Schwerpunkt der neuen Kommission

Die Arbeit der nächsten Periode soll unter einem Kompass für Wettbewerbsfähigkeit stehen. Dieser soll auf drei Säulen stehen:

  • Schließen der Innovationslücke im Vergleich zu den USA und China.
  • gemeinsamer Plan für Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit.
  • Verbesserung der Sicherheit und Abbau von Abhängigkeiten.

Bildung  einer „Demokratischen Plattform“

Die neue und alte Kommissionspräsidentin Ursula v.d. Leyen hat bekundet, dass sie beabsichtigt, mit einem Bündnis ihrer konservativen EVP, sowie, wie auch schon in der vorigen Kommission, mit den Sozialdemokraten (S&D) und den Liberalen (Renew) zu „regieren“, wie auch weiterhin mit den Grünen/EFA.

Der Mehrheitsführer, Manfred Weber von der EVP teilt diesen Wunsch nicht wirklich. Denn er hat inzwischen schon mehrfach Bündnisse mit den rechts der EVP stehenden Parteien geschmiedet. So z.B. erst kürzlich, als er das Zugeständnis von Frau v.d. Leyen, das Inkrafttreten der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten um ein Jahr zu verschieben, ausnutzte. Flugs hängte er weitere einschränkende Gesetze an, die die Verordnung zur Unkenntlichkeit entkernt hätten. Allerdings schob der Europäische Rat der Staaten dem z.T. einen Riegel vor, denn das Gesetz war längst verabschiedet. Wie es am Ende aussieht, ist derzeit noch nicht abschließend entschieden. Auch eine anfangs gemeinsame Resolution zur Schaffung rauchfreier Zonen in Außenbereichen von Lokalen torpedierte die EVP überraschend mit Änderungsanträgen und der Hilfe rechter Stimmen. Und das obwohl der Resolution eine Empfehlung der EU-Gesundheitsminister vorausgegangen war, um Schäden durch Passivrauchen zu minimieren.

Politische Leitlinien

Diese hat Frau von der Leyen vor der Abstimmung über sie im neuen EU-Parlament  im Juli 2024 vorgestellt. Zwar will sie an den Zielen des Green Deal festhalten, ihn allerdings wohl pragmatischer umsetzen. Das heißt offenbar einerseits, die Unternehmen sollen hinsichtlich bürokratischer Vorgaben und Berichtspflichten stark entlastet werden. Dazu sollen die jeweiligen Generaldirektionen einbezogen sein, um alle EU-Gesetze einem „Stresstest“ zu unterziehen. Andererseits wird die Kommission gleich zu Beginn der neuen Periode den Clean Industrial Deal vorstellen, eine Strategie, die die Klimaziele der EU mit Wettbewerbs- und Energieunabhängigkeitszielen verknüpft.

Ein weiterer Fokus der Arbeit wird die Verteidigungsfähigkeit der EU sein. Ein Weißbuch soll die Bedürfnisse und Prioritäten der Mitgliedsstaaten darstellen. Das EU Defence Industry Programme  (EDIP) soll EU-Fördermittel für Rüstungshersteller bündeln und gemeinsame Beschaffung fördern. Und erstmals gibt es einen Kommissar für Verteidigung, s.u.. Außerdem wird – nach langem Gerangel –  der Unterausschuss zu einem vollwertigen Ausschuss aufgewertet mit mehr Mitgliedern. Der Widerstand dagegen kam vor allem vom Ausschuss für Industrie, Forschung und Industrie, der Kompetenzen abgeben musste, war aber lange offen. Frau Strack-Zimmermann, die bereits in Deutschland den entsprechenden Parlaments-Ausschuss geleitet hat, ist als Vorsitzende am 27.1.2025 gewählt worden. Über die Zuständigkeiten des Ausschusses besteht derzeit aber noch keine Einigkeit.

Zusammensetzung der Kommission

Die Chefin hat sich entschieden, ihrer Kommission ein anderes Gesicht zu geben. Sie hat sich einerseits für  sechs Exekutiv-Vizekommissar*innen entschieden. In ihrer ersten Kommission waren es drei und der Hohe Vertreter. Andererseits hat sie die Aufgaben der jeweiligen Personen stark miteinander verschränkt. Vermutlich soll das dazu führen, dass jeweils zwei oder drei ihrer Minister*innen verstärkt zusammen arbeiten müssen.

