Statt Kohlekraftwerk bald Fernwärme aus einer Großwärmepumpe

Das alte Kraftwerk hat bisher die siebtgrößte Stadt Dänemarks, Esbjerg, mit Fernwärme versorgt. Aber nicht mehr lange. Es wird ersetzt durch ein Produkt aus Deutschland. In ihrer Art wird sie die weltweit größte Pumpe sein. Die Stadt liegt am Meer. Der große Quader steht auf einer Fläche so groß wie ein halbes Fußballfeld. Das Prinzip dahinter gilt als einfach. Durch meterdicke Rohre wird Meerwasser hereingepumpt. Im Schnitt hat das Meerwasser eine Temperatur von 15 Grad. Wärmetauscher entziehen dem Wasser ungefähr zwei bis drei Grad Wärme, mit deren Hilfe das Fernwärmenetz auf bis zu 90 Grad erhitzt wird. Das abgekühlte Wasser fließt zurück ins Wattenmeer. Bauteile für viele Windräder, die den Strom für die große Pumpe liefern sollen,  liegen bereits im Hafen von Esbjerg.

Das Abschalten des Kraftwerks spart nach Angaben der Stadt rund 60.000 Kilogramm CO2 pro Jahr.

Wie viele Haushalte mit dieser „Fernwärme“ versorgt werden

Zunächst soll diese Fernwärme 25 000 Häuser und damit ca. 100 000 Menschen versorgen. Die Planung besagt, dass die Stadt von 70 000 Einwohner*innen in sieben Jahren CO²-neutral sein soll. Der konservativ-liberale Politiker sagt dazu : „Die Menschen von Esbjerg erwarten von uns, dass wir grüne Lösungen finden. Sie haben erkannt, dass wir unser Leben anders leben müssen als zuvor.“ (19.9.2023) Die Großwärmepumpe soll 2024 ans Netz gehen.

Dänemark ist 2022 zum wiederholten Mal als klimafreundlichster Staat der Welt ausgezeichnet worden. Das wissen die Politiker zu schätzen, die auch bei einem Regierungswechsel weitermachen. Und die Industrie weiß inzwischen, dass sich die Umstellung auf Energieeffizienz meist schon nach wenigen Jahren auszahlt.

Sonderborg will schon 2029 klimaneutral sein

Sogar die Baumaschinen, die in der 75.000  Einwohner-Stadt an der Flensburger Förde auf der Ostseeseite arbeiten, sind nur noch elektrisch unterwegs. Mit einem Viertel der Energie klassischer Baumaschinen bewegen sie dank effizienter Hydraulik und Elektrik die gleiche Menge Erde. Bei dem „Project Zero“, das das Ziel verwirklichen soll, greift alles ineinander. Dazu dienen seit 15 Jahren drei Schritte: 1. Sparen, d.h. zunächst, den Energieverbrauch zu senken. 2. gibt es einen ausgefeilten Plan, nach dem alle Energieverbraucher und -erzeuger klug vernetzt werden. Das bedeutet, die Abwärme, die in der Industrie und anderswo (große Kühltruhen in Supermärkten z.B.) entsteht, wird in Fernwärmenetze eingespeist. Erst an 3. Stelle wird dann der noch bestehende Energiebedarf durch Erneuerbare gedeckt. Vorerst hat die Stadt drei getrennte Netze: Das Gasnetz mit der Option das Gas später durch Wasserstoff zu ersetzen, das Fernwärmenetz und das Stromnetz, in das inzwischen nur noch Windenergie eingespeist wird.

Wie eine ähnliche Lösung in  Deutschland aussähe

MAN hat ihren Sitz in Augsburg. Ihre Pumpen werden weltweit nachgefragt. Auch in Deutschland ist die Nachfrage nach Fernwärme explodiert. In Augsburg wird Fernwärme für einen Teil der Stadt durch einen fossilen Verbrenner geliefert, eine Gasturbine. Der Chef von MAN Energy Solutions sagt, man könnte in Augsburg das Wasser z.B. aus dem Lech nehmen. Allerdings fehle dann noch der grüne Strom, um klimaneutral zu produzieren. Und bis der in Bayern zur Verfügung steht, vergehen wohl noch Jahre. Denn mit Windkraftausbau hinkt das Land stark hinterher. Und da das Land verlangt hat, dass die Nord-Süd-Trassen von der Nordsee bis Bayern in der Erde verlegt werden müssen, dauert auch die Ankunft des grünen Stroms aus dem Norden noch Jahre. Aber im Süden der Stadt wird ein neues Viertel geplant. Und vielleicht nimmt der Ausbau von Wind- und Sonnenstrom demnächst ja doch noch in Bayern Fahrt auf.

