1. Geschichtliche Entwicklung

Geschichte ist gekennzeichnet von Veränderungen in wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, technologischen, aber auch militärischen Strukturen.  Sie ist auch gekennzeichnet von Verschiebungen in der Macht einzelner Staaten oder Imperien im Verhältnis zu ihren Konkurrenten. Geschichte wird aber auch beeinflusst von Personen, in früheren Zeiten Herrschern. Heute gibt es Politiker*innen, die für eine bestimmte Zeit Macht ausüben, allerdings demokratisch legitimiert. Machtausübung ist dann gegeben, wenn diese Person ihren Willen auch gegen andere Meinungen durchsetzen kann.

Die Geschichte des Consiliums

Die Geschichte des Rats der Staats- und Regierungschefs der EU, lässt sich gut beschreiben als ein Drama nach dem Muster der Echternacher Spring Prozession – drei Schritt vor und zwei zurück bzw. zur Seite. Das Drama wurde jedoch nicht zu einer Tragödie!  Mächtige Regierungschefs konnten den Prozess der europäischen Integration nur aufhalten, ihn aber nicht auf Dauer stoppen. Dankenswerter Weise  gab es viele überzeugende Personen, die „Gegengewichte“ waren. Sie nahmen gemeinsam das Geschick Europas in die Hand .

Unterschiedliche Sichtweisen

Betrachtet man die Entwicklung der europäischen Integration aus nationalstaatlicher Sicht mit nostalgischer Verklärung der jeweiligen imperialen und kolonialen Vergangenheit, so sind in dem Drama General Charles de Gaulle, der französische Staatspräsident und Margret Thatcher, die britische Premierministerin, die Helden.  Alle die Staatschefs, die die europäische Integration vorantrieben, sind aus einer solchen Sicht die Schurken.

—Die Einen

a) De Gaulle

Charles de Gaulle, der 1958 in Frankreich die 5. Republik ausgerufen hat, war vom Januar 1959 bis April 1969 französischer Staatspräsident. Geprägt von einem offenbar historisch begründeten Misstrauen (gegen England!), lehnte er die Dominanz der USA sowie der Sowjetunion in der internationalen Politik ab. Mit der Force de Frappe als Nuklearwaffe behauptete er Frankreichs Status als Großmacht. Am 14. 1. 1963 und am 19.12.1967 , also zweimal legte er ein Veto gegen den Beitritt von Großbritannien zur EU ein. Frankreich und England hatten immerhin einmal 100 Jahre gegeneinander Krieg geführt. Seine Befürchtung aber war,  Großbritannien würde ein trojanisches Pferde der USA in der EU sein.

Seine Einstellung zur EU

1962 proklamierte er seine Vision Europas als „Europa der Vaterländer“, also als Staatenbund, natürlich unter der Führung Frankreichs. Am 14. 12. 1965 sagte er: „Selbstverständlich kann man auf den Stuhl wie ein Zicklein springen und rufen: Europa, Europa, Europa! Aber das führt zu gar nichts und bedeutet nichts“. Auf seine Anordnung hin blieb Frankreich sogar den Sitzungen des damaligen Ministerrats vom 1.7.1965 bis zum 30.1.1966 fern. Das war ein Boykott durch eine Politik des leeren Stuhls. Noch beim Begräbnis Adenauers musste de Gaulle vom deutschen Bundespräsidenten förmlich genötigt werden zum Händedruck mit dem amerikanischen Präsidenten. Vorher waren sich die beiden demonstrativ aus dem Weg gegangen.

Einschätzung von de Gaulle

Theo Sommer, der langjährige Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“ sagte: De Gaulle war ein Mann des 17. und 18. Jahrhundert, der die Zukunft verfehlte, weil er die Vergangenheit restaurieren wollte.

Um de Gaulle bei aller notwendigen Kritik Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist jedoch dankbar zu erwähnen:  er hat zusammen mit Bundeskanzler Konrad Adenauer die deutsch-französische Freundschaft vorangetrieben. Besonders hervor sticht dabei das deutsch-französische Jugendwerk, das den Weg zum Elysée-Vertrag vom 22.1.1963 geebnet hat.

b) Thatcher

De Gaulle konnte die Geschichte nicht aufhalten, nur ihren Fortschritt verzögern: denn 1976 schließlich trat Großbritannien der EG bei. Und damit trat aus nationalstaatlich-imperialer Sicht ein weiterer Held, bzw. eine Heldin auf die europäische Bühne. Schon drei Jahre später, ab 1979  fiel der Europäische Rat nämlich selbst in eine Blockade. Denn Margret Thatcher,  britische Premierministerin von 1979-1990, weigerte sich, jeden weiteren Schritt zur Europäischen Integration mitzutragen. Sie verlangte, vorher die britischen Nettobeitragszahlungen zum EG Haushalt deutlich zu senken. Bei einer der Sitzungen knallte sie ihre kleine Handtasche auf den Verhandlungstisch und rief hoch rot anlaufend aus: „I want my money back!“  Dadurch kam es 1984 dann zum sog. „Brittenrabatt“. Seitdem hieß sie „die eiserne Lady!“