Erneut hatte sie vorgegeben, die Posten paritätisch besetzen zu wollen. Da sie jedoch auf die Vorschläge der Staaten angewiesen ist, gelang ihr das nicht – auch nicht nach einer erneuten Aufforderung. Nun stehen 16 Männern nur 10 Frauen gegenüber. Nr. 11 ist sie selbst.

Vier Exekutiv-Vizekommissarinnen

Als Exekutiv-Vizekommissare hat sie vier Frauen ernannt, und nur 2 Männer. Vielleicht ist das ihr Fingerzeig für Gleichberechtigung.

An erster Stelle ist die Hohe Vertreterin und Vizepräsidentin Kaja Kallas (Renew) aus Estland zu nennen. Sie ist für die Außen- und Sicherheitspolitik zuständig. Da Estland so wie die anderen baltischen Staaten und Finnland sich stark von Russland bedroht sehen, ist diese Ernennung als starkes Zeichen für eine robuste Sicherheitspolitik der EU und damit auch für den Willen, die Ukraine weiterhin nach besten Kräften zu unterstützen, zu werten.

Gleiches mag für die Finnin Henna Maria Virkkunen (EVP) gelten, die als Exekutiv-Vizepräsidentin für Technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie zuständig ist. Finnland hat in Europa die längste Grenze mit Russland, über 1300 km lang. Und dort gibt bzw. gab es dauernd Zwischenfälle, bis Finnland die Grenze Ende Nov. 2023 komplett geschlossen hat.

Virkunnen kennt sich in der Digitalpolitik der EU gut aus.  Ihr Ressort umfasst Cloud-Technologien, künstliche Intelligenz und Quantenforschung, alles Themen der ersten Säule. Sie wird auch die Generaldirektion CNECT leiten, die für die digitale Politik der Kommission zuständig ist. Allerdings ist die Zuständigkeit für Technologie komplex und gilt Kennern als verwirrend. Sie ist auf sechs Kommissariate verteilt.

Die Dritte im Bunde

mit einem starken Mandat für sauberen, fairen und wettbewerbsfähigen Wandel ernannt, ist die Spanierin Teresa Ribera Rodriguez (S&D). Um ihre Ernennung mussten die progressiven Kräfte lange kämpfen. Sie gilt als „Hüterin“ des Green Deal. Bei der vorgesehenen „pragmatischen“ Umsetzung des Green Deal wird sie entscheidend sein, um das richtige Gleichgewicht mit seinen Zielen zu wahren. Sie ist das wichtigste Gesicht der zweiten Säule.

Ihr Ressort gilt als das vorher von Frau Vestager geleitete Wettbewerbskommissariat. Aber eine Änderung der Regeln soll „Unternehmen, die auf den globalen Märkten expandieren, stärker unterstützen.“ Sie soll außerdem stark mit St. Séjourné s.u. zusammenarbeiten. Die Beiden sollen innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Kommission einen möglichst klimaneutralen Industrieplan, den „Clean Industrial Deal“,  das neue Flaggschiff der Kommission ausarbeiten.

Und aus Rumänien kommt Roxana Minzatu, zuständig für Menschen, Kompetenzen und Vorsorge. Sie übernimmt damit das Ressort soziale Rechte. Sie soll sich auch für ein „Recht auf Nichterreichbarkeit“ einsetzen und den Zugang zu hochwertigen Arbeitsplätzen verbessern.

Und zwei Exekutivkommissare

Der französische Exekutiv-Vizepräsident ist Stéphane Séjourné, zuständig für Wohlstand und Industriestrategie.  Zu seinem Aufgabenbereich wird auch die Lage der europäischen Wirtschaft gehören, die aktuell Anlass zur Sorge gibt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU wird in diesem Jahr voraussichtlich weniger als halb so stark wachsen wie das der USA. Séjourné sprach sich (wie auch der Handelskommissar, Maroš Šefčovič, s.u.) für eine stärkere Durchsetzung handelspolitischer Schutzinstrumente aus.  Er wird eine Generaldirektion direkt beaufsichtigen, nämlich die für „Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“ (GD GROW).

