a. Eigenständige Einnahmequellen für die EU – gesicherte mittelfristige Finanzplanung?
Eine Möglichkeit für eigenständige EU-Finanzen besteht darin, den Anteil an dem Mehrwertsteueraufkommen der jeweiligen Nationalstaaten zu erhöhen z.B. von 0,30% auf 2%. Das kann schrittweise geschehen, um einen langsamen Anpassungsprozess zu organisieren. Damit wären ca. 75% der EU Einnahmen gesichert. Es müsste dann nicht alle 5 Jahre zu zähen Verhandlungen um die Zuweisungen der Mitgliedsländer kommen. (Stand vor der Corona-Krise.) Die Staaten könnten die Zuweisungen aus den Haushalten in diesem Fall entsprechend kürzen. Den Mitgliedsländern entstünde damit keinerlei Nachteil. Sie würden allerdings den politischen Hebel verlieren, mit der Zustimmung zu den Zuweisungen politischen Druck auf die Kommission ausüben zu können. Das wäre EU-politisch gesamt gesehen sogar ein großer Vorteil.
Wiederaufbaufonds – eine einmalige Angelegenheit?
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie plant die EU, den Wiederaufbaufonds für Europa in Höhe von bis zu 750 Mrd. Euro an den EU-Haushalt anzudocken. Dabei soll auch mit Willen von Bundeskanzlerin Merkel die Obergrenze des Budgets von 1,2 auf 2,0 Prozent der EU Wirtschaftsleistung gesteigert werden. (Das Parlament vom 27.4.2020 S. 10: Billionenschwerer Wirtschaftsaufbau). Bisher überweist die Bundesrepublik Deutschland netto etwas mehr als 10 Milliarden Euro an die EU. Bei der angedachten Steigerung würde die Bundesrepublik jährlich etwas mehr als 20 Milliarden Euro netto überweisen müssen. Ein schneller Wiederaufbau der Wirtschaft in der EU liegt besonders im Interesse der Exportnation Deutschland. Das zusätzliche von uns gezahlte Geld wäre daher nicht nur gut angelegt, sondern würde sich für unsere Wirtschaft und in Folge für die Steuereinnahmen bald positiv bemerkbar machen. Darum wird auch darüber diskutiert, ob die EU einmalig für den Fonds Schulden aufnehmen darf.
b. Stärkung des Europäischen Parlaments – Eigenständiges Budgetrecht?
Zu einem voll funktionsfähigen Parlament gehört das eigenständige Budgetrecht, also die Fähigkeit, über Gesetzgebung eigene Einnahmequellen zu erschließen. Außerdem gehört dazu das Recht, diese Einnahmen dann mittels eines Haushaltsplanes den verschiedenen Zwecken als Ausgaben zuzuweisen. Ein Beispiel wäre z.B. eine Europäische Finanztransaktionssteuer – das ist mehr als eine reine Börsenumsatzsteuer – einzuführen und in die Hoheit des Europäischen Parlaments zu überführen. Dies wäre als ein erster Schritt anzusehen, um die Souveränität des Parlaments in dieser Hinsicht zu stärken.
Eine solche grundsätzliche Reform bedarf der Änderung der EU Verträge
Dafür wiederum ist die Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten erforderlich.
Da gegenwärtig nicht die Beteiligung aller Mitgliedsstaaten zu erwarten ist, könnte man daran denken, mit einem eigenen Parlament nur für die Euro-Staaten zu beginnen. Ein entsprechendes Budget gibt es bereits. Es ist Teil des Budgets der gesamten EU – wenn bisher auch in sehr bescheidenem Rahmen von 16 Milliarden Euro . Die Mittel sollen zur Stabilisierung des Euro-Raumes gegen allfällige Krisen dienen und dazu, das Wohlstands-Gefälle zwischen den einzelnen Staaten zu verringern.
Diese Stabilisierung sollte genutzt werden, um sie mit der Stärkung des Parlaments zu verknüpfen. Mit dem weiteren Ausbau dieses Instruments könnte auch das Erfordernis der Einstimmigkeit der Mitgliedsländer bei der Haushaltsaufstellung des Parlaments für die derzeit schon 19 Staaten der Eurozone überwunden werden. In diesen 19 Staaten leben fast 350 Mill. Menschen. Noch nicht zum Euro-Raum dazu gehören bisher noch einige osteuropäische EU-Länder.
Weitere Schritte zu mehr Kompetenzen
Die Corona Krise erfordert gewaltige finanzielle Anstrengungen, um ihre wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Folgen abzumildern. Das ist ein besonders gegebener Anlass, grundsätzliche Reformen der EU-Finanzierung einzuleiten. Das Virus kennt keine Grenzen der Nationalstaaten. Deshalb muss besonders die EU die Pandemie bekämpfen. Damit kommt das Gesundheitssystem in den Staaten Europas in den Blick und die Notwendigkeit, dieses in vielen Staaten auszubauen. Denn weitere Pandemien und Krisen in naher Zukunft sind abzusehen.