Thatchers wirtschaftspolitische Orientierung

Margret Thatcher orientierte ihre britische Wirtschaftspolitik an den ultra – liberalen Ideen von Friedrich Hayek. Dieser hatte postuliert, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung rein den entfesselten  Marktkräften zu überlassen. Diese Theorie ist bekannt unter dem Namen Neoliberalismus. Sie setzte eine kontraktive Geldpolitik, also eine Verknappung der Geldmenge durch. Damit trug sie zur Reduktion, zum Rückgang der Inflation in Großbritannien bei. Der Preis dafür war allerdings der Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Außenpolitische Orientierung

Als britische Premierministerin war sie geprägt von der Geschichte des britischen Empire und lebte in der nostalgischen Vorstellung, Großbritannien sei immer noch „die“ führende Weltmacht. Bestätigt darin sah sie sich durch den permanenten Sitz im Weltsicherheitsrat der UN mit exklusiver Vetomacht. Vetomächte sind nur noch das kommunistische China, Russland, die USA und Frankreich. Nach dem Brexit gibt es für diese Sonderstellung keinerlei Rechtfertigung mehr – ebenso wenig wie für Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

Margret Thatcher hatte ein sehr zwiespältiges Verhältnis zu Deutschland. Sie stand deshalb der deutschen Wiedervereinigung ablehnend gegenüber. Gegenüber dem deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker erklärte sie: Ihr Deutschlandbild habe sich im Wesentlichen bis 1942 gebildet und habe sich seitdem nicht grundsätzlich geändert. Bundeskanzler Kohl, nicht gerade als ängstlich verschrien, soll gesagt haben: Er fürchte Margret Thatcher wie der Teufel das Weihwasser!

Veraltetes Weltbild

Thatcher setzte auf „special relations“,  auf besonders gute Beziehungen zu den USA. Sie führte 1982 den Falklandkrieg gegen Argentinien. Thatcher war nie eine überzeugte Europäerin. Aber auch sie konnte die Fortschritte der Europäischen Integration nicht grundsätzlich stoppen, sondern nur wie de Gaulle verzögern.  Und so kann man resümieren: auch durch die Verbreitung ihres rückwärtsgewandten Weltbildes ist sie mit verantwortlich für den Brexit des Jahres 2020. Um die Sicht aus England auf Europa zu verstehen, sei hier die Schlagzeile der britischen Times zitiert: „Fog in the Channel, Continent isolated“! (Nebel im Ärmel-Kanal. Der Kontinent ist isoliert!)

Aus der Sicht derjenigen, die in der europäischen Integration eine alternativlose Entwicklung zum inneren Frieden, zur Durchsetzung der Menschenrechte in allen Mitgliedstaaten und zur Ausweitung des gemeinsamen Marktes sehen, sind de Gaulle und Thatcher keine Helden sondern eher „Schurken“ in dem Drama.

—Die Anderen

Die Helden diesbezüglich haben viele Namen. Da sind die Gründungsväter Jean Monnet und Robert Schumann aus Frankreich, Alcide de Gasperie aus Italien und Paul Henri Spaak aus Belgien zu nennen. Hinzu kommen der langjährige Kommissionspräsident Jacques Delors aus Frankreich und Altiero Spinelli aus Italien, außerdem aus Deutschland die Kanzler Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl.

Nach de Gaulles Rücktritt 1969 regte sein Nachfolger George Pompidou, französischer Staatspräsident  vom Juni 1969 – April 1974, eine Gipfelkonferenz auf höchster Ebene an. Ihm ging es darum, die Blockaden in Europa zu lösen. Kurz darauf kam es auch in Deutschland zu einem Regierungswechsel. Ab Herbst 1969 amtierte das erste Kabinett von Bundeskanzler Willy Brandt.

Gipfelkonferenzen

Die folgende Gipfelkonferenz der europäischen Staats- und Regierungschefs  in Den Haag gilt als der Neuanfang der europäischen Integration, u.a. weil weitere Treffen, wenn auch in unregelmäßigen Abständen, vereinbart wurden.

Jean Monnet, einer der prominenten Gründerväter und selbst früherer Kommissionspräsident, befürwortete regelmäßige Gipfeltreffen und sah sie als Chance für eine „provisorische Regierung Europas“ (Wikipedia). Auf dem Gipfel in Paris im Jahr 1974 wurden regelmäßige Treffen unter dem Titel „Europäischer Rat“ für zunächst alle 4, später alle 3 Monate vereinbart. Den Vorsitz sollte das Land haben, das den Vorsitz im Ministerrat der EWG innehatte. Der Wechsel des Vorsitzes sollte im halbjährigen Rhythmus erfolgen.