Zu seinen Aufgaben wird es gehören, die Kohärenz zwischen nationalen staatlichen Beihilfen und dem europäischen Binnenmarkt sicherzustellen. Auch soll er Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe überarbeiten, um „europäischen Produkten den Vorzug zu geben“. Überdies soll er die Definition von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erweitern.

 

Der zweite und stark umstrittene Exekutiv-Präsident ist der Italiener Raffaele Fitto, jetzt von Melonis Fratelli d´Italia entsandt (EKR), (anfänglich war er mal Christdemokrat). Zuständig ist er für Regionalförderung bzw. Kohäsion und Reformen. Die EU-Gelder für Kohäsion sollen zukünftig verstärkt an Klima-freundliche Projekte gebunden sein. Er soll die Kohäsionspolitik „fokussierter, einfacher und wirkungsvoller“ gestalten. Indem v. d. Leyen die Vergabe der Strukturgelder von einem Kommissar zu einem Vizekommissar hochgestuft hat, will sie dem Verdacht, diese würden hinter den neuen Aufgaben der EU wie z.B. der Verteidigung zurückstehen, entgegenwirken.

7 Kommissare mit großen Aufgaben

 Kommissar für Wirtschaft 

Der Lette Valdis Dombrovskis (EVP) ist der dienstälteste Kommissar mit EVP-Parteibuch. Er geht in die dritte Runde als Kommissar. Sein Titel: Wirtschaft und Produktivität, Implementierung und Vereinfachung. Zuständig ist er für das zentrale Thema des neuen Mandats. Das ist der Clean Industrial Act, also die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU.  Bereits im April 2024 ist der sogenannte Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung (New Economic Governance Framework) in Kraft getreten. Die Regeln „schaffen finanziellen Spielraum für öffentliche Investitionen und ein günstiges Geschäftsumfeld, um private Investitionen zu erschließen“, sagte Dombrovskis.

Die 27 Mitgliedstaaten hatten  am 8. November in Budapest die „Erklärung von Budapest über das neue europäische Abkommen zur Wettbewerbsfähigkeit“ verabschiedetDas Ziel dieser Erklärung ist es, „die Innovations- und Produktivitätslücke sowohl im Vergleich zu globalen Wettbewerbern als auch innerhalb der EU zu schließen“, wie es im Dokument heißt. Die Erklärung unterstreicht das Ziel, eine Kapitalmarktunion (KMU) zu schaffen, bis 2026 „entschlossene Schritte“ zu einer Spar- und Investitionsunion zu unternehmen und in den ersten 100 Tagen des neuen Mandats der Kommission die Grundlagen eines Industrieabkommens zu skizzieren, das den Green Deal berücksichtigt.

Während seiner Anhörung im Parlament verteidigte Dombrovskis energisch die neuen EU-Haushaltsregeln. Er soll auch die neuen EU-Schuldenregeln umsetzen. Dazu passt wohl  folgende Nachricht:

Kommissar für die Finanzen der Kommission

Der Pole Piotr Arkadiuz Serafin (EVP-nah), der bereits viel haushalterische Erfahrung mitbringt, wird künftiger Kassenwart der Kommission. Außer für den siebenjährigen Haushalt ist er auch für Betrugsbekämpfung und für die öffentliche Verwaltung zuständig. Er will EU-Gelder an Reformen binden, denn er will einen schlagkräftigeren MFF, (mehrjähriger Finanzrahmen). Aber: „Die Tatsache, dass wir mehr auf Sicherheit und Verteidigung achten müssen, bedeutet nicht, dass wir den grünen Wandel oder die Kohäsion in der EU vergessen sollten“, sagte er. Den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) (die deutsche Abkürzung), also das langfristige EU-Budget, hofft er entsprechend der bereits angelaufenen Überlegungen dazu zu reformieren.

Die Vorschläge für Einnahmen umfassen derzeit Gelder aus dem Emissionshandelssystem (ETS) und der geplanten CO2-Grenzsteuer (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM). Zudem gehören dazu Einnahmen aus einem globalen Umverteilungssystem, das noch nicht umgesetzt ist. Dieses System, bekannt als OECD-Säule I, soll große multinationale Konzerne besteuern.

