Der Europäische Rat ist das Gremium, in dem sich die Staats-und Regierungschefs aller Mitgliedsländer treffen. Hier galt lange das absolute Einstimmigkeitsprinzip. Allerdings gab es über Jahre eine wachsende Unzufriedenheit damit.
Der Vertrag von Lissabon führt die Passerelle-Regelung (P-R) ein
Der Vertrag, eigentlich die Verfassung von Europa, 2007 beschlossen, gültig seit 2009 führt diese Klausel ein. Das Wort kommt aus dem Französischen und bedeutet kleine Brücke. Danach kann der Europäische Rat ab Nov. 2014 einstimmig beschließen, dass das Prinzip in bestimmten Politik-Bereichen ersetzt wird. Dann soll mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, allerdings nicht in militärischen oder verteidigungspolitischen Fragen. Und diese Brückenklausel besagt, dass 55% der Staaten, die für einen Beschluss stimmen, mindestens 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen. Ein nationales Parlament kann jedoch innerhalb von sechs Monaten gegen einen so zustande gekommenen Beschluss votieren. Er wird dadurch dann ungültig.
Als weiterer Mechanismus soll helfen: Mitgliedsstaaten können sich bei der Abstimmung enthalten. Dennoch gilt der Beschluss trotz der vorhandenen Einwände als angenommen.
Probleme, die immer mehr EU-Staaten erzürnt haben
Die Staaten Ungarn und lange Zeit auch Polen verstießen immer stärker gegen Grundsätze der EU. Vor allem auf dem Gebiet der Gewaltenteilung griff Ungarn und dann auch Polen immer mehr in die Rechtsprechung ein. Und auch in die Freiheit der Medien griffen beide Staaten zunehmend ein. Außerdem führte die Verteilung europäischer Gelder besonders in Ungarn zu großer Korruption. Das EU-Parlament drängte auf Sanktionsmechanismen. Zwar war die Stimme des betroffenen Staates bei einer Abstimmung außenvor. Aber aufgrund der notwendigen Einigungen im Europäischen Rat waren Sanktionen bis 2017 nicht durchsetzbar. Denn einer von den beiden Staaten sprang dem jeweils „angeklagten“ Staat immer bei. Das zwang die EU-Kommission über Abhilfe nachzudenken.
Die Anwendung erster Einschränkungen des Einstimmigkeitsprinzips
Sogar der Haushalt der EU findet nicht immer die Zustimmung aller Staaten. Schon vor Einführung der Passerelle-Regelung gab es häufiger Konflikte zwischen großen und kleineren Staaten. Nach Anwendung der Regel kam es z.B. bei der Abstimmung über den EU-Haushalt für das Jahr 2020 dazu, dass sechs Länder diesen ablehnten und einer sich enthielt. Da sie aber nur 22,47% der EU-Bevölkerung repräsentierten, konnte der Haushalt verabschiedet werden.
In Bezug auf die oben genannten Probleme hat die EU im November 2020 erstmals mit Hilfe der P-R einen Konditionalmechanismus angewandt, um Druck auf Ungarn auszuüben. Aber selbst das erwies sich als umstritten und kompliziert.
Die Zukunft der EU
Da die Rolle der EU in Zukunft für unsere (militärische) Sicherheit wie auch für unsere wirtschaftliche Entwicklung wesentlich wichtiger und größer wird, muss jetzt verstärkt darüber nachgedacht und bald entschieden werden, wie die EU auch international schneller handlungsfähig wird. Das betrifft in Zukunft auch die Außenpolitik sowie die Verteidigungspolitik, aber ggfs. auch die Handelspolitik. Im Gespräch ist dazu ein Souveränitätssicherheitsnetz. Außerdem könnte die EU statt des Vetos eines Einzelstaates, z.B. kollektive Vetos von z.B. drei Staaten einführen. Diese müssten wiederum einen gewissen Bevölkerungsprozentsatz vertreten. Dadurch würde es schwieriger, die EU durch nur einen Staat zu blockieren.