Die Veränderung der europäischen Geopolitik
Die Geopolitik Europas ist durch den großen russischen Angriffs-Krieg gegen die Ukraine ins Schleudern geraten. So sind alte Gewissheiten, wie die Formel „Wandel durch Handel“ zerbrochen. Auch die alte Maxime, eine europäische Sicherheit ist nur mit Russland erreichbar, gilt nicht mehr. Die Verwirklichung von guten deutsch-russischen Beziehungen aber ist mit einem Aggressor nicht mehr möglich – auch wenn sich damit noch nicht alle Deutschen abfinden können. Denn viele hatten aus dem 2. Weltkrieg, den Nazi-Deutschland begonnen und brutalst geführt hatte, die Konsequenzen gezogen, „Frieden ohne Waffen“ schaffen zu können und „Schwerter zur Pflugscharen“ umzufunktionieren. Aber diese Lehren sind von dem neuen imperialistischen Angreifer Putin mit seinem heutigen Russland über den Haufen geworfen worden.
Korrektur alter Gewissheiten
Und eine meist vermittelte Gewissheit hatte gelautet: deutsche Soldaten hätten vor allem Russland unermessliches Leid angetan. Dieses Wissen bezog sich auf die Sowjetunion und ist nicht falsch. Aber es wird nun auch im Bewusstsein der Öffentlichkeit langsam korrigiert. Denn nicht Russland ist am stärksten vom deutschen Überfall betroffen gewesen, sondern die Ukraine und Weißrussland. Diese Länder sind der Sowjetunion geographisch vorgelagert. Und diese von den Kommunisten widerrechtlich annektierten Länder zahlten den größten Blutzoll im 2. Weltkrieg.
Ein neu zu schaffendes Europäisches Format
Am 9. Mai 2022 hielt der französische Präsident eine Rede vor dem EU-Parlament. Dies war nur knapp zwei Monate nach dem brutalen russischen Überfall auf die Ukraine. So realisierte Macron als Erster öffentlich die enorme Bedrohung der europäischen Sicherheit. Denn er hatte die imperialistischen Gelüste Putins und seines Gefolges erkannt. Auch die zunehmende Gefahr aufgrund der entstandenen Abhängigkeiten europäischer Energie-Infrastruktur von Importen aus Russland benannte er. Deshalb kündigte er in seiner Rede die Notwendigkeit eines neuen europäischen Formats an. Sein Vorschlag, „einen neuen Raum der politischen Zusammenarbeit, der Sicherheit, der Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Verkehr, Infrastruktur, Personenverkehr und insbesondere unserer Jugend zu finden“. Seine Motivation, „unser Europa zu vereinen, so wie es geografisch existiert, auf Grundlage seiner demokratischen Werte, mit dem Willen, die Einheit unseres Kontinents zu wahren und die Stärke und die Ambition unserer europäischen Integration aufrechtzuerhalten“.
Erste Tagung der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) (EPC = european political community)
Macrons Ideen stießen sehr schnell auf breiteste Zustimmung. Schon am 6.Okt. 2022 fand auf Einladung der tschechischen Ratspräsidentschaft der EU in Prag die erste Sitzung statt. Eingeladen waren und sind „alle europäischen Länder, zu denen wir enge Beziehungen unterhalten“. Mit anderen Worten: Russland und Weißrussland gehören aufgrund des völkerrechtswidrigen Krieges bzw. dessen Unterstützung derzeit nicht dazu!
Wer eingeladen ist
Außer den 27 EU-Mitgliedstaaten gehören dazu: die früheren EFTA-Staaten, inclusive Großbritannien, alle EU-Beitritts- und potentielle Beitrittskandidaten, alle Balkanstaaten, incl. der Türkei, alle assoziierten Staaten, sowie auch weitere Drittstaaten wie Georgien, Aserbaidschan und Armenien, die Schweiz, Lichtenstein, Norwegen und Island. Zusammen sind das 20 Staaten, die wohl auch alle die Einladung akzeptierten und sich geographisch Europa zugehörig fühlen.
Die Regierungschefs kleinerer Nicht-EU-Staaten wollen die Chance nutzen, mit den „großen“ europäischen Staaten zu sprechen. Länder wie Norwegen, die Schweiz oder Island haben die EPG deshalb begrüßt, weil sie sich auch als überzeugte Europäer sehen, aber keinem Druck ausgesetzt sein wollen, nun in der EU mitzumachen. Die obersten Organe der EU nehmen selbstverständlich ebenfalls teil.
Die Treffen werden in Zukunft zweimal im Jahr stattfinden, im Wechsel von -so geplant – einmal in dem EU-Staat, der die Präsidentschaft hat und das andere Mal in einem Land der EPG.
Das nächste Treffen mit den ca. 50 Staats- und Regierungschefs findet im Juni 2023 in Chișinău, der Hauptstadt des kleinen, von Russland besonders bedrängten Landes Moldau (Moldawien) statt.