Kommissar für Handel 

Der Slowake Maroš Šefčovič (Smer-nah) gilt als der ewige Kommissar. Bereits seit 2009 hat er verschiedene Bereiche als  Kommissar vertreten. Er wird  als Kommissar für Handel und Wirtschaftssicherheit, interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz die Umsetzung der Europäischen Strategie für wirtschaftliche Sicherheit leiten. Damit gilt er als der wichtigste Vertreter der dritten Säule. Er wird auf ein rasches Inkrafttreten der überarbeiteten Verordnung über ausländische Direktinvestitionen hinarbeiten. Mit den EU-Mitgliedstaaten will er Gespräche über eine bessere Zusammenarbeit bei der Ausfuhrkontrolle führen und diese über die Bewältigung der mit bestimmten Auslandsinvestitionen verbundenen Risiken weiter vertiefen. Des weiteren wird er an der wirksamen Gestaltung und Umsetzung von Handelssanktionen arbeiten.

Mit den USA will er vertiefte Handelsbeziehungen aufbauen, indem er die Beziehungen durch eine „Auffrischung“ des EU-US-Handels- und Technologierats (TTC) verbessert. Mit China, „dem drittgrößten und schwierigsten Handelspartner der EU“ will er mehr Fairness und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die EU schaffen, indem er „gegen die wettbewerbswidrige Handelspolitik vorgehen“ will. Was bei der europäischen Photovoltaik-Industrie passiert ist, dürfe sich „bei Stahl, Windkraft­anlagen und E‑Autos nicht wiederholen“, sagte Sefcovic.

Mit welchen Instrumenten er die Überkapazitäten aus China eindämmen wolle, sagte er auch auf Nachfrage jedoch nicht.  Lobby Control sagt zu seinem Auftritt deshalb: Die EU-Kommissionspräsidentin wertet Transparenz zum Nischenthema ab. Wie ernsthaft wird der zukünftige EU-Kommissar Maroš Šefčovič das Thema angehen?

Kommissar für Landwirtschaft

Der Luxemburger Christophe Hansen (EVP) ist der neue  Agrarkommissar. Auch für Lebensmittel ist er zuständig. Und er will sich für  ein separates GAP-Budget einsetzen. „Das Klima gefährdet unsere Landwirte zunehmend“, bemerkte Hansen. Er sprach sich klar für den Green Deal aus, meint aber, dass einige Rechtsvorschriften vereinfacht werden könnten. Damit will er auch Druck von den Landwirten nehmen. Er schlug  außerdem vor, die Frage der obligatorischen Umverteilung von Mitteln zur Unterstützung kleinerer Landwirte erneut zu prüfen. Überdies kritisierte er die zu starke Abhängigkeit bei Viehfutter von ausländischen Importen. Bei der Problematik einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine – dann zugehörig zum Binnenmarkt -sieht er diesbezüglich ggfs. einen Vorteil.

Ein neuer Kommissar für Verteidigung und Weltraum

Diesen Kommissar gibt es erstmals angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine seit Febr. 2022.

Der Litauer Andrius Kubilius (EVP) soll bewerkstelligen, was die EU trotz der Erfahrung mit dem amerikanischen Präsidenten Trump von 2016 bis 2020 in der letzten Periode nicht geschafft hat. Dazu gehört die Entwicklung der Europäischen Verteidigungsunion, sowie diesbezüglich von  mehr Investitionen und industriellen Kapazitäten. EU-Fördermittel sollen gebündelt und eine gemeinsame Beschaffung soll gefördert werden. Zuvor sollen in einem Weißbuch die Bedürfnisse und Prioritäten der Mitgliedstaaten festgehalten werden. Zur Verfügung stehen 1,5 Mrd. Euro. Aber schon die Definition von drei Kriterien, welche Industrien für die Förderung infrage kommen, wird eine – stark umstrittene – Herkulesaufgabe  werden.

Kommissar für Inneres und Migration

Der Österreicher Magnus Brunner (EVP) übernimmt dieses Amt. Er soll eine neue europäische Sicherheitsstrategie entwerfen. Diese soll gewährleisten, dass die Bürger*innen Europas sich in ihren Staaten sicher fühlen sowohl offline wie online. Dazu gehört auch der Kampf gegen die organisierte Kriminalität einschließlich Drogen, sowie Cyberkriminalität. Und der Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Kinder-Pornographie.

