpolitische Maßnahme der EU zu verstehen. Europäische Regelungen zum Kurzarbeitergeld könnten dazu beitragen,  Massenarbeitslosigkeit zu vermeiden. Regelungen dazu sollten möglichst schnell in Angriff genommen werden. Die EU Sozialpolitik ist mittelfristig z. B. auch durch einen europäischen Mindestlohn zu erweitern. Der sollte  sich nach dem Durchschnittsverdienst des jeweiligen Mitgliedslandes richten. Es darf auch nie wieder eine prozyklische Haushaltspolitik wie unter der deutschen Regierung H. Brüning von 1930 geben.

Und die Rolle von Fiskal- und Wirtschaftspolitik als Bollwerk

Analysieren wir, warum in den USA ein Donald Trump in der Präsidenten-Wahl von 2020 elf Millionen Stimmen mehr erhalten hat als 2016 (63 Mill. zu 74 Mill.). Es ist nicht das untere Drittel der Gesellschaft, das überwiegend den „Make America great again-Agitator“ gewählt hat! Seine Wähler*innen kommen -von den ganz Reichen  abgesehen- vor allem aus dem mittleren Drittel der Bevölkerung. Es sind diejenigen, die die meiste Angst haben, aufgrund von Krisen wieder zurück zu fallen in bittere Armut.  Sie haben sich oft gerade daraus emporgearbeitet. Aber sie erinnern sich gut, wie viele nach der Krise von 2008 ihren Job und ihr Haus verloren haben. Und so gehören zu den 11 Millionen neuen Trumpwähler*innen von 2020 sogar „people of color“, sowohl Schwarze wie Latinos, die es erst knapp „geschafft“ hatten, der Armut zu entfliehen. (Analysen von NYT und Washington Post nach der Wahl)

Europa muss Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen ziehen

Denn in den USA gibt es gerade nicht, wie hier in Deutschland ein soziales Netz, das die Menschen auffängt.

Und da Rechtsradikalismus und Schlimmeres in ganz Europa schon seit Längerem eine Bedrohung sind, wird es Zeit, dass Europa handelt und in der ganzen EU eine Sozialpolitik schafft, die den Namen verdient.

Außerdem ist verstärkt auf Prävention zu setzen. Die EU muss über ihre eigene Europäische Einigungs-Geschichte aufklären. Sie muss ihre wirtschafts- und haushaltspolitischen Erfolge besser bekannt machen. Und sie muss die wahrgenommene Distanz zwischen den Bürger*innen und „Brüssel“ z.B. durch mehr Bürgerdialoge zu verringern suchen. Die europäische Integration ist ein fortgesetzter gesellschaftlicher und politischer Lernprozess. Dieser ist durch die verstärkte Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit weiter zu fördern, um möglichst Viele auf diesem Weg in eine offene rechtsstaatlich geprägte Gesellschaft mitzunehmen.

 

5. Was ist zu tun zur Vollendung der Dekolonialisierung?

Liberalisierung der europäischen Zollpolitik

Schwer durchzuführen, aber notwendig ist es, den von früheren Kolonialmächten unterdrückten Ländern auf Augenhöhe zu begegnen. Dies bedeutet u.a., die protektionistische Zollpolitik der EU zu liberalisieren. Die gemeinsame Handelspolitik der EU wird nämlich ausgeübt durch eine gemeinsame Zollpolitik. Die aus Drittstaaten importierten Agrarprodukte werden mit Abgaben belastet. Diese haben die Höhe der Differenz zwischen den Einfuhrpreisen und den meist teureren in der EU üblichen Preisen. Unverständlich? Es geht mit der Zollpolitik um das, was kaum ein Konsument hier in Europa weiß: darum, die Wettbewerbsvorteile der billiger produzierenden Drittländer und damit ihrer Importprodukte zu beseitigen, sie also zu verteuern! Und die Agrarprodukte der EU in die Entwicklungsländer erhalten Exportsubventionen! Dies ist die Praktizierung einer Politik des Protektionismus der „Festung Europa“ nach dem Motto „Europa first“. Das ist das Gegenteil einer Liberalisierung des Marktes.

