Verabschiedung des Renaturierungs-Gesetzes in letzter Minute

Der  Umweltrat der EU – das sind alle Umweltminister der 27 Länder – hatte heute, am 17. Juni 2024 seine letzte Zusammenkunft in dieser Legislaturperiode. Denn die Wahlen für das neue EU-Parlament fanden bereits am 9. Juni statt. Die Grüne Fraktion erlitt in Deutschland, Frankreich und Österreich starke Verlust. Dagegen gewannen rechtsradikale Kreise in diesen Staaten viele Stimmen dazu.

Ein nicht zu Ende diskutiertes Gesetz kann zwar in der nächsten Legislatur weiter bearbeitet werden. Aber bei dem zu erwartenden noch größeren Widerstand gegen den Naturschutz aufgrund der nach rechts verschobenen Mehrheitsverhältnisse hätte gerade dieses Restore-Nature-Gesetz vermutlich keine Chancen mehr gehabt, die notwendige Zustimmung zu erreichen.

Die Suche nach einer Mehrheit für das Gesetz im Rat war am Abend vor der Zusammenkunft nicht gegeben. Ein Land zu wenig, also eine Stimme fehlte. Heute dann die Überraschung.

Dazu im Detail die ausführliche Nachricht über das Hin und her der Verordnung im letzten Jahr. Umwelt-Ministerin Leonore Gewessler (Österreich) begründet ihre Zustimmung zum Gesetz trotz „Verbot“ durch ihren Regierungschef mit der Aussage:

»Ich bin davon überzeugt, dass es jetzt an der Zeit ist, dieses Gesetz zu verabschieden«

Bilanz des Green Deal

Mit der Verabschiedung dieses letzten großen weitreichenden Gesetzes zur Wiederherstellung der Resilienz der Natur – so kann man sagen – ist der Green Deal „abgearbeitet“.

Die wesentlichen Gesetze – allerdings mit Ausnahme der Gesetze zur Pestizidreduktion und zu Glyphosat –  sind verabschiedet. Zwar sind sie alle nicht so verwirklicht worden, wie zunächst vorgeschlagen. Aber Kompromisse gehören zum Wesen der Politik. In Europa sind es nicht nur Kompromisse zwischen mehreren Parteigruppen, die sich jeweils aus Mitgliedern verschiedener Länder zusammen setzen. Sondern die EU muss auch die sehr divergierenden Interessen von großen und kleinen Ländern, von mehr agrarisch geprägten und mehr industriell ausgerichteten Staaten ausgleichen. Und außerdem haben einige eine große Holzindustrie und andere eine vor allem auf eine auf Großindustrie ausgerichtete Wirtschaft.

Da grenzt es nahezu an ein Wunder, dass es gelungen ist, so viele Gesetze – Verordnungen wie auch Richtlinien – auf den Weg zu bringen, die die Umweltverschmutzung durch die europäischen Länder eingrenzen sollen und werden. Gleich zu Anfang hat die EU im Klimagesetz  verbindlich das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 festgelegt, sowie die Senkung der Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 55 % auf der Basis von 1990. Ganz vorne sind außerdem die umfangreichen Kreislaufwirtschafts-Gesetze zu nennen. Und jetzt mit der  Verabschiedung in letzter Minute wenigstens ein Gesetz, das dafür sorgen wird, der Natur wieder mehr Raum zu geben. Das wird – trotz der leider von allen Gesetzen auf Grund der Proteste „verschonten“ Landwirtschaft –  nun auch dem Erhalt der Artenvielfalt bzw. der Biodiversität helfen. Die längst stark reduzierte Artenvielfalt hätte ohne das Renaturierungsgesetz völlig das Nachsehen gehabt.

