Die Republik Irland nimmt 5sechstel der irischen Insel im Atlantik vor Großbritannien ein. Der nördliche Teil ist Nordirland, das zu Großbritannien gehört. Auf der „grünen Insel“ leben 4,9 Millionen Menschen im irischen Teil, das sind 68 im Schnitt auf dem Quadratkilometer. Hauptstadt ist Dublin. Die Bevölkerung ist ganz überwiegend römisch-katholisch im Gegensatz zu einer Mehrheit von Protestanten in Nordirland. In früheren Zeiten waren die Iren bettelarm und wanderten massenhaft aus, besonders in die USA. Heute ist Irland, gemessen am BIP pro Einwohner, Kaufkraft bereinigt, das zweitreichste Land in der EU. 2018 verdient jeder Ire im Schnitt 79.417,-US Dollar im Jahr.
1. Geschichte
Ab dem 4. Jahrhundert vor Christi Geburt besiedelten Kelten von Nordfrankreich aus die irische Insel. Es gab dort zu dieser Zeit 5 Königreiche. Ab dem 5. Jahrhundert nach Christi Geburt begann die Christianisierung. Ab dem 7. Jahrhundert gibt es reiche schriftliche Dokumente sowohl in Latein als auch in Irisch. Als „nationaler Apostel“ wird St. Patrick verehrt. Sein Gedenktag wird heute noch jährlich auch in den USA und Kanada begangen. Chicago färbt seinen Fluss an diesem Tag grün.
Die Kultur der katholischen Mönche und die Auseinandersetzungen um kirchliche Reformen bestimmten die Entwicklung des Landes.
795 überfielen von Norwegen aus Wikinger das Land und gründeten an den Küsten Städte.
Die englische Fremdherrschaft
Unter dem englischen König Henry II. verlor Irland seine Selbständigkeit, weil er die Iren 1171 unterwarf. Doch die Anglo-Normannische Aristokratie Irlands fand sich damit nicht ab. Das bestimmte besonders die Zeit von Heinrich VIII. Dieser hatte 6 Ehefrauen, von denen er zwei köpfen ließ. Wegen seiner Scheidung von Katharina von Aragon, brach er mit dem Papst und heiratete die Hofdame Anne Boleyn. Trotz intensiver Spannungen akzeptierte das Dubliner Parlament 1536/37 schließlich die Oberherrschaft des englischen Königs an Stelle der des Papstes. Heinrich VIII. wurde König von Irland und königliches Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche – auch in Irland. Kirchengüter wurden enteignet.
Auch ausländische Unterstützung konnte nicht helfen
Die rebellierenden Iren konnten sich trotz Unterstützung durch den Papst nicht durchsetzen. Obwohl zeitweilig auch andere Mächte des europäischen Festlands sie unterstützten, wurden große Teile ihres privaten Landes konfisziert und Engländer darauf angesiedelt. 1595 gab es einen großen Aufstand der Iren in Ulster, der mit einer schweren englischen Niederlage endete. Aber 1600 unter Elisabeth I. wurden erneut englische Truppen auf die Insel entsandt. Sie vernichteten die Ernte und beschlagnahmten die Viehherden, um dem irischen Heer die Nahrung zu entziehen. Trotz Unterstützung durch 3500 spanische Soldaten scheiterte 1601 ein erneuter irischer Aufstand. Das zog weitere Plantations (Ansiedlung von Engländern) und den Bau englischer Forts und Zitadellen nach sich.
Sieg der Engländer
Nach bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen siegte Oliver Cromwell 1652 mit großer Härte und beendete damit die irischen Rebellion. Besiegte Iren wurden als Sklaven in die Karibik verkauft. Anglikanischen Soldaten wurden erneut mit Land der Besiegten entschädigt. Katholiken durften darüber hinaus nicht in Städten leben und waren von der Teilhabe am politischen Leben ausgeschlossen. Wolle durfte nur noch nach England verkauft werden. Das war ein schwerer Schlag für die irische Wirtschaft, denn damit diktierten die Engländer die Preise. Die herrschenden Protestanten feierten jährlich demonstrativ ihre Siege über die Katholiken, so wie es in Nordirland noch bis vor wenigen Jahren üblich war.