Der Europäische Rat erwächst aus den Konferenzen

Besonders durch die Zusammenarbeit des französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d`Estaing – 1974 – 1981 –  und des deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt – 1974 – 1982 –  wurde der Rat, das Consilium zur wichtigsten Institution der Europäischen Union. Diese beiden Staatsmänner legten den Grundstein für ein europäisches Währungssystem. Die formelle vertragliche Grundlage für den Europäischen Rat erfolgte auf dem Gipfel in Mailand 1984 durch die Einheitliche Europäische Akte. Im Vertrag von Lissabon von 2007, verabschiedet 2009 wurde der Europäische Rat als Organ der EU fest verankert.

1984 wurde auf einem Gipfel unter Vorsitz den französischen Staatspräsidenten Francois Mitterand  auch die Eurosklerose überwunden, u. a. durch Beschluss über den oben schon erwähnten „Britenrabatt“.

Erweiterung seiner Aufgaben

1991 unter dem Vorsitz des niederländischen Ministerpräsidenten Ruud Lübbers kam es zur Einigung über den Vertrag von Maastricht – in Kraft getreten 1992 – mit dem Ziel, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik für die damals 12 Mitgliedsstaaten zu betreiben. Die damals noch EG genannte Gemeinschaft steht seit diesem Vertrag auf drei Säulen.  Das sind

Die EG als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit der Sicherung der vier Grundfreiheiten des Gemeinsamen Marktes:  Warenverkehrs-,  Kapitalverkehrs- und Finanzdienstleistungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit für Unternehmen

Eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und

Die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres.

Gemeinsame Währung sowie Verfassungs-Grundlagen

2000 wurde unter dem Vorsitz des französischen Staatspräsidenten Jaques Chirac eine Einigung über den Vertrag von Nizza erzielt. Dabei einigte man sich auf die Etablierung der europäischen Währungsunion mit der Einführung des Euro.

2001 wurde unter Vorsitz des belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt die Einberufung eines europäischen Konvents zur Ausarbeitung eines EU Verfassungsvertrages beschlossen.

Das Scheitern einer Verfassung im ersten Anlauf

In zwei Volksbefragungen, in Frankreich und  den Niederlanden, scheiterte der dann später vorgelegte Entwurf. Dort gab es innenpolitische Macht-Kämpfe, die im Prinzip nichts mit der Verfassung zu tun hatten. Allerdings ist auch festzustellen: ein kompliziertes Vertragswerk für die gesamte EU ist wenig geeignet, um darüber mit „Ja“ oder „Nein“ abzustimmen.  Schon gar nicht, wenn dabei durch die nationale Brille geschaut wird.

„Ost“-Erweiterung

2002 wurde auf einem Gipfel in Kopenhagen unter dem Vorsitz des dänischen Ministerpräsidenten Anders Forgh Rasmussen die Aufnahme von zehn meist osteuropäischen Ländern beschlossen. 2004 war es soweit – die größte Erweiterung auf einen Schlag.

2007 erfolgte unter dem Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus Deutschland die Einigung auf den Vertrag von Lissabon. Dies ist der bisher weitreichendste und vorerst letzte europäische Vertrag.  Er enthält die Grundrechtscharta, die jedem/r Bürger*in vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbare Grundrechte garantiert.  Es  ist der in den erwähnten zwei Volksbefragungen gescheiterte  -durch  kleine Änderungen überarbeitete-  Entwurf einer Europäischen  Verfassung.

Abstimmungsmodalitäten

Bezüglich der eminent wichtigen Frage von Abstimmungen wurde die Passerelle Regelung – Brückenklausel – beschlossen. Vorher hatte die sog. Einstimmigkeitsregel Vieles blockiert. In bestimmten Politikbereichen kann nun mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, wenn der Europäische Rat dies vorher einstimmig abgestimmt hat. Die Stimmengewichtungen sind dann so, wie bei den Ministerräten erläutert. Und das Europäische Parlament kann in diesen Fällen nun mit Mehrheit zustimmen. Allerdings haben die nationalen Parlamente ein Vetorecht – Art. 48 Abs. 7 im neuen EU Vertrag.

Ein Beispiel dafür

Ein Beispiel für die Anwendung der Passerelle Regelung ist der Beschluss zum mehrjährigen Finanzrahmen der EU. Dies ist der Kernbereich der Kompetenz, denn es geht hier um die Finanzierung der Gemeinschaft über jeweils sieben Jahre. Die Passerelle-Regelung ist daher als ein wichtiger Schritt zur Überwindung des Einstimmigkeitsprinzips anzusehen. So werden flexiblere Entscheidungen im Rat möglich. Bei der stark gewachsenen Größe seit 2004 erschien das wohl als unerlässlich. 2009 wurde der Vertrag am 13. Dezember endgültig verabschiedet (vgl. dazu hier in Europaedia im „Manifest“ die Aktion am „Deutschen Eck“ in Koblenz) .