Auch die Sicherheit von Juden und Muslimen soll durch seine Zusammenarbeit mit den Staaten erhöht werden. Die operationalen Einsatzmöglichkeiten von Europol soll er verbessern helfen.

Außerdem soll er dazu beitragen, dass die europäischen Grenzen stärker und besser, auch digital gesichert werden durch Frontex. Zusammen mit nicht EU-Staaten soll er eine EU-Visa-Politik entwickeln. Und für eine legale Einwanderungspolitik zur Gewinnung von Fachkräften soll er Leitlinien aufstellen – aber auch solche für eine geordnete Abschiebung nicht willkommener Flüchtlinge.

Der Ire Michael McGrath (Renew) ist der nächste EU-Justizkommissar, der auch für Demokratie und Verbraucherschutz zuständig ist. Er hat bereits angekündigt, Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit entschieden zu bekämpfen. Da sich in verschiedenen osteuropäischen Staaten immer mehr Wähler rechten Parteien zuwenden und diese jeweils eher russlandfreundlich sind, wird McGrath viel zu tun haben. Kein einfacher Auftrag.

7 weitere Kommissare

 Der Däne Dan Jørgensen (S&D) ist als EU-Energiekommissar und für das Wohnungswesen beauftragt. Gegenüber der Atomenergie ist er skeptisch eingestellt. Er war bereits zweimal EU-Abgeordneter. Nun soll er Investitionen in saubere Energie fördern und helfen Abhängigkeiten abzubauen.

Der Niederländer Wopke Bastiaan HOEKSTRA (EVP) ist Kommissar für Klima, Netto-Null und sauberes Wachstum. Das umfasst die Implementierung der Klimaziele und Klima-Anpassung, Klimadiplomatie und Dekarbonisierung. Hoekstra soll auch für Steuern zuständig sein.

Der Zypriot Costas Kadis (EVP-nah) ist als Kommissar zuständig für Fischerei und Meere. Dieser Sektor soll resilienter, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger werden.

Der Grieche Apostolos Tzitzikostas  soll sich um nachhaltigen Verkehr und um Tourismus kümmern. Er ist verantwortlich für die Mobilität von Gütern und Personen. Er will sich für E-Auto-Quoten für Firmenwagen einsetzen. Das wird als mächtigster Hebel angesehen, um die Autoindustrie schnell und effizient klimaneutral zu machen.

Der Tscheche Jozef Sikela (EVP) ist Kommissar für Internationale Partnerschaft. Er soll die Kooperation mit Afrika, Zentral-Asien Asien, sowie dem Indo-Pazifik, Süd-Amerika und der Karibik fördern. Den weniger entwickelten Ländern soll bei der Dekarbonisierung des Energiesektors geholfen werden, aber auch bei ihren besonderen Problemen und Schwachstellen.

Der Ungar Olivér Várhelyi (Patrioten-nah) ist Kommissar für Gesundheit und Tierwohl. Gegen ihn gab es massive Widerstände der progressiven Parteien. Schließlich hat die Kommissionspräsidentin entschieden, Várhelyi  von den Zuständigkeiten für sexuelle und reproduktive Gesundheit, Krisenvorsorge und Krisenmanagement, einschließlich der Aufsicht über die Behörde für die Vorbereitung und Reaktion auf Gesundheitsnotfälle (HERA), zu entbinden. Diese gehen stattdessen an Hadja Lahib. Er ist dagegen zuständig für den Aufbau einer europäischen Gesundheitsunion, für Gesundheitsvorsorge und den Kampf gegen Krebs.

Der Maltese Glenn Micaleff ( unterstützt von S&D) ist Kommissar für  Generationengerechtigkeit sowie für Jugend, Kultur und Sport.