Weitere Schmach
Ab 1801 wurde die formal selbständige Republik Irland abgeschafft und das Land dem Vereinigten Königreich einverleibt. Irland wurden 20% der Abgeordneten im britischen Unterhaus zugestanden, sodass die Dominanz Englands gewahrt blieb. Irland, ein Agrarland, verkraftete Mitte 1840 den Befall der Kartoffeln mit einer Krankheit, die 40% der Ernte vernichtete, nicht. Die Bevölkerung verarmte zusehends und erlitt in weiten Teilen den Hungertod – the Great Famine! Von 8,5 Millionen starben mehr als eine Million. Und es kam zu massenhafter Auswanderung nach Kanada und besonders in die USA, insgesamt mehr als zwei Millionen. [Aber die katholischen Iren waren dort nicht gut gelitten, vgl. dazu das nebenstehende Bild]. Viele britische Regierungsvertreter sahen die Hungersnot als Geschenk des Himmels, um „die irische Frage“ zu lösen. Gesetze sorgten dafür, dass Irland für seine Hungershilfe selbst zahlen musste, z.B. durch Abtretung von Ländereien. Bis 1901 sank so die Einwohnerzahl in Irland auf 4,5 Millionen.(Kevin Kenny, Die erste britische Kolonie, Irland…S. 34)
Selbständigkeit des Südteils
Erst nach dem Unabhängigkeitskrieg erlangte Irland 1922 seine Selbständigkeit zurück bis auf das mehrheitlich anglikanische Nordirland, das beim Vereinigten Königreich verblieb. Dann begann ein weiterer Bürgerkrieg. De Valera, der Anführer der republikanischen Rebellen, wandte sich gegen die Teilung Irlands, konnte sich aber nicht durchsetzen. Das irische Parlament stimmte der Teilung zu. Es war bereit, dies als Preis für die Unabhängigkeit zu tun, denn England drohte schon wieder mit Krieg. De Valera war aber ab 1932 irischer Ministerpräsident und später Staatspräsident. Erst 1938 wurden die englischen Marinestützpunkte in Irland aufgegeben. Im 2. Weltkrieg verhielt sich Irland strikt neutral.
Nicht enden wollende Nachwirkungen
Großbritannien hat sich auch gegenüber Irland wie eine imperiale Kolonialmacht geriert. Es ging nicht nur um religiöse Auseinandersetzungen sondern um Vorherrschaft, Landraub, Ausbeutung und Demütigung der „Urbevölkerung“. Besonders weitere Konflikte in Nordirland, die auf Irland ausstrahlen, zeigen wie in einem Brennglas die Nachwirkungen der Geschichte. Die dreißig Jahre andauernden Kämpfe 1969 bis 1998 zwischen englisch und schottisch stämmigen Protestanten, den Unionisten einerseits, und den überwiegend irisch-nationalistischen Katholiken andererseits waren bürgerkriegsähnliche Identitäts- und Machtkämpfe um soziale und politische Vorherrschaft in Nordirland.
Nordirland
In dem kleinen Nordirland leben beide Bevölkerungsgruppen segregiert: im Nordosten die anglikanischen Unionisten. Sie sind wohlhabend, weil stärker industrialisiert als der ärmere bäuerliche ländliche Westen. Die physische Trennung gibt es auch in den Städten. Die IRA, der militärische Arm der Katholiken, kämpfte für die Vereinigung mit Irland. Dieser Kampf gegen die englische Armee kostete 3500 Menschen das Leben. Erst 1998 kam es zu einem sehr fragilen Frieden, dem sog. Karfreitags-Abkommen zwischen den Konfliktparteien in Nordirland, Irland und Großbritannien. Es regelte die politische Teilhabe beider Bevölkerungsgruppen gleichmäßiger. Die Regierung Irlands verzichtete erneut auf die Forderung nach einer Wiedervereinigung mit Nordirland. Die paramilitärischen Truppen sollten entwaffnet werden.