Stärkung des Parlaments und des Rats

Vor allem aber wurden die Rechte des Parlaments ausgeweitet. Seither stimmt das Parlament gleichberechtigt mit dem Ministerrat über den siebenjährigen Finanzrahmen ab. Außerdem hat es auch mehr Einfluss auf die Auswahl der einzelnen Kommissare.

Ab 2010 gilt: der Vorsitz im Europäischen Rat wird nicht mehr von einem Regierungschef bzw. einem Staatspräsidenten wahrgenommen. Seitdem führt  eine Person voll installiert den Vorsitz. Diese wird von den Staats- und Regierungschefs gewählt. Sie wird zunächst für  zweieinhalb Jahre als Präsident bestimmt mit der Perspektive der Wiederwahl. Dadurch soll in die Vorbereitungen der Sitzungen mehr Kontinuität kommen. Er/sie darf kein nationales Amt bekleiden. Ergänzt wird der oder die Vorsitzende durch den oder die Ratspräsident*in, also den oder die Regierungschef*in, die wie bisher alle halbe Jahre in der Präsidentschaft wechselt.

Die Vorsitzenden des Rates

Ab 2010 war das die Person Herman van Rompuy, früherer belgischer Ministerpräsident. Er amtierte bis 2015 als Vorsitzender. Ihm folgte bis 2019 Donald Tusk, der frühere polnische Ministerpräsident. Unter van Rumpuys Präsidentschaft wurde 2010 der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Bekämpfung der Folgen der Banken- und Staatsschuldenkrise, die 2007/08 begann, beschlossen. Über den ESM wurden günstige Kredite an in Not geratene Länder wie Griechenland gewährt – allerdings  unter strengen Auflagen.

Markt für Finanzdienstleistungen

2012 einigte sich der Europäische Rat auf einen Wachstumspakt in Höhe von 120 Milliarden Euro. Außerdem wurden erste Schritte zur Schaffung einer Bankenunion unter der Aufsicht der EZB eingeleitet. Es ging und geht dabei um die Schaffung eines einheitlichen europäischen Marktes für Finanzdienstleistungen, u. a. durch die Festlegung von Eigenkapitalquoten der Banken und um Haftungsregeln. Damit sollte  erreicht werden, dass in Zukunft bei Bankenkrisen nicht immer die Staaten und d.h. die Allgemeinheit als Retter auftreten müssen. Dies war ein dringend notwendiger Schritt, der aber leider immer noch nicht hinreichend umgesetzt worden ist.(vgl. dazu hier in Europaedia, Der Euro und die EZB, Punkt 3. …die Eurokrise ab 2007/08)

Seit  2017 tagen  die Rats- und Regierungschefs  in diesem „Europa-Gebäude“ in Brüssel, im sog. Consilium. Auch die Tagungen der verschiedenen Ministerräte finden hier statt.

Europa-Gebäude, Samyandpartners CC BY-SA 4.0

Europa-Gebäude, Consilium, Samyandpartners CC BY-SA 4.0

Ständig neue Herausforderungen

2016 hatte sich der Europäische Rat mit der Flüchtlingskrise ab 2015 zu befassen. Konsens über eine europäische Flüchtlingspolitik, vor allem über die Verteilung von Kriegsflüchtlingen wurde bis heute nicht erzielt.

2020 begann die halbjährige  Ratspräsidentschaft Deutschlands, zum zweiten Mal während der Kanzlerschaft von Frau Merkel. Die große Herausforderung war, sowohl die Einnahmen für den EU Haushalt für die nächsten Jahre einvernehmlich festzulegen, als auch den Wiederaufbaufonds nach der Corona Pandemie zu beschließen. Und ein europäisches Gesetz zur Festschreibung des „Green Deal“ musste auf den Weg gebracht werden. Das waren viele neue budgetrechtliche Herausforderungen (vgl. dazu hier „Die Finanzen“).

Ein anderes beherrschendes Thema war die Bestrebung, Großbritannien in der EU zu halten. Das ist nicht gelungen.  So waren die Verhandlungen über das künftige Verhältnis zur EU, insbesondere was den Zugang zum gemeinsamen Markt angeht, zum Abschluss zu bringen. Wäre das gescheitet, hätten Importe aus Großbritannien in die EU mit Zöllen belegt werden müssen.

China

Obwohl die Agenda schon überladen genug war, stand auch noch das Verhältnis der EU zum kommunistischen China auf dem Programm. Als  besondere Belastung gilt der Umgang mit den Uiguren, da dort für den europäischen Markt produziert wird. Darüber hinaus zeigt das kommunistische Land immer mehr sein wahres Gesicht, indem es vertragswidrig nach Hongkong greift. Auch  Nationalchina (Formosa) ist schon lange der Gefahr der Übergriffigkeit ausgesetzt. Dem kommunistischen Land ist auch dieses eigenständige, demokratisch regierte Land ein Dorn im Auge. China möchte sich die kleine Insel lieber heut als morgen einverleiben.