Sechs Kommissarinnen

Die Portugiesin Maria Luís Albuquerque (EVP) gilt als ein Schwergewicht unter allen Kommissaren. Als Finanzmarktkommissarin, zuständig für Finanzdienstleistungen, Spar- und Investitionsunion, verfügt sie über jahrelange einschlägige Erfahrungen sowohl als frühere Finanzministerin in der Zeit harter Sparmaßnahmen, wie auch später in der Privatwirtschaft. Weshalb ihr auch viel Skepsis entgegenschlug, aber andererseits auch viel Hoffnung in sie gesetzt wird.  Sie bewältigte die sehr konkreten Folgen der Finanzkrise von 2008 und der anschließenden europäischen Staatsschuldenkrise von 2012 für die Wirtschaft ihres Landes.

Sie meint, es werde von entscheidender Bedeutung sein, die Banken in die Kapitalmarktunion (kürzlich in Spar- und Investitionsunion umbenannt) zu integrieren.  Denn grenzüberschreitende starke europäische Banken sind i. E.  für wichtige Kapitalmarktdienstleistungen wie die Börsennotierung und den Handel mit Wertpapieren notwendig. Die Umsetzung der noch fehlenden Teile der Bankenunion will sie bewerkstelligen. Einen starken Fokus legt sie auch auf die Gesetzgebung zum Krisenmanagement und zur Einlagensicherung (CMDI) und den damit verbundenen Plan zur Einrichtung eines EU-weiten Einlagensicherungssystems (EDIS).

In Bezug auf internationale Bankenregeln sagte sie, dass sie die vollständige Umsetzung des sogenannten „Basel 3 Endgame“ – einer Untersuchung der Auswirkungen der Eigenkapitalanforderungen – anstrebt.

Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit wird die Finanzaufsicht sein. Denn sie betrachtet ein „verbessertes Aufsichtssystem auf EU-Ebene“ als „entscheidend“ für die Erschließung voll funktionsfähiger Kapitalmärkte und die „Verringerung des Regulierungsaufwands“. Einen starken Fokus legt sie auf die Gesetzgebung zum Krisenmanagement und zur Einlagensicherung (CMDI) und den damit verbundenen Plan zur Einrichtung eines EU-weiten Einlagensicherungssystems (EDIS).

Kommissarin für Vorsorge, Krisenmanagement und Gleichberechtigung 

ist die Belgierin Hadja Labib (vermutlich Renew). Ihr Kommissariat wurde nach den Anhörungen tüchtig aufgewertet, weil sie einen wichtigen Teil der Aufgaben bekommen hat, die dem ungarischen Kommissar für Gesundheit und Tierwohl, Várhelyi weggenommen wurden (s. oben) Die EU hat große Hilfsprogramme für Krisen in der EU, aber auch in der Welt. Um Opfern zu helfen, z.B. in der Ukraine, im Nahen Osten ist sie zuständig. In Zeiten gesundheitlicher Krisen wie Corona muss sie Hilfen und Impfprogramme koordinieren. Wenn die Gesundheit von Frauen tangiert ist, wie z.B. in der Abtreibungsfrage oder für sexuelle und reproduktive Gesundheit ist gerade nicht der Ungar zuständig, sondern sie. Für Belgien ersetzt sie Didier Reynders.

Kommissarin für Umwelt, Wassersicherheit und wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft

ist die Schwedin Jessika Roswall (EVP). Gegen sie gab es nach ihrer Anhörung starke Bedenken. Der Eindruck bei der progressiven Seite war, dass sie in den Themen nicht ausreichend qualifiziert sei. Nach einem Deal mit Unterstützung der Präsidentin wurden Labib und Roswall gemeinsam bestätigt.

Roswall wird, so v. d. Leyen mit dem „wichtigen Schutz unserer Umwelt und der Sicherstellung einer nachhaltigen, intakten Wirtschaft“ betraut. Gemeinsam mit Kommissar Séjourné sollen beide zur Umsetzung des Clean Industrial Deal ein Kreislaufwirtschaftsgesetz ausarbeiten. Die EU hofft, damit eine starke Nachfrage nach Sekundärrohstoffen zu schaffen und einen Binnenmarkt für Abfälle zu etablieren – mit besonderem Augenmerk auf kritische Rohstoffe. Mit Hilfe dieser Umstrukturierung könnte auch die Abhängigkeit der EU    von globalen Rohstoffen verringert werden. Auch plant Roswall eine Aktualisierung der Bioökonomie-Strategie der EU. Diese soll den Binnenmarkt für nachhaltige Produkte weiter stärken.