Welche Gesetze noch verabschiedet und auf dem Weg sind

Die Emissionsreduktions-Richtlinie sieht eine Senkung der  Netto-Treibhausgase um 55% bis 2030 vor. Die EU hat 2019 für ihre Mitgliedsstaaten die Klimaneutralität bis 2050 proklamiert. Das bedeutet, dass dann nur noch so viel Treibhausgase ausgestoßen werden dürfen, wie die Natur absorbieren kann. Aufnehmen können diese nur Ozeane, Wälder, Moore und Böden. Deshalb ist deren Renaturierung so wichtig, denn derzeit sind viele dieser Ökosysteme bereits nicht mehr in der Lage dazu.

Das Emissions-Handel-System ist ein äußerst effizientes System, um den CO²-Ausstoß langfristig zu senken, s. hier.

Die Erneuerbare Energien-Richtlinie haben die Gremien im Okt. 2023 verabschiedet. (ausführlich dazu hier).

Die Energieeffizienz-Richtline sieht eine Senkung des Endenergieverbrauchs auf EU-Ebene um 11,7 % bis 2030 vor. Am 20.09.2023 wurde die neue europäische Energieeffizienzrichtlinie 2023/1791 veröffentlicht. Sie bildet den Rahmen für die nationale Gesetzgebung der Mitgliedstaaten zur Förderung der Energieeffizienz und wird ab 2025 die bisherige Richtlinie 2012/27/EU ablösen.

Hier ebenfalls unter Aktuelle Nachrichten zu finden und dazu gehörig sind diverse Plastikverbote sowie mehrere Gesetze und Verordnungen zum Kreislaufwirtschaftsgesetz. Weiter das Null-Emissionen Industriegesetz, sowie die Regeln zur Eindämmung von Methan und CO² im Straßenverkehr  ab 2035. Auch die Verordnung zu kritischen Rohstoffen und die Gesetze zu Strom- und Gasmarkt bzw. Wasserstoff sind dazu zu rechnen.

Komplikationen auf dem Weg müssen noch überwunden werden, aber verabschiedet ist auch ein Gesetz zum Schutz des Waldes.

Ob die EU- Gesetzgebung Bestand haben wird

Es gibt viele, große und starke Interessen, verabschiedete Gesetze rückgängig zu machen. Nicht nur CDU und CSU haben angekündigt, z.B. das Verkaufsverbot  für Benzin- und Diesel-Neufahrzeuge ab 2035, das populistisch „Verbrenner-Aus“ genannte Vorhaben, zurück zu drehen. Auch gegen das Lieferketten-Gesetz laufen verschiedene Interessengruppen Sturm. Sie haben sich auch hinter die deutsche FDP geklemmt, die ja bereits viele Gesetze im laufenden Prozess der EU-Abstimmungen immer wieder  auf den letzten Metern herabgestuft hat.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Vorhersage zwar Spekulation. Aber die derzeitige Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen möchte ihr Amt gerne weiterführen. Vor 5 Jahren, als sie erstmals kandidierte, hat sie sich den Green Deal ausgedacht und ausgerufen und damit die Präsidentschaft gewonnen. Wenn es ihr gelingt, wieder gewählt zu werden – wovon auszugehen ist – wird sie im Prinzip weiter für die Umsetzung kämpfen.

Da die Parteiengruppe, die sie letztes Mal gestützt hat, ihr nur gerade neun Stimmen mehr brachte, als sie benötigte, wäre es sinnvoll, dass ihre Unterstützer*innen dieses Mal die Gruppe der Grünen mit in die Unterstützergruppe hinein nehmen. Und v.d. Leyen wird weiter daran arbeiten wollen, noch all die notwendigen delegierten Rechtsakte auf den Weg zu bringen. Erst diese sorgen dann vor Ort für die notwendige Umsetzung.

Also hoffen wir alle auf ihre Wiederwahl und darauf, dass die Grünen für sie stimmen, auch wenn sie wohl nicht Teil der Unterstützergruppe werden. Denn insgesamt hat diese Präsidentschaft mit dem Green Deal gut geliefert.

Und der britische Forscher Stephen Fisher (Oxford) sagt: „Und wenn Klimagesetze erstmal verabschiedet sind, wirken sie meistens ohne neue Beschlüsse.“