Die Beziehungen der EU zu China

Bei der Erörterung des Verhältnisses EU – kommunistisches China gilt es daher immer wieder, eine Balance zu finden. Das eine ist das notwendige Eintreten für die Wahrung der Menschenrechte, das andere die Berücksichtigung der Tatsache, welch wichtiger und mächtiger Handelspartner das  kommunistische Land inzwischen ist.

Um diese Balance nicht zum bloßen Lippenbekenntnis verkommen zu lassen, sollten Schritte unternommen werden, um die wirtschaftliche Abhängigkeit vom kommunistischen China deutlich zu verringern.  Als wichtig hat sich inzwischen ohnehin die Rückverlagerung von Produktionen in die EU, besonders für systemrelevante Produkte des Gesundheitssektors erwiesen. Die Corona-Krise hat überdies die Schattenseiten der Globalisierung -u.a. auf Grund der Lieferungen „just in time“-  deutlich zutage treten lassen.

Kleines Resümee

Logo des Europäischen Rats

Der Europäische Rat hat in seiner Geschichte ganz wichtige Weichenstellungen sowohl zur Vertiefung als auch zur Erweiterung der Europäischen Union beschlossen, gerade auch gemessen an den früheren Blockaden. Der Rat wurde dabei immer stärker institutionalisiert. Dies war allein schon wegen der wachsenden Größe der EU erforderlich. Aber Verträge, die der Rat einstimmig beschließt, bedürfen noch heute der mehrheitlichen Zustimmung in den Parlamenten aller Mitgliedsstaaten. Insofern ist die Behauptung, Brüssel setze sich an die Stelle der Nationalstaaten, unzutreffend.

Vorsitzender des Rats der Staats- und Regierungschefs

Dieser hat kein eigenes Stimmrecht. Er bereitet die Sitzungen vor und sorgt für die Kontinuität der Arbeit der Staats- und Regierungschefs. Bei Konflikten vermittelt er z.B. schon im Vorfeld und ist damit bemüht, Kompromisse auszuarbeiten.

Zudem vertritt er die Union gemeinsam mit dem/der Kommissionspräsident*in nach außen.

Der derzeitige Vorsitzende

Heute ist das Charles Michel.  Von 2014 bis 2019 war er mehrfacher Minister und auch Ministerpräsident Belgiens. Er ist Sohn des früheren belgischen Außenministers und EU-Kommissars Louis Michel. Anders ausgedrückt, er hat  „Politik im Blut“. Er hat in Brüssel und Amsterdam Rechtswissenschaften studiert und ist seit 1998 in Brüssel als Anwalt zugelassen. Seine politischen Erfahrungen im weitgehend zweigeteilten Land zwischen Flamen und Wallonen weisen ihn als ausdauernden Vermittler zwischen unterschiedlichen Interessen aus. Als Vorsitzender des Rats der Staats- und Regierungschefs  versucht er, vor den jeweiligen Treffen auszuloten, wo Kompromisslinien verlaufen könnten, damit es auf den Sitzungen zu einstimmigen Beschlüssen kommen kann. Er hatte also zusammen mit der Bundeskanzlerin als Ratspräsidentin  (im 2. Halbjahr 2020) die ganz wichtige Aufgabe der Weichenstellungen für die Zukunft der EU in den nächsten Jahren.

Zusatz aus aktuellem Anlass

Bei einem gemeinsamen Besuch mit der Präsidentin der Kommission in der Türkei kommt es zu einem von Erdogan inszenierten Eklat. Neben Erdogan ist nur ein Sitzplatz vorhanden. Michel lässt bei der Pressekonferenz  Frau v. der Leyen nicht den Vortritt.  Die Präsidentin muss abseits Platz nehmen. Aus dieser Affäre entwickelt sich das  sog. Sofagate. Denn die Präsidentin der EU erfährt dadurch eine Missachtung. Es wird offenbar: das Verhältnis der beiden Spitzen der EU -im Vorrang um die Wichtigkeit- ist nicht hinreichend geklärt. Es scheint hier nicht nur um reines Macho-Gehabe des Mannes zu gehen. Möglicherweise geht es um einen Macht-Konflikt zwischen zwei EU- Institutionen. (April 2021) Um ein einheitliches Vorgehen der EU zu gewährleisten, muss schnellstens geklärt und gewährleistet werden:  der/die Präsidentin ist die oberste Instanz der EU.

