Geht es um Nein heißt Nein? Was die Kommission wollte

Gewalt gegen Frauen „umfasst Straftaten wie sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, weibliche Genitalverstümmelung, Zwangsehen, Zwangsabtreibung oder Zwangssterilisation, Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, Stalking, sexuelle Belästigung, Femizid, Hassreden und Straftaten aufgrund des Geschlechts sowie verschiedene Formen der Online-Gewalt (im Folgenden „Cybergewalt“), einschließlich der Weitergabe oder der Manipulation von intimen Materialien ohne Zustimmung, Cyberstalking und Cybermobbing“.

Die Kommission hatte dazu in dem Vorschlag fünf umfangreiche Absätze vorgelegt, wie sich ihr Vorhaben rechtlich auf vorhandene Gesetze bezieht. Dabei geht es ihr darum, Gewalt gegen Frauen und Vergewaltigung zu anerkannten Straftatbestände zu erklären.

Was im Laufe des Verhandlungsprozesses daraus geworden ist

Am 7.2.2024 berichtet die Tagesschau zum Fortgang mit der Überschrift: Schutz vor Gewalt – nicht vor Vergewaltigung. Aber die EU hat nun zum ersten  Mal ein Rechtsinstrument in der Hand  zu mehreren Aspekten des Themas. Das Parlament hatte die Kommission mehrfach dazu gedrängt. Interessanterweise kommt die für das Thema zuständige Berichterstatterin Frances Fitzgerald aus der konservativen EVP-Fraktion. Aber selbst sie macht aus ihrer Frustration keinen Hehl: „Es ist nicht gelungen, im Rat zu einer qualifizierten Mehrheit zu kommen – und EU-einheitliche Standards für den Straftatbestand Vergewaltigung zu erreichen – das ist außerordentlich enttäuschend.“ In 18 von 27 Mitgliedsstaaten ist nur dann die Rede von einer Straftat, wenn die Frau konkret bedroht oder geschlagen wurde.

Warum Einige gegen die Aufnahme eines Straftatbestandes Vergewaltigung sind

Obwohl in Deutschland seit 2016 das Prinzip `Nein heißt Nein´ gelte, ist der Widerstand gegen eine solche EU-Regel sehr stark von der FDP aus Deutschland gekommen. Das Argument: Eine solche Angleichung gehe über EU-Kompetenzen hinaus. Denn Vergewaltigung sei nicht ausbeuterisch.(!) Die Richtlinie wäre deshalb juristisch angreifbar. „Sexualisierte Gewalt“ sei etwas Anderes als sexuelle Ausbeutung. In der Liste der Euro-Crimes käme Vergewaltigung nicht vor, deshalb könne die EU sie nicht strafrechtlich verfolgen. Es war Justizminister Buschmann, der mit seinem französischen Kollegen und demjenigen von Ungarn gegen den Wunsch der Frauen verhandelt hat.

Ein weiblicher Kommentar von oberster Stelle

Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Pina Picierno kommentierte die Niederlage derer, die seit Jahren für das EU-Gesetz gekämpft haben so: „Alle sechs Stunden wird in Europa eine Frau getötet. Dies ist eine gesellschaftliche Tragödie, eine Pandemie der Gewalt von Männern gegen Frauen, angefacht von einer patriarchalischen Kultur, die wir beenden wollen“. Sie kündigte an, dass ihr Kampf und der der Frauen weiter gehen werde.

Ein kleiner Trost

Allerdings haben die Frauen in das Gesetz hinein verhandeln können, dass die Staaten nun viel mehr verpflichtet sind als bisher, bekannt und deutlich zu machen, was Einwilligung heißt in Bezug auf einvernehmlichen Sex auch in der Ehe. Und die Richtlinie verpflichtet die Staaten überdies zu besserer Datenerhebung.

Aufgrund einer wirksamen Überprüfungsklausel wird die Richtlinie zudem nach drei Jahren erneut aufgerufen. Die offenen Fragen sollen dann nochmal auf den Prüfstand.

Maßnahmen der EU zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen

Europaweit soll nun auch Cyberstalking und Cybermobbing online, aber natürlich auch offline gegen Frauen strafbar sein. Gemeint sind damit Belästigung im Netz, auch frauenfeindlicher Hass, sowie Hetze.  Auch das Zeigen von Nacktfotos ohne Einwilligung, sowie das Montieren von Gesichtern in pornographische Szenen  wird strafbar. Ein Fortschritt  ist das Verbot der Beschneidung der Klitoris bzw. der Verstümmelung weiblicher Genitalien. Und die Zwangsehe wird ein eigenständiger Straftatbestand.

Kinder, wenn sie Zeugen häuslicher Gewalt sind, werden in den meisten Fällen ebenfalls als Gewaltopfer betrachtet. Die Richtlinie soll Frauen den Zugang zur Justiz ermöglichen und ihnen einen Anspruch auf Schadenersatz gewähren. Ein kostenloser Zugang zu Beratungsstellen und Krisenzentren für Vergewaltigungsopfer verpflichtet die Staaten dazu, solche Krisenzentren einzurichten und die Prävention zu erhöhen.

7.5.2024:  die Richtlinie  kann in Kraft treten

Wie immer haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht zu übertragen. Zusätzlich hat die EU noch eine Richtlinie verabschiedet, die die Gleichstellungsstellen in den Mitgliedsstaaten besser ausstatten sollen. Außerdem sollen öffentliche Institutionen verpflichtet werden, diese bei Problemen von Diskriminierung zu konsultieren.

Die Istanbul Konvention

Im Oktober 2023 ist die EU der Istanbul Konvention beigetreten, der Europaratsinitiative zum Schutz von Frauen vor Gewalt. Mit der Richtlinie wird die Konvention nun wohl auch in den Staaten verpflichtend, die ihr nicht beigetreten sind.

29.5.2024. Verglichen mit Deutschland ist die gesetzliche Regelung bezogen auf eine Vergewaltigung in anderen europäischen Ländern wesentlich schärfer. Statt „Nein heißt Nein“ gilt dort:  nur ein „Ja heißt Ja“. So ist es u.a. in Schweden, den Niederlanden, in Slowenien, sowie in Dänemark und Spanien. Die Expertin für Geschlechtergerechtigkeit von Amnesty International äußert: dass sich Deutschland mit der Istanbul-Konvention des Europarats dazu verpflichtet habe, auf eine solche konsensbasierte Regelung hinzuarbeiten.