Umstritten ist, dass sie von der Kommissionspräsidentin den Auftrag erhalten hat, die EU-Vorzeigeregelung für Chemikalien REACH zu vereinfachen und Klarheit über PFAS, sogenannte „Ewigkeits-Chemikalien“, zu schaffen. Diese Aufgabe wird weitestgehend als Bürokratieabbau für die Industrie interpretiert, was gemischte Reaktionen hervorrief und Unterstützung vom rechten und Skepsis beim linken Spektrum erhielt.

Kommissarin für die Erweiterung der EU

ist die Slowenin Marta Kos (EVP). So wie Anfang der 2000er Jahre 10 Staaten vornehmlich aus Ost- aber auch aus Südeuropa vor den Toren der EU standen, warten inzwischen erneut 10 Staaten darauf, eine Beitrittsperspektive zu erhalten. Die Slowenin, Nachbarin vieler dieser Staaten hat die Aufgabe, ihnen auf ihrem Weg der dafür notwendigen Strukturreformen und Anpassungsstrategien zu helfen. Außerdem geht es darum, dass diese Staaten Respekt für rechtsstaatliche Prozesse sowie unser Wertesystem entwickeln. Das bedeutet z.B. Korruption zu bekämpfen und zu minimieren. Die Widerstandsfähigkeit ihrer Institutionen muss in diesem Sinne erhöht werden.

Außerdem ist die Kommissarin -neben der Hohen Vertreterin Kaja Kallas- besonders für die Beziehungen der EU zur Ukraine zuständig. Sie soll sich u.a. mit um den Wiederaufbau kümmern und um deren Bemühungen um den Beitritt. Auch für verbesserte Beziehungen zur Türkei soll sie arbeiten, knüpft das allerdings an Fortschritte in der Zypernfrage. Sie erklärte, die EU werde „nicht zögern, Korrekturmaßnahmen vorzuschlagen“, sollten EU-Beitrittskandidaten bei Reformen rückfällig werden. allerdings ging sie nicht auf wirtschaftliche Aspekte eines Beitrittsprozesses ein, obwohl diese in den letzten zwei Jahren aufgrund eines EU-Investitionsplanes an Bedeutung gewonnen haben.

Auch  für die Erarbeitung einer Strategie fürs Schwarze Meer ist sie zuständig. Und die Länder des südlichen Kaukasus soll sie in dem Bemühen um regionalen  Zusammenhalt unterstützen.

Kommissarin für den Mittelmeerraum

ist die Kroatin Dubravka Suica (EVP). Sie war bereits Kommissarin für Demokratie und Demografie. Nun soll sie sich rund ums Mittelmeer, d.h. auch im Nahen Osten und in Nordafrika für Frieden und Sicherheit einsetzen. Dazu gehört auch das Bemühen um die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Mittelmeerländern. Zu diesem Zweck trifft sie sich auch bereits mit Experten und Kongressabgeordneten aus den USA, damit EU und Die USA sich in dem Bemühen ergänzen.

Kommissarin für Start Ups, Forschung und Innovation 

ist die Bulgarin Ekatarina Zahariewa (EVP). Sie musste sich im Vorfeld um ihre Befragung für den Posten harten Fragen stellen und sah sich dem Verdacht von Korruption und Russlandnähe ausgesetzt. Dabei ging es auch darum, ob aus ihrem Umfeld Beitrittsperspektiven von Nordmazedonien geschmälert oder vereitelt wurden.

Mit Blick auf die erste Säule – das Schließen von Innovationslücken – betonte Ursula von der Leyen, dass die Kommission Forschung und Innovation, Wissenschaft und Technologie ins Zentrum der europäischen Wirtschaft stellen wird. Ekaterina Zahariewa wird die erste Kommissarin überhaupt für Start-ups, Forschung und Innovation. Dabei soll es darum gehen, „mehr bahnbrechende Technologien aus dem Labor auf den Markt zu bringen.“ Denn um international wettbewerbsfähig zu sein, müsse die nächste Welle von Spitzentechnologien in Europa beheimatet sein. Besonders mit der finnischen Kommissarin ist eine enge Zusammenarbeit angesagt.