Deutschland hat ein großes Potential zur Nutzung von Großwärmepumpen

Denn die Pumpen kann man mit vielen Quellen betreiben: mit Geothermie, mit See- und Flusswasser, mit industrieller Abwärme oder Abwasser, aus Kohlengruben oder von Rechenzentren. Deshalb sagt der Chef des Thinktanks Agora Energiewende:

„Deutschland verfügt über mehr Umwelt- und Abwärmequellen als wir brauchen, um den gesamten Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 Grad Celsius zu decken“. Mit anderen Worten, die großen Pumpen können nicht nur den Wärmebedarf von Fernwärmenetzen, sondern auch den von Industrie decken.

In Dänemark sind die nächsten Projekte bereits auf dem Weg

Weiter nördlich von Esbjerg wird MAN demnächst für Aalborg eine Wärmepumpe bauen, die zweieinhalb mal so groß ist wie die erste ihrer Art. Und das wird kein Einzelfall bleiben. Denn Dänemark hat die Ölkrise von 1973 zum Anlass genommen, sich mehr und mehr von ÖL und Gas zu verabschieden. Seit 1979 sind die Kommunen verpflichtet, langfristige Wärmepläne zu erstellen. Jeder kleine Ort, jede Großstadt musste die jeweils beste soziale, aber auch wirtschaftlichste Wärmeversorgung ohne fossile Brennstoffe für sich finden.

Mithilfe einer Steuer auf die Fossilen wurden diese immer teurer gemacht. Die Einnahmen wurden zur Förderung der neuen Wärmeversorgung verwendet. Viele Gemeinden haben sich damals für Fernwärmenetze entschieden. 70% der Haushalte sind inzwischen angeschlossen. Rund die Hälfte dieser Fernwärme wird bereits aus grüner Energie generiert. Und die übrigen sind leicht umstellbar auf Erneuerbare. Sie heizen ohnehin überwiegend mit Wärmepumpen.

Die Regulierung durch die Dänen

In Dänemark hat die Politik entschieden, die Wärmezufuhr nicht dem freien Markt zu überlassen. Die Fernwärmeversorger arbeiten nicht gewinnorientiert. Etwaige Überschüsse reinvestieren sie. Außerdem sind die Netze häufig genossenschaftlich organisiert  und oftmals  sind die Bürger*innen an ihnen beteiligt. Es gibt also keinen Flickenteppich wie in Deutschland, wo der Bewohner – zumindest im Eigenheim –  für sich allein entscheidet, welche Heizung er einbaut. 2013 hat Dänemark den Einbau neuer fossiler Heizsysteme in Neubauten verboten. Und seit 2016 dürfen Heizungen in Altbauten nicht mehr durch fossile Anlagen ersetzt werden. (6.4.23) Das Ergebnis: nur noch 15% heizen in Dänemark mit Erdgas und nur noch 8% mit Öl. Möglich war das durch eine Kontinuität im diesbezüglichen Regierungshandeln unabhängig davon, wer regierte. Das gab allen Planungssicherheit.

Und die Fernwärme in Dänemark wird bereits zu 75% aus Erneuerbaren generiert.

MAN und Finnland

Mit einer großen Luft-Wasser-Wärmepumpe wird die finnische Hauptstadt Helsinki bis 2030 ihr Klimaneutralitätsziel erreichen. Das Spitzenland bei der Installation von Wärmepumpen, bekommt nun auch die größte Pumpe der Welt aus Deutschland geliefert. Finnland ist auch einer der Vorreiter in der EU bei der Einführung kleinerer Wärmepumpen in Privathaushalten – fast 1,5 Millionen Geräte wurden in einem Land mit knapp 6 Millionen Einwohnern installiert.