2. Die Funktionen

Der Rat der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ist nicht in die alltägliche Rechtsetzung der EU eingebunden. Er ist eine übergeordnete Institution. Zum einen betreibt er Krisenmanagement.  Zum anderen bereitet er  gemeinsame Entscheidungen in Bezug auf grundsätzliche Weichenstellungen für die Zukunft der EU vor. (Art. 15 EU Vertrag)

a) Krisenmanagement

Das Krisenmanagement war besonders in der Finanz- und Staatsschuldenkrise ab 2007/8 gefordert. Dabei galt es,  Spannungen zwischen Nord- und Südländern in der EU auszugleichen.  Griechenland und Italien, aber auch Spanien  tun sich schwer sowohl mit grundsätzlich notwendigen Reformen wie auch mit der Korruptionsbekämpfung.  Bei den lange diktatorisch regierten Länder war  vor deren Beitritt in Bezug auf die Aufnahmekriterien nicht so genau hingeguckt worden. So gab es in Griechenland kein Grundbuch und keine Bauplanungen. Außerdem ließen sich manche Angehörige nach dem Tod eines Rentners dessen Rente weiter auszahlen. In kleinen Läden und Restaurants wurde die Mehrwertsteuer unterschlagen. In Italien spielte die Mafia bis in hohe Regierungskreise eine Rolle. Von einer funktionsfähigen öffentlichen Verwaltung konnte lange keine Rede sein.  Nordländer wie Schweden,  die Niederlande aber auch Deutschland verlangten deshalb für die Notkredite mit Recht harte Reformbemühungen. Die sog. Troika (EZB, IWF u. EU-Kommission) überwachte  deren Einhaltung.

b) Grundsätzliche Weichenstellung

Diese Spannungen wiederholten sich unter der deutschen Ratspräsidentschaft in Bezug auf den Wiederaufbaufonds in der Corona Pandemie. Deutschland, Frankreich und die EU Kommission  plädierten dafür, 500 Milliarden Euro als Zuschüsse an die von der Krise besonders getroffenen Länder wie Italien und Spanien auszuzahlen.  Die „sparsamen 4“ – Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden (Finnland hat sich noch dazu gesellt) verlangten, nur Kredite zu gewähren und diese an strenge Auflagen zu knüpfen. Die Aufgabe lautete erneut, die notwendige Solidarität  mit Wegen zu verknüpfen, um die Standards einer „guten Verwaltung“  einzuhalten. Dennoch sollen am Ende der Krise alle EU Länder  besser da stehen als zu deren Beginn. Insofern geht es nicht nur um schnelle Hilfe, sondern auch darum, in den Staaten ein „good government“ nach rechtsstaatlichen Prinzipien zu fördern.

Grundsätzliche Differenzen

Eine weitere Spannung besteht zwischen einigen osteuropäischen Mitgliedsländern, allen voran Polen und Ungarn, und den westlichen, schon länger in der EU verankerten Ländern. Ministerpräsident Victor Orban in Ungarn bezeichnet die Verfasstheit seines Landes als eine illiberale Demokratie, ein Widerspruch in sich. Die Partei „Recht und Gerechtigkeit“, PIS in Polen betreibt ebenfalls schon länger die Aushöhlung des Rechtsstaates.

Hier hat der Rat der Staats- und Regierungschefs bisher keinen Weg gefunden, die Prinzipien, auf denen die EU gegründet ist, angemessen durchzusetzen. Allerdings ist mit der Einführung eines  Konditionalmechanismus für die Auszahlung von Geldern ein erster Schritt dazu gemacht worden. (Vgl. zu der Auseinandersetzung hier in Europaedia, die Aktuellen Nachrichten vom 5.11. und 10.12. 2020, sowie die Vorgänge im EU Parlament vom 3.3.2021)

3. Kritische Bewertung

Ein Kennzeichen des bisherigen Krisenmanagements ist lediglich die Abschwächung von Krisenauswirkungen.

zu a) Unverantwortliches Verhalten der Banken im internationalen Wettbewerb hat die Finanzkrise hauptsächlich verursacht. Die Rettung strauchelnder Banken erfolgte zum Teil durch staatliche Beteiligungen z.B. bei der Commerzbank. Außerdem schrieben die Pläne für eine  neu zu schaffende Bankenunion höhere Eigenkapitalanteile vor, um die Banken krisenfester zu machen. Die Aufsicht wurde verstärkt.

Die angestrebte Bankenunion ist aber bis heute nicht vollendet. Weil die Politik selbst auf EU Ebene nicht ausreichend dem Lobbyeinfluss des Finanzsektors widerstehen kann? Die „Politik des billigen Geldes“ der EZB hat zwar Zeit „gekauft“, aber diese Zeit ist nicht genügend genutzt worden. Auch 2021 gibt es in Europa noch zahlreiche Zombi-Banken, die durch die EZB Politik künstlich am Leben erhalten werden. Bisher ist also kein Weg beschritten worden, eine abschließende Lösung durchzusetzen!

Hausaufgaben nicht gemacht!