Eine Rückkehr zu nationalstaatlichen Alleingängen ist kontraproduktiv! Freilich werden Hilfen aus dem EU-Haushalt zur Milderung der Corona-Pandemie-Folgen bisher immer noch über die Nationalstaaten verteilt. Leider rühmen sich die Staaten dieser Gelder fast immer selber. Das ist für die EU ein Dilemma. Bei den Geldern handelt es sich z.T. um Transfers ohne Gegenleistung zum Teil aber auch um zinsgünstige Kredite.
Offensiveres Europa ist wichtig
In Italien wurde – einer Umfrage vom Frühsommer 2020 gemäß – Deutschland mit 45% als größter Feind bezeichnet, China dagegen mit über 50% als größter Freund angesehen. China hatte eine Hilfslieferung von Masken an Italien propagandistisch ausgeschlachtet. Und das obwohl sich schnell die Minderwertigkeit der Ware herausstellte. Im Gegensatz dazu war von umfangreichen Lieferungen der EU in Italien kaum öffentlich zu hören. Bis Deutschland seine europäischen Hilfen festgelegt hatte, brauchte es einerseits Zeit. Und die Aufnahme von Corona-Patienten aus Italien durch Deutschland inklusive der Kosten dafür, stand in Italien vermutlich auch nicht in der Presse.
Die EU muss schnellstmöglich konkret den Satz befolgen: Tue Gutes und rede darüber, denn aus Italien erreichten uns in der Krise Bilder von brennenden EU Fahnen. Josep Borell, der gegenwärtige Außenbeauftragte der EU sagt in diesem Zusammenhang: „Wir müssen die Herzen erreichen!“ (Interview in: Die Zeit, 16.4.2020, S. 6)
Europäische Identität schaffen
Diese hier diskutierten Schritte würden bei ihrer Verwirklichung wichtige Beiträge auf dem Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa darstellen. Für Dänemark ist die kleine Meerjungfrau auf einem Stein im Hafen von Kopenhagen ein Identität stiftendes Symbol.
So könnte Prinzessin Europa auf dem Stier in ihren vielfältigsten künstlerischen Darstellungen die Identifikationsfigur der Vereinigten Staaten von Europa werden.
Der Anfang der heutigen EU
unten: Europa auf dem Stier von Bassenheim bei Koblenz. Hier trafen sich im Okt. 1948 im Geheimen erstmals der französische Außenminister Robert Schuman und Konrad Adenauer, damals Präsident des Parlamentarischen Rates in der französischen Besatzungszone in Deutschland. Die Idee des großen Franzosen zur Zusammenlegung der kriegswichtigen Industrien der beiden seit Jahrhunderten verfeindeten Länder wurde hier besprochen (siehe hier in Europaedia auch unser Manifest). Die Gespräche wurden zum Auftakt der am 9.Mai 1950 unterzeichneten Urkunde. Diese setzte den Beginn einer bis heute 70-jährigen Geschichte des Zusammenwachsens des Europäischen Kontinents in Gang und verwirklichte damit eine Periode des Friedens für die EU-Länder. Dieser Tag ist der Europatag.
c. Budgetwirkungsforschung ausweiten!
Der Europäische Rechnungshof prüft die EU-Ausgaben auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit. Die Frage ist, ob er auch die Erreichung der politischen Intentionen des jeweiligen Haushaltsansatzes ermittelt. Dazu scheint er überfordert, da er nicht aus Politikern sondern aus Finanzbeamten zusammengesetzt ist. Daher wird hier vorgeschlagen, ein wissenschaftliches europäisches Gremium zu schaffen, das in regelmäßigen Abständen die Zielerreichung der Haushaltsausgaben überprüft. Außerdem sollte das Gremium Vorschläge zur besseren Wirkgenauigkeit erarbeiten.
Enorme Wachstumsraten der Beitrittsländer
Eine Feststellung kann jetzt schon gemacht werden: Die ist EU eine Konvergenzmaschine! Sie fördert die Aufholjagd der neuen Mitgliedsländer gegenüber den bisher „führenden Nationen“. Das galt zunächst für die Südländer, die faschistische Diktaturen zu überwinden hatten. Es gilt jetzt für Polen und Osteuropa, soweit Osteuropa zu den Mitgliedsländern der EU zählt. Die elf Osteuropastaaten hatten 2017 eine Wachstumsrate von 4,8%, die EU der 28 nur von 2,5%. 2018 hatten die elf Ostländer 4,3 % Wachstum, die EU der 28 nur noch 2,0%. 2019 hatten die elf noch 3,9%, die EU der 28 magere 1,4%. Auch 2020 hatten die elf 3,3 %, die EU der 28 = 1,6%. Dabei ist darauf hinzuweisen: Die Zahlen für die EU der 28 enthalten die relativ höheren Wachstumsraten der osteuropäischen Staaten mit! Ohne sie wäre das Wachstum der westeuropäischen Staaten allein noch deutlich geringer als das des EU-Durchschnitts.