Ausbeutung  einerseits – Verpestung andererseits

Die alte Arbeitsteilung zwischen Kolonialherr und abhängigem Land setzt sich in noch einem anderen neuen Gewand fort. Aus den „Entwicklungsländern“ werden Rohstoffe günstig bezogen. Im Gegenzug jedoch werden für die großen Agrar- und Lebensmittelkonzerne wie Bayer mit Monsanto und Unilever   neue Absatzmärkte für Pestizide und für gentechnisch verändertes Saatgut erschlossen -so die verbreitete Kritik- . Auf diese Weise haben die früheren Kolonien kaum eine Chance, wirtschaftlich selbständig zu werden und ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Nicht auf Augenhöhe

Sicher tragen diese Umstände stark dazu bei, dass diese Länder immer noch – auch mehr als 70 Jahre nach der Gewinnung der Selbständigkeit – weiterhin von „Entwicklungshilfe“ abhängige Staaten sind. Dies gilt z. B. für 79 AKP – Staaten – Afrika, Karibik, Pazifik-Regionen -, mit denen die EU Economic Partnership Agreements, sog. EPA-Verträge abgeschlossen hat. Solange diese Staaten sich untereinander nicht absprechen können, haben sie keine Chance, gemeinsame Interessen in diesen Verhandlungen gegenüber einem Block der EU mit 450 Millionen Einwohnern durchzusetzen.

Fortsetzung alter Beziehungen mit anderen Mitteln?

Generell ist zu fragen, ob es richtig ist, dass die früheren Kolonialländer  die EU-Beziehungen zu den früheren Kolonien, heute formal selbständigen Ländern vorrangig mitbestimmen, weil sie sich „auskennen“. So sind z.B. Portugal und Spanien federführend für das Mercosur -Abkommen mit Südamerika zuständig. Zu fragen ist, ob solche „special relations“ nicht im Gegenteil eher schädlich sind für die jetzt unabhängigen Länder, die oft aber immer noch Entwicklungsländer sind?

Geheimverhandlungen mit Südamerika

Das Mercosur – Abkommen, das noch nicht ratifiziert ist, wurde fast 20 Jahre zwischen der EU Kommission und Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, also Staaten, die früher spanische bzw. portugiesische Kolonien waren, verhandelt. Es ist als Freihandelsabkommen konzipiert. Die gegenseitig offenen Märkte sollen die Lebensbedingungen von rund 780 Millionen Menschen in Europa und Südamerika verbessern. Der politische Rahmenteil des Abkommens, der „Assoziierungsteil“, wurde im Juni 2020 abgeschlossen. Aber er blieb zunächst geheim! Bis er Greenpeace zugespielt wurde.

Kritik an den Inhalten

Die immer lauter werdende Kritik machte daraufhin geltend, dass das Abkommen keine verbindlichen Verabredungen und Sanktionsmechanismen zum Klima- und Umweltschutz enthält. Dabei hatten Frankreich und die Niederlande einen Vorstoß gemacht, um die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens zu einem „essential element“ des Vertrages zu machen. Studien haben aber ergeben, dass die durch das Abkommen erhöhten Rindfleisch-Exporte nach Europa die Entwaldung in den Mercosur – Ländern, also insbesondere in Brasilien im Amazonasgebiet, pro Jahr um etwa 5% erhöhen. Die Umweltkosten durch die zusätzlichen CO2-Emissionen seien dabei höher als der wirtschaftliche Nutzen des Abkommens (tagesschau.de vom 8.10.2020: „Keine Sanktionen bei Umweltverstößen“).

Wandel der Bedingungen durch die Welt-Klima-Krise

Auch das Europäische Parlament hat sich inzwischen kritisch zu dem Abkommen positioniert. Es passt überhaupt nicht zu den aktuellen EU Zielen des Green Deal und der EU Umweltpolitik, so das Parlament. Aber es ist höchst fraglich, ob die angestrebten Nachverhandlungen zu einer substantiellen Veränderung des Vertrages führen können. Denn es ist leichter gesagt, als getan, mit einem autoritären Regime wie unter Präsident Bolsonaro in Brasilien, das die drohende Klimakatastrophe leugnet, über Umweltschutzauflagen zu verhandeln.  In diesem Fall ist leider eine Verhandlung auf Augenhöhe zum Scheitern verurteilt. Entweder die EU wartet ab, bis in Brasilien wieder eine „vernünftige“ Regierung an der Macht ist oder aber sie muss zusammen mit der neuen US-amerikanischen Administration unter Präsident Jo Biden internationalen Druck aufbauen, um alle Länder des Globus mitzunehmen auf dem Pfad zur Rettung des Weltklimas.

Ein neuer Geist

Darüber hinaus ist die Zeit des Kolonialismus mit all ihrem Unrecht endlich in Europa und auch in Deutschland zu thematisieren. In diesem Zusammenhang stimmt es optimistisch, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die nun im -gerade digital – eröffneten Humboldt-Forum in Berlin dieses Thema aufarbeiten will, durch ihren Präsidenten ankündigt: „Auch wenn Objekte (Exponate aus Kolonien) n i c h t in einem Unrechtskontext stehen, sagen wir: Wenn sie für die Kultur, für das Land ganz besonders wichtig sind, dann kann man auch darüber reden, dass man so etwas zurückkehren lässt.“ Verschiedene Kooperationsprojekte dazu sind bereits seit einiger Zeit auf dem Weg.(RZ, 7.1.2021)