Die europäische Politik und die der Mitgliedsstaaten haben ihre ordnungspolitischen Hausaufgaben nicht ausreichend gemacht! In dieser Situation ist die EZB eingesprungen. Sie hat mit ihrer Niedrigzinspolitik reagiert indem sie die Märkte mit Liquidität überschwemmt hat. Sie hat damit wirtschaftspolitische Aufgaben übernommen.  Es ist zwar Anfang des Jahrtausends eine Währungsunion gegründet worden. Aber die Kraft, entsprechend eine wirtschaftspolitische Union auf EU Ebene zu schaffen, fehlte damals bedauerlicherweise. (B. P. Lange, Krisenspirale oder Neustart? 2015)

Vorschlag zur Weiterentwicklung

zu b) Eine gemeinsame Wirtschaftspolitik  muss notwendiger Weise die Währungspolitik ergänzen, um den Euro zu stabilisieren. Die Corona Krise sollte jetzt genutzt werden, auf der EU Ebene auch die Wirtschaftspolitik zu verankern. Ein wichtiger  Schritt dazu sollte die Errichtung eines „Hohen Vertreters für Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU“ mit Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament sein. Er sollte dann -ebenso wie  der Kollege für die Außenpolitik- den ständigen Vorsitz im Ministerrat für Wirtschaft und Finanzen haben. Eine neue wichtige Aufgabe bedarf auch der sichtbaren Abbildung im Personal-Tableau.

Konjunkturpolitische Lehren

In Bezug auf die notwendigen konjunkturpolitischen Lehren aus der Corona Krise ist es zu früh für eine Bewertung. Die bisher vorgelegten Pläne – Wiederaufbaufonds und „Green Deal“ und die erstmalige Möglichkeit der Kommission, Schulden aufzunehmen – weisen in die richtige Richtung und werden sich hoffentlich zu einer grundsätzlichen Weichenstellung mausern, die den Handlungsspielraum der EU sehr erweitern würde.  (vgl.  „Politikfelder: Konjunkturpolitik“).

Flüchtlingskrise

Auch in Bezug auf die europäische Flüchtlingskrise ab 2015 lässt sich die obige Feststellung wiederholen. Die Krise wurde zwar eingehegt, u.a. durch den Pakt mit der Türkei, die bisher gegen massive Geldtransfers Flüchtlinge aus dem Syrienkrieg im eigenen Land hält. Aber trotzdem gibt es besonders in Griechenland weiterhin große Flüchtlingslager unter schlechten hygienischen Verhältnissen. Denn die EU Mitgliedsländer können sich schon seit Jahren nicht auf die Verteilung der Flüchtlinge einigen. Besonders Länder wie Ungarn und Polen – beide „gut“ katholisch – verweigern sich der Aufnahme von Flüchtlingen, möglicherweise besonders von muslimischen. Die Krise schwelt  also weiter und trägt so auch zu einer Spaltung der Gemeinschaft der EU bei.

Zusammenfassend

Ohne die Kritikpunkte zu relativieren, ist zu sagen: der Rat der Staats- und Regierungschefs hat  seine Funktionsfähigkeit in den letzten 40 Jahren kontinuierlich zum Wohle der Bürger der Union bewiesen. Er hat die Einigung auf die Verträge von Nizza, Amsterdam, Maastricht und Lissabon bewerkstelligt. Die EU hat dadurch ein immer stärkeres Fundament erhalten. Durch die Entscheidungen zur Aufnahme zahlreicher neuer Mitglieder hat er die EU jeweils enorm weiter entwickelt.  Die internationalen Herausforderungen, vor denen die EU steht, werden immer größer. Soll Europa seinen Platz im Weltgefüge behaupten, so besteht die dringende Notwendigkeit,  den Weg der Zusammenführung weiter zu verfolgen. Nicht nur die Erweiterung, sondern auch  die zunehmende Vertiefung der europäischen Integration  ist unabdingbar für ein Europa, das sich zwischen zunehmend aggressiver werdenden Mächten wie Russland und China behaupten soll und muss. Es gibt überdies noch mehrere osteuropäische Staaten, die „vor der Tür stehen“ und auf Aufnahme hoffen.

Kritische Punkte

Die weiter geäußerte zivilgesellschaftliche Kritik an einer mangelnden demokratischen Legitimation des Rates der Ministerpräsidenten geht in zweifacher Hinsicht fehl. Zum einen sind die Mitglieder des Rates der Staats- und Regierungschefs allesamt in ihrem jeweiligen Land demokratisch gewählt worden und damit legitimiert. Zum anderen sind alle geschlossenen Verträge sowohl in den einzelnen nationalstaatlichen Parlamenten wie auch im EU Parlament ratifiziert worden.

Die Kritik und das Gebaren der kleineren Länder

Sie lautet, sie würden durch die großen dominiert. Angesichts der meist notwendigen Einstimmigkeit im Rat der Staats- und Regierungschefs erscheint diese Kritik kaum nachvollziehbar. In den verschiedenen Ministerräten sind durchaus Koalitionen von mehreren kleinen Ländern mit einigen größeren auch gegen die ganz großen möglich. Allerdings  belastet das das Verhandlungsklima empfindlich, zumal allgemein immer auf Konsens und Kompromissbildung geachtet wird. Auch außerhalb Europas wird dies derzeitige Paktieren aufmerksam oder verständnislos beobachtet,  bei einigen Europa-feindlichen Staaten jedoch mit klammheimlicher Freude.