Kooperation von MAN und Fonterra/Neuseeland

Die Molkereigenossenschaft will die Wärmepumpentechnologie anstelle von Kohle zur Dampferzeugung in der Herstellung von Milchprodukten, z.B. Trockenmilch nutzen. Das soll bisherige CO²-Emissionen stark minimieren und zu einer Reduktion von jährlich 60.000 Tonnen führen. Die Einführung dieser neuen Technologie wird der Emissionseinsparung von 25.000 Autos jährlich in ganz Neuseeland entsprechen.

Der Strom für die Hochtemperaturwärmepumpe von MAN soll aus erneuerbaren Energien kommen. Dazu stehen in Neuseeland Wasser- kraft, Sonne, Wind und Geothermie zur Verfügung. Damit wird die MAN-Heat-Pump-Technologie klimafreundliche Produkte in die Lebensmittel- und Getränkeindustrie bringen. Auch auf diesen Gebieten wird sie den Unternehmen bei der Dekarbonisierung helfen.

An verschiedenen Standorten will die Molkereigenossenschaft ihre Kohlekessel ersetzen und mithilfe verschiedener Technologien in 2023 und 2024 klimafreundlich gestalten.

Die Situation in Deutschland

Öl- und Gasheizungen sind noch mit 75% die vorherrschenden Heizungen. Es gab hier staatlicherseits keine direkten Vorgaben. Die rot/grüne Regierung um die Jahrtausendwende handelte zwar einen Ausstieg aus der Kernenergie aus und kurbelte die Solar- und die Windenergie an. Aber die ab 2005 folgende schwarz/gelbe Regierung fuhr die Förderung zurück und machte in Bezug auf die Kernenergie eine Kehrtwende. Als dann der Supergau in Fukoshima passierte, machte die CDU-Bundeskanzlerin einen erneuten Salto mortale. Dieser kostete den deutschen Staat dann mehr als 2,4 Milliarden Euro Entschädigungsgelder für die Atom-Anlagenbetreiber.

Das Gebäudeenergiegesetz

Die neue rot/grüne Regierung macht jetzt im Jahr 2023 mit dem Gebäudeenergiegesetz – nach monatelangen Diskussionen – ernst. Nachdem dieses Gesetz aufgrund der massiven Proteste deutlich abgeschwächt wurde, hat es der Bundestag am 8.9. beschlossen. Und inzwischen auch  die Länderkammer, also der Bundesrat. Ab 2024 soll es zunächst nur für Neubaugebiete gelten. Erneuerbare Energien sollen demnach in den neuen Heizungen einen Anteil von 65% haben. Für Altbauten hat der Bundestag das geplante Verbot, eine alte Heizung erneut durch eine  Öl- oder Gasheizung zu ersetzen, um Jahre verschoben. Stattdessen sollen sich erst die Kommunen um die Planung von Fernwärmenetzen bemühen. Nur wenn eine solche vorliegt, darf ein Hausbesitzer ab 2028 keine neue Gasheizung mehr einbauen. Aber selbst dann gibt es eine Einschränkung: Können die Stadtwerke einen Transformationsplan für Wasserstoffnetze vorlegen,  dürfen umstellbare Gasheizungen weiter eingebaut werden.

Ein gemischtes Fazit

Mit anderen Worten: Deutschland fängt 50 Jahre nach den Dänen an, eine Wende im Heizungssektor mit kleinen Schritten in Gang zu setzen. Das geschieht mit großem Widerstand (in der derzeitigen Dreierkoalition kommt dieser von der FDP) und auch Unwillen aus einigen Teilen der Bevölkerung. Andererseits sind aber z.B. die Fördermittel, die die Bundesregierung am 26.9.2023 für ein Solarkomplettpaket ausgeschüttet hat, bereits nach einem Tag komplett abgerufen. Dabei ging es um drei Neuerungen gleichzeitig: eine Solaranlage auf dem Dach, eine Wallbox und die Anschaffung eines Elektroautos. Der Zuschuss dafür soll maximal 10.200 Euro betragen. 33.ooo Anträge hat die KFW bewilligt. Für das Jahr 2023 hatte das Bundesverkehrsministerium dafür 300 Mill. Euro eingeplant.