Fragiler Frieden
Durch den Brexit zum Beginn des Jahres 2020 entsteht zwischen der Republik Irland und Nordirland eine EU-Außengrenze. Da aber viele Nord-Iren in Irland arbeiten und täglich hin und her pendeln, wurde im Austrittsvertrag geregelt, dass Nordirland solange im gemeinsamen Markt verbleibt, bis ein Handelsvertrag zwischen Großbritannien und der EU ausgehandelt ist. Diesen völkerrechtlich gültigen Vertrag, den der britische Premier Boris Johnson selbst Anfang des Jahres ausgehandelt hat, hat Johnson jedoch mittlerweile aufgekündigt. Denn er will auch Nordirland nicht länger an die EU binden. Offenbar will er gar kein Handelsabkommen mit der EU schließen. Damit zerstört er nicht nur Vertrauen in die Vertragstreue Großbritanniens, ein bisher einmaliger Vorgang unter EU-Ländern. Sondern die große Gefahr ist, dass er neue bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen herauf beschwört auch in Nordirland. Nach langen Verhandlungen schienen diese vor dreißig Jahren durch das „Good Friday Agreement“ beigelegt.
In letzter Sekunde zwischen Weihnachten 2020 und Beginn 2021 wurde ein Handelsvertrag abgeschlossen, der offenbar auch die harte Grenze ausschließt. Genaueres ist noch nicht bekannt.
2. Grunddaten
Irland ist seit 1973 EU Mitglied und seit dem 1.1.1999 Mitglied der Eurozone.
Die irische Wirtschaft ist stark exportabhängig. Die innereuropäischen Ausfuhren machen 50% aus, die Importe aus der EU belaufen sich auf 64% aller Importe. Die Exporte in die USA und nach Großbritannien machen knapp 40% der Exporte aus. Rindfleisch und Milchprodukte sind die hauptsächlichen landwirtschaftlichen Exportgüter. Eine ähnlich wichtige Rolle spielt die pharmazeutische Industrie. Die Industrie ist im Vergleich z.B. zu Großbritannien bedeutend und trägt zu 36,5% zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Ryanair ist die führende Billigfluglinie Europas.
Der keltische Tiger
Irland hat nach der internationalen Finanzkrise, die das Land besonders hart getroffen hatte, hohe Wachstumsraten des realen Bruttosozialprodukts zu verzeichnen. 2014 schon 8,3%, 2015 waren es unglaubliche 25% u.a. durch Sondereffekte, aber 2017 auch 6,7%. In Analogie zu den Südostasiatischen Tigerstaaten ist deshalb vom „keltischen Tiger“ die Rede.
2018 betrugen die Gesamtausgaben der EU in Irland 2,064 Milliarden Euro, Irlands Beitrag zum EU Haushalt belief sich auf 2,320 Milliarden Euro. Irland gehört also inzwischen zu den Netto Zahlern.
Steuerpolitik
Das spezielle irische Unternehmenssteuerrecht begünstigt internationale Großkonzerne wie Google oder Amazon, die dort deshalb keine oder nur geringe Steuern auf ihre europäischen Gewinne zahlen. Diese Form der Steuervermeidung wird „Double Irish with a Dutch Sandwich“ genannt, frei übersetzt: ein Gewinnverschiebungskarussell zwischen Irland, Holland plus irischer Bank auf den Bermudas. Das ist innerhalb der EU natürlich sehr umstritten und wird ungern gesehen. Die EU Kommission hat Irland bereits aufgefordert, viele Milliarden Euro als Steuern von diesen Konzernen nachzufordern.
Durch eine Einigung auf EU-Ebene zum 1.6.2021 zur jährlichen Offenlegung der länderbezogenen Konzerngewinne (vgl. die Aktuellen Nachrichten hier, Okt.2021, Globale Steuerreform) dürfte sich langfristig an diesem „Gewinn-Modell“ vermutlich etwas ändern.