4. Was lässt sich aus den Erfahrungen mit europäischem Krisenmanagement lernen?

Die drei großen Krisen haben die EU und die einzelnen Mitgliedsstaaten wie ein Tsunami getroffen, d.h. ohne jede Vorwarnung und ohne Vorsorge für derartige Krisen:  sowohl die internationale Finanz- und Staatsschuldenkrise, als auch die  Flüchtlingskrise wie auch der wirtschaftliche Einbruch, ausgelöst durch die Corona – Pandemie. Die Reaktionen waren deshalb panikartig und unkoordiniert nach dem Motto: Jeder ist sich zunächst der Nächste. Grenzschließungen waren ein wesentlicher Rückschritt gegenüber der bisher erreichten Freizügigkeit.

Notwendig erscheint deshalb eine Vorsorge auf verschiedenen Ebenen

1. Finanziell sollten Rücklagen vorhanden sein im Sinne z.B. des früheren „Juliusturms“. Das waren in der Bundesrepublik zwischen 1953 bis 1957 thesaurierte (angehäufte) Überschüsse aus dem Bundeshaushalt. Die Rücklagen waren dazu da, um staatlicherseits nicht auf das Schuldenmachen allein angewiesen zu sein.

Utopien können wahr werden

Die Forderung nach der Bildung einer „eisernen Reserve“ an Haushaltsmitteln erscheint angesichts der Wirtschaftskrise durch die Pandemie und ihre riesigen staatlichen Verschuldungen völlig utopisch. Doch: Wer 2019 vorausgesagt hätte, 2020 wird der Europäischen Kommission ermöglicht, Schulden aufzunehmen und außerdem: die Bundesregierung wird sich 2020 von der „heiligen Kuh“, der schwarzen Null verabschieden, wäre als Spinner angesehen worden. Jetzt wird gesagt, durch verantwortungsvolle Politik soll erreicht werden, dass Deutschland bzw. die EU nach der Krise besser dasteht als zu deren Beginn. Wenn dieses Mantra realistisch gemeint ist und nicht als leeres Versprechen, dann muss auch und gerade in der Krise vorsorgt werden gegen die Gefahren der nächsten. Die jetzige Krise erfordert ein neues Denken und Handeln, losgelöst von überkommenen Ideologien bzw. nationalstaatlich gedachten Bremsmechanismen.

Eine weitere Ebene der Vorsorge

2. Die Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten und Ausrüstungen darf nicht mehr auf das Vertrauen auf den Weltmarkt gegründet sein. Die Globalisierung hat u.a. zu Bestellungen „just in time“ und das weltweit geführt. Damit ist die Lieferung gerade dann, wenn es gebraucht wird, gemeint, also ohne Lagerhaltung. Das muss korrigiert werden,  auch wenn das dann ggfs. höhere Kosten verursacht. Die diversen Lieferengpässe, die im Jahr 2021 sichtbar geworden sind, haben verschiedenste Ursachen. Aber sie alle führen zu einem teilweisen Niederliegen unserer Produktion.

Die Krisen haben jede für sich erneut eine Erkenntnis reifen lassen:  der Staat bzw. die EU sind ggfs. jeweils die letzten Notanker zur Rettung von Wirtschaft und Gesellschaft vor dem Ausbruch eines unkontrollierbaren Chaos. Deshalb ist einem vermehrt zu beobachtenden  pauschalen „Staats – Bashing“ entschieden entgegen zu treten. Das bedeutet nicht, alle Maßnahmen der Staaten zur Krisenbekämpfung  unkritisch hinzunehmen.

Grundsätzliche Maßnahmen

3. Das institutionelle Zusammenwirken der EU Institutionen muss verbessert werden. Die Rechte des EU-Parlaments sind weiter auszuweiten, damit auch von hieraus Initiativen zur Weiterentwicklung der EU, z.B. zur Stärkung gegen Krisenanfälligkeit ergriffen werden können.

4. Doch nicht nur der vor- und fürsorgende Staat muss gestärkt werden, sondern auch die zivilgesellschaftliche Vorsorge. Das kann geschehen z.B. durch Stärkung der Genossenschaften oder der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit: „einer für alle, alle für einen“  auch im Notfall.

Schaffung von Vertrauen

5. Eine Gesellschaft ist dann resilient, wenn sie auf schockartige Herausforderungen relativ gelassen reagieren kann. Dazu gehört, dass die Bevölkerung gegen Verschwörungstheorien immunisiert wird.  Dazu hilft, die Aufklärung darüber, welche vorsorglichen Mechanismen zur Reaktion auf Krisen  vorhanden sind. Jeder muss wissen, die Feuerwehr ist gut ausgerüstet und sie kommt schnell, sollte es brennen. Dann werden kommunale Abgaben auch bereitwillig gezahlt. Das Gleiche gilt auf der Ebene der Nationalstaaten und der EU. Transparente, einleuchtende Informationen über das Arsenal zur Bekämpfung von Wirtschafts- oder Gesundheitskrisen sind essentiell für die Erhaltung des Vertrauens in die Politik.