Das Bruttosozialprodukt
Vor dem Beitritt hatten die osteuropäischen Staaten ein BIP auf dem Niveau von 36,5 % der G7-Industriestaaten, 2018 waren es bereits 58,1 %. Und mit steigendem Wachstum und steigenden BIP steigt natürlich auch der allgemeine Wohlstand. Besonders in Polen hat die PIS-Regierung die EU-Gelder benutzt, um Sozialleistungen an die ländliche Bevölkerung „auszuschütten“. Damit hat sie sich eine Basis verschafft, um ihre Macht zu sichern.
Die Aufnahme der osteuropäischen Staaten in die EU erschien zunächst als eine vorrangig moralische Pflicht, nachdem diese Staaten seit 1945 unter sowjetischer Herrschaft leben und leiden mussten. Die schnelle Aufnahme so vieler armer Staaten auf einmal war damals sehr umstritten und wurde heiß diskutiert. Heute erweist sie sich ökonomisch als eine win-win-Situation, ein Gewinn für beide Seiten.
d. Bedeutung des Budgets für die einzelnen Bürger, die politischen Parteien, die Organisationen für die Zivilgesellschaft und für die Unternehmen
Nur wenn es gelingt, die Bedeutung einer angemessenen Finanzausstattung für die EU über elitäre Zirkel in politischen Parteien und Institutionen hinaus in die Breite der Bevölkerung zu transportieren, werden sich weitere Reformschritte realisieren lassen. Zu diesem Zweck ist die Erweiterung des Schulunterrichts zu Fragen der Wirtschaftsordnung und der Wirtschaftspolitik notwendig, besonders der des Gymnasiums. Dafür bedarf es der Unterrichtsmaterialien zur Entwicklung der EU, ihrer Finanzen und zur Diskussion von Reformansätzen. Journalisten müssen besser geschult und angehalten werden zur angemessenen Berichterstattung über europäische Entwicklungen. Denn diese sind zugegebenermaßen kompliziert und lassen sich nicht immer ohne Vorkenntnisse verstehen und vermitteln.
Auch Funktionsträger in politischen Parteien brauchen ein Grundwissen zu europäischen Finanzen.
Das ist notwendig, um ihre Aufgaben verantwortungsvoll wahrnehmen zu können.
Aber auch die schwäbische, die rumänische und die portugiesische Hausfrau, um nur einige zu nennen, bzw. die modernen Hausmänner, sollten sich nicht nur um ihren Familienhaushalt kümmern, sondern auch um den ihrer Gemeinde, ihres Bundeslandes, ihres Nationalstaates und den der EU. Die ihnen abverlangten Ausgaben, also die Steuern betreffen sie und ihre Familie persönlich.
Ob die Auswirkungen eines Lebensmittels auf die Gesundheit auf der Ware abzulesen ist, also z.B. wie viel Zucker darin enthalten ist, hängt von der Politik ab. Leider lehnt die deutsche Politik die für alle leicht verständliche Ampel bisher ab. Auch ob das Fleisch fair produziert wird, entscheidet sich viel weniger im Stall als in der Politik. Jede Bürger*in Europas, der/die an der „Konferenz zur Zukunft Europas“ teilnehmen will, die die Kommissionspräsidentin von der Leyen vorgeschlagenen hat, benötigt ein solides Grundwissen über die EU-Finanzen und den damit zusammenhängenden Reformbedarf.
Prinzessin Europa legt großen Wert auf die nachhaltige Entwicklung „ihres“ Kontinents. Sie möchte ihre Unsterblichkeit nicht gefährdet sehen.
Informieren leicht gemacht
Und für die EU-Bürger und Bürgerinnen gilt, die verschiedenen EU-Institutionen bieten auf ihrer jeweiligen Website leicht zugängliche Informationen. Jede/r kann laufende Informationen über die täglichen Aktivitäten finden, als da sind „Auf dem Laufenden bleiben und mitreden“ oder „contact the EU“, „Ihre Meinung zählt“ oder „Machen Sie mit“. Mit allen denkbaren sozialen Medien ist das möglich. Mit anderen Worten, Brüssel ist gar nicht (mehr) so fern, wie gemeinhin behauptet.
Jeder Bürger, jede Bürgerin kann etwas tun: Wer sich informiert, wie z.B. durch die Lektüre mit dem Abonnement einer (überregionalen) Zeitung (das geht auch als Online-Abo), kann z.B. Fake News widersprechen. Gleichzeitig tut er/sie etwas dafür, gute Recherche durch ausgebildete Journalisten zu unterstützen.