Die Rolle der katholischen Kirche…
Zahlreiche Missbrauchsskandale haben die katholische Kirche in den vergangenen Jahren stark erschüttert, obwohl sie nach wie vor in Irland sehr einflussreich ist. Am 12. Januar 2010 wurde ein 3000! Seiten starker Bericht über Missbrauch durch Priester in irischen katholischen Kinderheimen veröffentlicht, nachdem man 12 Jahre lang daran gearbeitet hat. Die Rede ist von „Hunderttausende(n) von Kindern, (die) vor allem zwischen den 20er- und den 70er-Jahren auf furchtbarste Weise misshandelt, zur Arbeit geprügelt, unterernährt und missbraucht wurden. Es war ein Missbrauch von industriellem Ausmaß…“, so eine Aussage im Bericht (RBB London, tagesschau.de)
und deren Durchdringung der gesamten Gesellschaft
Elf Jahre später, am 12. Januar 2021 , also genau am gleichen Tag, wird ein ebenso langer Untersuchungsbericht bekannt. 6 Jahre lang ist in 18 von 180 Mutter-Kind-Heimen nachgeforscht worden, was zwischen 1922 und 1998, also in mehr als 70 Jahren, mit den dort geborenen Babys passiert ist. Kirchenobere und z.T. auch die eigene Familie hatten die Mütter, die nicht verheiratet waren, gezwungen, hinter hohen Mauern zu entbinden und weiter dort zu leben. Die Mütter mussten oft jahrelange Zwangsarbeit leisten. Der Bericht weist 9000 tote Babys allein für die 18 untersuchten Heime nach. Das sind etwa 15% der dort zur Welt gebrachten Kinder. Deren Gräber zu finden, ist oft nicht möglich. Wie hoch wäre wohl die Zahl, wenn alle Heime untersucht worden wären?
Nachforschungen bringen eine Antwort
2014 hatte jedoch eine Historikerin, das Fehlen von hunderten Bestattungsunterlagen für ein einziges Heim entdeckt. Nachforschungen auf dem Gelände ergaben den Fund vieler Knochen in stillgelegten unterirdischen Klärgruben. Gegen den Willen der Mütter „verkaufte“ das Heim überlebende Babys oft für viel Geld (zur Adoption). Der Vorwurf der Nonnen: uneheliche Mütter verderben die Moral der Gesellschaft und müssen für ihre Sünden bezahlen.
Öffentliche Aufmerksamkeit
Schon 2013 ist zu dieser Thematik der zigfach preisgekrönte Film Philomena erschienen. In diesem begibt sich die mittlerweile alt gewordene Mutter Philomena Lee auf die Suche nach ihrem Erstgeborenen, also nach einem von den Nonnen „verkauften“ Kind. Sie findet seine Spuren in den USA – leider kurz nachdem er an Aids gestorben ist. (CNN, 12.1.2021) Eine wahre Geschichte. (vgl. hier) Aktuelle Nachrichten, 21.1.2021) 2024 gibt es einen weiteren Film nach der Novelle Small Things like These von Claire Keegans. Er spielt 1980 in den katholischen Magdalenen-Wäschereien, wo 2014 ein Massengrab mit hunderten von Kinderleichen entdeckt worden ist. Erst 1996 wurde die letzte dieser Einrichtungen geschlossen. Seit den 2000 Jahren beginnen Iren, darüber zu sprechen und sich damit auseinander zu setzen.
Leben und Kultur
George Bernhard Shaw (1856-1950), Dramatiker aber auch Kritiker und Pazifist, erhielt 1925 den Literaturnobelpreis. Sein Stück „Pygmalion“ war die Vorlage zum Musical „My fair Lady“.
Andere berühmte irische Literaten sind James Joyce und Oscar Wild und vielen bekannt durch sein absurdes Theaterstück „Warten auf Godot“, Samuel Becket.
In irischen Pubs wird inmitten aller Besucher gerne musiziert. Irische Folkmusik, oft mit Tänzen dazu ist weltweit bekannt.